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Leitartikel: Zur Wahl in Frankreich ist der Terror zurückgekehrt

Leitartikel

Zur Wahl in Frankreich ist der Terror zurückgekehrt

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    Der Verkehr fließt wieder vor dem Arc de Triomphe. Am Freitag, drei Tage vor der Wahl, ist hier ein Polizist ermordet worden.
    Der Verkehr fließt wieder vor dem Arc de Triomphe. Am Freitag, drei Tage vor der Wahl, ist hier ein Polizist ermordet worden. Foto: Michel Euler, dpa

    Ist es ein Polizistenmörder, der den Endspurt im französischen Präsidentschaftswahlkampf bestimmt? Nach dem Attentat auf den Pariser Champs-Élysées am Donnerstagabend, bei dem ein Beamter starb und zwei verletzt wurden, dreht sich die politische Debatte. Die Kandidaten plädieren für einen starken Staat und versprechen einen entschlossenen Kampf gegen den Terrorismus.

    In einer Atmosphäre der Panik versucht jeder, mit Blick auf die Wahl am Sonntag ein Gefühl von Sicherheit zu verbreiten. Besonders leicht macht es sich die Rechtspopulistin Marine Le Pen, die behauptet, mit ihr als Präsidentin würde es solche Anschläge schlichtweg nicht mehr geben. Doch fallen die Wähler auf die Instrumentalisierung der Bluttat, Le Pens unhaltbare Versprechen und die demagogischen Schuldzuweisungen gegen ihre politischen Gegner herein?

    Es wäre das bittere Ende eines schon lange verkorksten Wahlkampfes. Wochenlang dominierten die Vorwürfe gegen den Republikaner François Fillon die Debatte. Es ging um Betrug und Selbstbereicherung. Doch anstatt sein Versprechen zu halten, im Falle eines Ermittlungsverfahrens gegen ihn zurückzutreten, klammerte er sich an seine Kandidatur. Er hätte einem Parteifreund die Chance auf den Sieg und dem Wahlkampf wieder Luft und Raum für andere Themen geben können – doch die Gelegenheit dazu ließ er verstreichen.

    Frankreich: Le Pen und Mélenchon könnten in die Stichwahl einziehen

    Der Konservative Fillon steht für unsaubere Praktiken, die lange gang und gäbe waren, aber heute nicht mehr akzeptiert werden. So erklärt sich der große Vertrauensverlust der Politiker bei den Franzosen. Fillon trägt eine Mitverantwortung für den tristen Verlauf dieses Wahlkampfes, in dem man sich vor allem über die Vermögensverhältnisse der Bewerber oder etwaige Skandale stritt und kaum sachliche Argumente austauschte.

    Dabei sind die programmatischen Aussagen wichtig. Sie sollten auch die europäischen Partner aufhorchen lassen. Neben Wirtschaftsreformen, Bildungspolitik und dem Umgang mit der Einwanderung ging es immer wieder um die Rolle Frankreichs in Europa – oder außerhalb der EU. Die meisten der elf Kandidaten sind scharfe EU-Kritiker. Neben dem Frexit-Befürworter François Asselineau und dem strammen Vorkämpfer nationaler Souveränität, Nicolas Dupont-Aignan, erschien Le Pen mit ihrer Forderung nach einem Referendum über den EU-Austritt fast schon als gemäßigt.

    Es ist nicht ausgeschlossen, dass sie zusammen mit dem Linksradikalen Jean-Luc Mélenchon in die Stichwahl einzieht – es wäre eine Katastrophe und das Ende der EU, so wie sie heute existiert. Der Linkspolitiker stimmte zwar zuletzt versöhnlichere Töne an, hatte aber zuvor lautstark für einen Ausstieg aus den europäischen Verträgen geworben und vor dem „deutschen Gift“ gewarnt.

    Das kommt bei vielen Franzosen an, die sich von Brüssel und Berlin ferngesteuert fühlen und vor allem die Nachteile der EU sehen. Wenn Le Pen erklärt, Präsident François Hollande sei nur „der Vizekanzler Merkels“, dann ist das nicht als Witz gemeint. Geschickt bedient sie damit eine tief sitzende Angst. Die Frage nach der eigenen Identität beschäftigt viele Franzosen in einer Zeit, in der sie den Abstieg ihres Landes in die Bedeutungslosigkeit fürchten, bedingt durch die wirtschaftliche Schwäche.

    Wahl in Frankreich: Emmanuel Macron ist ein Freund der EU

    Dem versucht der Pro-Europäer Emmanuel Macron eine positive Sicht der EU als „Union der geteilten Werte“ entgegenzusetzen. Doch selbst wenn er sich durchsetzen sollte, bleiben viele Skeptiker. Sie von den Vorteilen einer solidarischen Partnerschaft zu überzeugen, wird eine Herausforderung für Frankreichs Politiker sein, die demnächst das Ruder übernehmen.

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