Startseite
Icon Pfeil nach unten
Panorama
Icon Pfeil nach unten

Höxter-Prozess: Horror-Haus in Höxter: Grausame Details im Gerichtssaal

Höxter-Prozess

Horror-Haus in Höxter: Grausame Details im Gerichtssaal

    • |
    In diesem Haus in Höxter soll das Paar seine Opfer brutal misshandelt haben.
    In diesem Haus in Höxter soll das Paar seine Opfer brutal misshandelt haben. Foto: Friso Gentsch, dpa (Archiv)

    Angelika W. verbirgt ihr Gesicht hinter einem roten Aktenordner, als sie am Mittwochmorgen im Mordprozess um das Horrorhaus von Höxter in den Sitzungssaal 205 des Paderborner Landgerichts geführt wird. Wenig später öffnet sich die Tür zur Anklagebank für ihren Ex-Ehemann Wilfried W., doch der stämmige Mann mit Bart, Brille und schwarzer Lederjacke versteckt sich nicht vor der Armada von Fotografen und Kameraleuten. Minutenlang steht der 46-Jährige im Blitzlichtgewitter und scheint sogar Gefallen daran zu finden.

    Wilfried W. und seine 47-jährige Ex-Frau äußern sich am ersten Verhandlungstag in diesem Prozess um Folter, Martyrium und Tod in ihrem Haus in Höxter-Bosseborn nicht. Denn die Strafkammer setzte für Mittwoch nur die Verlesung der Anklageschrift auf die Tagesordnung - eine gute Entscheidung, wie sich später erweist. Denn die Verbrechen, die der Paderborner Oberstaatsanwalt Ralf Meyer an diesem ersten Prozesstag schildert, verbieten jedes Hinübergleiten in Gerichtsroutine.

    Angeklagte sollen mindestens vier Frauen brutal misshandelt haben

    Mit einer unglaublichen Rohheit und Kaltblütigkeit soll das Ex-Paar mindestens vier Frauen in seinem Haus gequält haben - zwei von ihnen so gnadenlos, dass die Frauen im Alter von 33 und 41 Jahren starben. "Wie Leibeigene" hätten die Opfer den mutmaßlichen Tätern zur Verfügung stehen sollen, sagt der Oberstaatsanwalt. Dazu habe das mutmaßliche Täterpaar den Willen der Frauen brechen wollen - um Macht über sie auszuüben.

    Der Fall Höxter - eine Chronologie des Grauens

    Das Landgericht Paderborn hat ein Urteil zu den Geschehnissen im sogenannten Horrorhaus von Höxter gesprochen. Angeklagt wegen Mordes durch Unterlassen waren Wilfried W. (48) und seine Ex-Frau Angelika W. (49). Eine Chronologie der Ereignisse:

    1995: Das Amtsgericht Paderborn verurteilt den damals 25-jährigen Wilfried W. wegen Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Nötigung zu zwei Jahren und neun Monaten Haft. Er hatte laut Gericht seine Frau misshandelt und gequält - zusammen mit einer Komplizin.

    1999: Der gebürtige Bochumer lernt die in Herford geborene, heute 49-jährige Angeklagte Angelika B. kennen. Sie heiraten.

    2011: Im Ortsteil Höxter-Bosseborn mietet das Paar einen Hof.

    Ende 2011 bis März 2012: Mehr als drei Monate soll eine Frau aus dem Großraum Berlin misshandelt und gefangen gehalten worden sein. Das Opfer traut sich erst 2016, bei der Polizei auszusagen, als es in Medienberichten das Haus in Ostwestfalen wiedererkennt.

    2013: Über eine Zeitungsanzeige kommt Anika W. aus Niedersachsen nach Bosseborn. Nach kurzer Zeit heiratet sie Wilfried W., der weiter mit seiner Ex-Frau in dem Haus wohnt. Gemeinsam sollen sie die 33-Jährige gequält haben, wie aus den Aussagen der Angeklagten hervorgeht.

    August 2014: Die misshandelte Frau stirbt an ihren Verletzungen. Das Paar soll die Leiche in einer Tiefkühltruhe eingefroren, zerstückelt und verbrannt sowie die Asche an Straßenrändern verteilt haben. Das Paar habe immer wieder SMS-Nachrichten an die Mutter des Opfers geschickt, die bis April 2016 davon ausgeht, dass ihre Tochter lebt.

    Februar 2016: Die 41-jährige Susanne F. aus dem niedersächsischen Bad Gandersheim reagiert auf eine Zeitungsanzeige und kommt im März in das Haus. Über mehrere Wochen wird sie festgehalten und misshandelt.

    April 2016: Mit der schwer verletzten Frau im Auto fährt das Paar in Richtung Bad Gandersheim. Dort wollen sie die Frau in ihre Wohnung zurückbringen. Eine Autopanne durchkreuzt jedoch den Plan. Sie entscheiden sich, einen Rettungswagen zu rufen. Das Opfer stirbt einen Tag später, die Ärzte schalten die Polizei ein. Wenige Tage später wird Haftbefehl gegen Wilfried W. und seine Ex-Frau erlassen.

