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Prozess: Georg Funke erhebt Vorwürfe gegen anderen Banker

Prozess

Georg Funke erhebt Vorwürfe gegen anderen Banker

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    Georg Funke hält am zweiten Tag des Hypo-Real-Estate-Prozesses in München leidenschaftlich eine lange Verteidigungsrede.
    Georg Funke hält am zweiten Tag des Hypo-Real-Estate-Prozesses in München leidenschaftlich eine lange Verteidigungsrede. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Auf dem Richtertisch steht ein Projektor. Das Gerät ist angeschaltet. Der Angeklagte verzichtet dann aber doch auf seinen Plan, Grafiken über seine frühere Firma Hypo Real Estate (HRE) seitlich an eine Wand des Saals in München zu projizieren. Zu sehr hätten Zuschauer auf den hinteren Plätzen Verrenkungen machen müssen.

    Ansonsten lässt der gescheiterte einstige HRE-Chef Georg Funke wenig Gnade mit Gericht und Publikum walten. Der 61-Jährige trägt 210 immerhin mit großen Buchstaben bedruckte Seiten vor, um den Vorwurf zu entkräften, er habe den wahren wirtschaftlichen Zustand der Bank falsch wiedergegeben und verschleiert. Vorab gelobt der Manager, der derzeit keiner Beschäftigung nachgeht: „Ich bemühe mich, dass es nicht langweilig wird.“ Seine Stimme schwillt immer mehr an. Endlich kann er reden. Endlich den großen Gegenvortrag halten. Die Jahre des Wartens müssen quälend für ihn gewesen sein.

    Funke hält Vortrag im Gerichtssaal

    Der Zusammenbruch und die Verstaatlichung der Bank liegen lange zurück. Es geht um die Finanzmarktkrise der Jahre 2007 bis 2009. Auf dem Tisch, an dem Funke sitzt, steht ein in etwa zur Hälfte gefülltes Glas Wasser. Ist es halb voll oder halb leer? Das wird sich erst in vielen Monaten zeigen, wenn das Urteil fällt. Funke droht eine mehrjährige Haftstrafe. Er liest den Text mit Schmackes ab, würde man in seiner Geburtsstadt Gelsenkirchen sagen.

    Zwischendrin ruft Funke wie in früheren Vorstandssitzungen: „Folie A!“, „Folie B!“ aus. Er hat Charts verteilen lassen. Der Manager redet sich immer mehr in Rage: „Man muss erst die Radarmessung anschauen und dann entscheiden, ob ein Vergehen vorliegt.“ Das sei von den Ermittlern in seinem Fall aber nicht gemacht worden. Sonst hätten sie gemerkt, dass die Bank auch in Krisenzeiten ausreichend flüssige Mittel gehabt habe.

    Funke gegenüber sitzt Oberstaatsanwältin Hildegard Bäumler-Hösl. Sie stützt ihr Gesicht mit einer Hand ab und blickt den leidenschaftlich seine Unschuld beteuernden Wirtschaftsmann fragend an. Die Juristin ist eine der erfolgreichsten deutschen Staatsanwältinnen. Sie hat es während des Korruptionsskandals schon mit Siemens-Managern aufgenommen. Doch Funke scheint keine Angst vor Bäumler-Hösl zu haben. Er zerpflückt die Anklage regelrecht. Phasenweise wirkt es, als würde der Skandal-Banker die Staatsanwältin anklagen und mit deren baldiger Verurteilung rechnen. Es hagelt Kritik für Bäumler-Hösl und ihr Team. Funke provoziert die Juristin, wenn er behauptet, dass die Ermittler gegen ihn wie mit einer Schrotflinte vorgegangen seien: „In der Anklage wurden ohne Quellenangaben Unzulänglichkeiten aufgezählt.“

    Ex-Deutsche Bank-Chef Ackermann ist Ziel seiner Attacken

    Bäumler-Hösl kommt an dem Tag noch glimpflich davon. Richtig ruppig wird Funke gegenüber Männern. Einer erregt besonders seinen Zorn. Josef Ackermann wirft er vor, das Vertrauen der HRE einst massiv missbraucht zu haben und mitverantwortlich für die Abwicklung der Bank zu sein. Der frühere Chef der Deutschen Bank habe die Hypo Real Estate gegenüber dem damaligen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück „denunziert“. Was Funke ärgert und ihn die Buchstaben beim Lesen noch deutlicher betonen lässt: Er hatte sich während der Finanzkrise hilfesuchend an Ackermann gewandt und ihn gebeten, eine 15-Milliarden-Kreditlinie für sein Haus auszuloten. Die Insider-Informationen seien von dem Banker aber in Gesprächen mit Regierungsvertretern zum Schaden der HRE ausgenutzt worden. Dann habe Ackermann ohne Abstimmung mit ihm plötzlich von einem viel höheren Finanzbedarf gesprochen, obwohl die Bank bis zuletzt liquide gewesen sei. Ist Ackermann und nicht Funke der eigentliche Bankster, also ein Banker-Gangster-Zwitter? Der Ex-HRE-Chef vergleicht sich mit einem anderen Deutsche-Bank-Opfer, dem Medienunternehmer Leo Kirch. Dessen Kreditwürdigkeit wurde einst von dem Frankfurter Finanzhaus angezweifelt.

    Aber weshalb sollte Ackermann interessiert gewesen sein, dass die HRE verstaatlicht wird? Funkes Anwalt Wolfgang Kreuzer versucht das zu erklären: „Es sollte exemplarisch eine Bank gerettet werden, um das Vertrauen in den Finanzplatz Deutschland zu stärken.“ Bekanntlich drohte 2008 nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman eine Kernschmelze der weltweiten Finanzwirtschaft. Kanzlerin Angela Merkel sah sich sogar gezwungen, den Sparern zu versichern, ihre Bankeinlagen seien sicher.

    Funke ist mit seiner Anklagerede sehr zufrieden. Im Überschwang gibt er sogar ein Fernsehinterview. Dabei wirkt der Banker kein wenig heiser, obwohl er sich während des dreieinviertelstündigen Lese-Marathons keinen Schluck Wasser gegönnt hat. Das Glas steht noch halb voll auf dem Tisch. Oder halb leer?

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