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Saudi-Arabien: Wer war eigentlich Dschamal Kaschoggi?

Saudi-Arabien

Wer war eigentlich Dschamal Kaschoggi?

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    Der saudische Journalist Dschamal Kaschoggi (1958–2018). 
    Der saudische Journalist Dschamal Kaschoggi (1958–2018).  Foto: Uncredited/Metafora Production/AP/dpa (Archiv)

     In seiner letzten Kolumne für die Washington Post beschrieb Dschamal Kaschoggi die Unterdrückung der Meinungsfreiheit durch arabische Regime und beschwor die Notwendigkeit, die Menschen in Saudi-Arabien, Ägypten und anderswo ohne jede Repression durch die Obrigkeit zu informieren. Es war sein letzter Ruf nach freier Rede, mit dem er die Machthaber in Riad ärgerte. Die Appelle hatten besonderes Gewicht, weil er nicht irgendein Kritiker war – er gehörte früher selbst zur saudischen Elite.

    Kaschoggis Familie stammte ursprünglich aus dem türkischen Kayseri, weshalb die türkische Presse seinen arabischen Namen stets auf Türkisch wiedergibt: Kasikci – Löffelmacher. Allerdings sind die Kaschoggis schon seit Jahrhunderten in Arabien zu Hause, wo sie zu einer wichtigen Sippe am saudischen Hof wurden. Dschamal Kaschoggis Großvater war der Leibarzt von König Abdulaziz al-Saud, dem ersten Herrscher Saudi-Arabiens. Ein Onkel des Journalisten war der märchenhaft reiche Waffenhändler Adnan Kaschoggi.

    Enges Verhältnis zum saudischen Geheimdienstchef

    In Riad wurde Dschamal Kaschoggi – er wäre vergangene Woche 60 geworden – zu einem angesehenen Journalisten und als Chef der Zeitung Al Watan ein wichtiger Ratgeber für die Regierung. Ein besonders enges Verhältnis baute er zum langjährigen Geheimdienstchef Turki al-Faisal auf, dem er als Berater auf Botschafterposten nach London und Washington folgte.

    Doch beim neuen Kronprinzen Mohammed bin Salman fiel er im vergangenen Jahr in Ungnade. Der Prinz duldet keinen Widerspruch, auch nicht in der milden Form einer Kritik, die den Führungsanspruch der Königsfamilie ansonsten nicht in Frage stellt. 2017 floh Kaschoggi deshalb in die USA und begann mit seiner Arbeit für die Washington Post, die seine Kolumnen über das Internet auch auf Arabisch verbreitete. Damit erreichte Kaschoggi in seiner saudischen Heimat mehr Leser – zum Ärger der Königsfamilie.

    Selbst Kaschoggis Tod hat den Streit über seine Ansichten nicht beendet. So haben ihm Kritiker unterstellt, er habe der Muslim-Bruderschaft gedient, die von Saudi-Arabien als Terrororganisation verfolgt wird. Tatsächlich forderte Kaschoggi einen Dialog mit der Bruderschaft, der ältesten Organisation des politischen Islam.

    Parteien mit Verbindungen zu den Muslim-Brüdern gibt es in der ganzen Region – die türkische Regierungspartei AKP ist eine der mächtigsten von ihnen. Kaschoggi hatte viele Kontakte in der Bewegung und auch in der Türkei. Der hochrangige AKP-Funktionär Yasin Aktay war ein enger persönlicher Freund. Zudem war Kaschoggi mit der Türkin Hatice Cengiz verlobt; der Grund für seinen verhängnisvollen Besuch im saudischen Konsulat am 2. Oktober war, dass er sich die nötigen Papiere für die Hochzeit mit Cengiz besorgen wollte.

    Sympathien für Osama bin Laden? Nicht unbedingt

    All das macht aus Kaschoggi keinen islamistischen Extremisten. Dasselbe gilt für seine Arbeit in Afghanistan, die im Internet ebenfalls als Hinweis auf angebliche Sympathien des Journalisten für radikale Kräfte genannt wird. Zwar schrieb Kaschoggi in den 1980er Jahren über Osama bin Laden und die Taliban – allerdings war das zu einer Zeit, in der die afghanischen Gotteskrieger selbst im Westen als Kämpfer gegen die Sowjetunion teilweise verherrlicht wurden.

    Fachleute wie Tamara Cofman Wittes von der Brookings Institution in Washington sprechen deshalb von böswilligen Gerüchten, die Kaschoggis Ruf schädigen oder im schlimmsten Fall den Mord an ihm rechtfertigen sollen.

    Kaschoggi selbst hätte sich über solche Versuche wohl nicht gewundert. In vielen arabischen Ländern werde der öffentliche Diskurs von der Regierung beherrscht, schrieb er in seiner letzten Kolumne, die jetzt von der Post veröffentlicht wurde. Viele Menschen seien schlecht oder überhaupt nicht informiert. Eine Besserung sei nicht zu erwarten. 

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