    Mai 2016: Die Ermittler geben Details bekannt. Die Beschuldigte hat demnach umfassend über beide Todesfälle ausgesagt, Wilfried W. bestreitet jede Schuld. Die Polizei sucht nach weiteren Frauen, die in der Gewalt des Paares in Bosseborn gewesen sein könnten.

    Oktober 2016: Beginn des Prozesses gegen Wilfried W. und Angelika W.

    Ende 2016: Angelika W. schildert bei ihrer Befragung im Prozess grausame Details. Ohne ersichtliches Unrechtsbewusstsein berichtet sie, wie sie selbst Opfer und dann Täterin geworden sei. 

    März 2017: Wilfried W. sagt aus. Er schildert sich als Mitläufer.

    Juli 2018: Laut Gutachterin Nahlah Saimeh haben die Angeklagten eine gewachsene Einheit gebildet, um ihre Opfer einzuschüchtern und zu manipulieren. Die überdurchschnittlich intelligente Angelika W. sei schuldfähig, trotz der Züge von Autismus. Saimeh empfiehlt, Wilfried W. in die Psychiatrie einzuweisen. Er sei vermindert schuldfähig und habe eine erhebliche Intelligenzminderung.

    September 2018: Staatsanwalt und Nebenkläger fordern lebenslange Freiheitsstrafen und das Feststellen der besonderen Schwere der Schuld für beide Angeklagten. Zusätzlich soll Wilfried W. in die Psychiatrie. Seine Verteidiger sprechen sich wegen gefährlicher Körperverletzung und versuchten Mordes für sieben Jahre und sechs Monate Haft und Einweisung in die Psychiatrie aus. Die Verteidiger von Angelika W. fordern für sie Freispruch. Sollte das Gericht dem nicht folgen, schlagen ihre Anwälte wegen umfassender Aussage eine Kronzeugenregelung vor. Dann soll sie für 12 Jahre ins Gefängnis.

    Oktober 2018: Die beiden Angeklagten werden zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Das Landgericht verhängt gegen Angelika W. 13 Jahre Haft und gegen Wilfried W. elf Jahre Freiheitsstrafe.

    Meyer berichtet von einem ganzen Arsenal an Foltermethoden, die Wilfried und Angelika W. in ihrem Haus angewandt haben sollen. Sie reichten demnach von Schlägen ins Gesicht, Wegtreten der Füße, Ausgießen von heißem Wasser oder Tee auf die Haut der Opfer, Ziehen an den Haaren und Ausreißen ganzer Haarbüschel bis zu Fesselungen in der Badewanne. Einem Opfer, das unter Glutamatunverträglichkeit litt, soll Wilfried W. den Geschmacksverstärker in Getränken untergeschoben haben, damit die Frau gesundheitliche Probleme bekommt.

    Bei all dem sei den Angeklagten bewusst gewesen, dass ihre Opfer "erhebliche Schmerzen" litten und die Frauen ihre Situation als "psychisch zunehmend unerträglich" empfanden, betont Meyer. Schließlich hätten die beiden später gestorbenen Frauen nicht mehr laufen können. Eines der Opfer starb laut Anklage 2014 in dem Haus in Höxter, das zweite im vergangenen Frühjahr in einer Klinik.

    Diese Frau sollen die Angeklagten laut Meyer ins Auto verfrachtet haben, als sie mit ihrem Tod rechneten. Auf der Fahrt zum Herkunftsort des Opfers in Niedersachsen hatte das mutmaßliche Täterpaar jedoch eine Autopanne und flog auf.

    "Horror-Haus von Höxter": Angeklagte zeigen keine Regung

    Während der Anklagevertreter die beiden Morde und die zahlreichen Körperverletzungsdelikte schildert, die er dem geschiedenen Paar vorwirft, zeigen Angelika und Wilfried W. auf der Anklagebank keine Regung. Äußerlich unbewegt folgen sie dem Vortrag des Oberstaatsanwalts. Später kündigt der Verteidiger von Angelika W. eine Aussage seiner Mandantin zu einem späteren Zeitpunkt an. Der Anwalt von Wilfried W. stellt in Aussicht, dass die Verteidigung demnächst eine Erklärung verlesen wird.

    In dem Prozess wird die Paderborner Strafkammer nun vor allem zu klären haben, welcher der beiden Angeklagten die treibende Kraft bei den Verbrechen von Höxter war. Bei einem Schuldspruch droht dem Ex-Paar nicht nur lebenslange Haft. Das Gericht stellte bei der Eröffnung der Hauptverhandlung klar, dass auch die Verhängung einer Sicherungsverwahrung in Frage kommt. afp

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden