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Verhalten: Können Tiere Freunde sein?

Verhalten

Können Tiere Freunde sein?

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    Die ungewöhnliche Beziehung zwischen Tiger Amur und Ziege Timur in einem russischen Zoo verlief nicht lange gut.
    Die ungewöhnliche Beziehung zwischen Tiger Amur und Ziege Timur in einem russischen Zoo verlief nicht lange gut. Foto: Vitaliy Ankov/dpa

    Als Ziegenbock Timur die Tore des Sadgorod-Zoos im russischen Wladiwostok passiert, hat eigentlich sein letztes Stündlein geschlagen. Doch als Timur seine Hufe in das Gehege von Tiger Amur setzt, um als dessen Mahlzeit zu enden, rührt die Raubkatze ihn nicht an. Von da an leben die beiden zusammen, die irre Geschichte des ungleichen Paares geht von der Hafenstadt am Japanischen Meer aus um die Welt. Haben die beiden tatsächlich Freundschaft geschlossen?

    Zoologin: "Freundschaft ist eher etwas Menschliches"

    Für Barbara Jantschke, Direktorin des Augsburger Zoos, ist die Geschichte aus Russland ein absoluter Sonderfall. „Der Tiger hat die Ziege wohl eher geduldet. Wahrscheinlich hatte er keinen Hunger“, vermutet die promovierte Zoologin. Eigentlich würden Tiere unterschiedlicher Gattungen sich kaum füreinander interessieren, das könne sie auch in Gemeinschaftsgehegen in Augsburg beobachten. „Die bleiben dann unter sich. Selbst unter Artgenossen ist es schwierig, so etwas wie Freundschaft nachzuweisen. Freundschaft ist eher etwas Menschliches.“

    Zwar bauten einige Tiere mit der Zeit eine Beziehung zu ihren Pflegern auf, eine Freudschaft sei aber auch das nicht. „Sie wissen, dass der Pfleger Fressen bringt und sauber macht, das ist dann okay.“ Tiere gingen eher ein Bündnis ein, das ihnen einen Nutzen bringt, etwa wenn sich mehrere Weibchen gemeinsam gegen ein aggressives Männchen verteidigen wollten.

    Wissenschaftler finden Hinweise auf Tier-Freundschaften

    Dem stimmt Professor Norbert Sachser zu. Die sozialen Bindungen zwischen Tieren seien zwar schon gründlich erforscht, jedoch immer vor einem bestimmten Hintergrund wie einer Mutter-Kind- oder einer sexuellen Beziehung. „Freundschaften unter Tieren waren bislang kein großes wissenschaftliches Thema“, sagt der Leiter des Instituts für Verhaltensbiologie an der Uni Münster.

    Es gebe allerdings mehr und mehr Hinweise, dass so etwas wie Freundschaft tatsächlich existiert. „Wissenschaftler haben Berberaffen in der freien Natur beobachtet. Einige Männchen verbrachten auffällig viel Zeit miteinander. In ihrem Kot konnte man weniger Stresshormone als bei anderen Artgenossen finden“, berichtet Sachser. Die Zeit mit Artgenossen zu verbringen, habe also einen positiven Effekt. Befreundete Affen könnten besser mit Stress umgehen.

    In Münster verguckte sich ein Schwan in ein Tretboot.
    In Münster verguckte sich ein Schwan in ein Tretboot. Foto: Barbara Hofmann

    Die meisten vermeintlichen Tier- Freundschaften, die immer wieder in den Schlagzeilen auftauchten, ließen sich aber leicht anders erklären, sagt Sachser. Bestes Beispiel sei der Schwan, der sich 2006 in Münster in ein Tretboot in Schwanenform verliebt haben soll. „Diese Vögel wissen nicht von Geburt an, wie ihre Artgenossen aussehen. Wenn sie schlüpfen, werden sie einfach auf das geprägt, was sich in ihrer Nähe befindet. Das kann auch ein Gegenstand sein.“

    Verhaltensbiologe: Hund könnte bester Freund des Menschen sein

    Bei Haustieren sieht es etwas anders aus. Der Hund könne tatsächlich der beste Freund des Menschen sein, sagt Verhaltensbiologe Sachser. Denn häufig seien Haustiere von frühester Jugend an von Menschen umgeben. „Außerdem stammt der Hund vom Wolf ab. Die Rudelbildung liegt somit in seinen Genen. Katzen sind dagegen eher einzelgängerisch veranlagt.“ Die Gene und die Umwelt machen laut Sachser aus, wie ein Tier mit Menschen oder anderen Tieren auskommt. Und nicht zuletzt sei jeder Vierbeiner, so wie Menschen, anders. „Auch ein alter Hund kann sich prinzipiell noch an ein Leben mit einer Katze gewöhnen. Aber es funktioniert sicher besser, wenn sie schon zusammen aufwachsen.“

    Kater Hannibal und Hund Piero sind die besten Freunde und kuscheln auch gerne. Die beiden Tiere aus Königsbrunn im Landkreis Augsburg sind von klein auf miteinander vertraut und mögen sich deshalb auch.
    Kater Hannibal und Hund Piero sind die besten Freunde und kuscheln auch gerne. Die beiden Tiere aus Königsbrunn im Landkreis Augsburg sind von klein auf miteinander vertraut und mögen sich deshalb auch. Foto: Barbara Hofmann

    Lebende Beweise dafür sind Pointer Piero und Kater Hannibal. Die beiden Tiere leben in Königsbrunn im Kreis Augsburg und machen laut Besitzerin Barbara Hofmann alles zusammen. Beste Freunde also, von Feindschaft keine Spur. Die Geschichte dahinter erzählt das Frauchen so: „Der Kater wurde als Junges von einer Hündin adoptiert, nachdem er seine Mutter verloren hatte. Und Piero war als Straßenhund in einem Auffanglager in Griechenland mit Katzen zusammen. Daher mochten sie sich von Anfang an.“

    Ziegenbock wurde in Moskau operiert

    Solch eine anhaltende Zuneigung war Ziegenbock Timur nicht vergönnt. Nach einiger Zeit hatte Tiger Amur offenbar keine Lust mehr auf seinen Mitbewohner und fuhr die Krallen aus. Die Pranken des Raubtiers verletzten Timur schwer. Der war aber in Russland mittlerweile ein Medienstar und brachte dem Zoo im östlichen Winkel des Landes viel Geld ein. Deshalb versuchten die Verantwortlichen alles, um ihn zu retten.

    Im 10.000 Kilometer entfernten Moskau operierten Spezialisten Knochensplitter aus Timurs Wunden. Der Bock überlebte. Zurück zu seinem alten Freund Amur muss er jetzt aber nicht mehr. Solche Freunde gibt es eben doch nicht.

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