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Stellenabbau: Siemens-Mitarbeiter sind von Joe Kaeser enttäuscht

Stellenabbau

Siemens-Mitarbeiter sind von Joe Kaeser enttäuscht

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    Siemens-Beschäftigte halten vor der Konzernzentrale in München ein Plakat mit vielen Bildern von Mitarbeitern hoch. Sie protestieren damit gegen den drohenden Stellenabbau.
    Siemens-Beschäftigte halten vor der Konzernzentrale in München ein Plakat mit vielen Bildern von Mitarbeitern hoch. Sie protestieren damit gegen den drohenden Stellenabbau. Foto: Tobias Hase, dpa

    Vor der Siemens-Konzernzentrale in München steht ein Niederbayer und klagt einen anderen Niederbayern an. Der eine ist Betriebsrat Felix Schmidt aus Ruhstorf an der Rott im Landkreis Passau. Er vertritt den dortigen Siemens-Standort. Der andere ist Konzernchef Joe Kaeser, der aus Arnbruck, einem staatlich anerkannten Erholungsort im Landkreis Regen, kommt.

    Schmidt ist nicht gut auf seinen Landsmann zu sprechen: "In unserem Werk müssen wir rund 600 Leute abbauen, also etwa jede zweite Stelle." Der große Mann demonstriert mit anderen Siemensianern am Wittelsbacherplatz, unweit des Odeonsplatzes. Dort, im Siemens-Hauptquartier präsentiert Kaeser gleich die Bilanz des Elektrokonzerns für das Geschäftsjahr 2017.

    Betriebsrat Schmidt ist traurig und wütend zugleich: "Die letzte Zeit war für mich die schlimmste in meinem Leben. Denn wir mussten die Freistellung von 335 Beschäftigten organisieren." Die Stimmung des Arbeitnehmervertreters wird so schnell nicht besser. Denn weitere Mitarbeiter müssen gehen. Ihnen wird zwar nicht betriebsbedingt gekündigt, das bleibt Siemens weitgehend verwehrt. Denn in einem Abkommen mit der Gewerkschaft IG Metall wurde festgelegt, dass solche harten Schnitte nur möglich sind, wenn die Arbeitnehmervertreter zustimmen.

    Schmidt wollte Kaeser bei der niederbayerischen Ehre packen

    An dem niederbayerischen Standort müssen also einvernehmliche Lösungen mit betroffenen Frauen und Männern gefunden werden. Deren Vertrauter Schmidt wollte das alles verhindern: "Ich habe versucht, Kaeser bei seiner niederbayerischen Ehre zu packen, aber der Manager ist amerikanisiert." Der Siemens-Chef hat für den Konzern früher in den USA gearbeitet. Vor seinen amerikanischen Jahren hieß Joe Kaeser noch Josef Käser. Als solcher reagiert er in seiner deutschen Heimat schon mal hart, wenn in Geschäftsfeldern der Umsatz deutlich zurückgeht.

    In Ruhstorf war das der Fall. Dort werden explosionsgeschützte Elektromotoren hergestellt, die im Bergbau, aber auch in der Öl- und Gasindustrie zum Einsatz kommen. High-Tech also, aber das hat Schmidt und seinen Kollegen nicht geholfen. Dabei hat der Fall "Ruhstorf" keine bundesweiten Schlagzeilen gemacht. Dass Schmidt und andere Gewerkschafter nach München zum Demonstrieren gekommen sind, geht auf den nun befürchteten massenhaften Arbeitsplatzabbau bei Siemens zurück. Allein in der Kraftwerkssparte sollen 3000 bis 4000 Stellen bedroht sein. Im Windenergiebereich sind es 5250. In der Antriebssparte könnten weitere hunderte Jobs hinzukommen. Das alles addiert sich auf die Horrorzahl von maximal 10.000 Arbeitsplätzen, die auf der Kippe stehen.

    Bayerns IG-Metall-Chef versteht den Stellenabbau nicht

    Bayerns IG-Metall-Chef Jürgen Wechsler ist entsetzt. Unserer Redaktion sagt er: "Es besteht keinerlei Grund, mit drastischen Maßnahmen tausende Jobs infrage zu stellen und das dann auch noch als unumgänglich darzustellen." Denn Siemens weise einen Nettogewinn von rund 6,2 Milliarden Euro und eine Gesamtrendite von über elf Prozent aus. Der Gewerkschafter versteht die Siemens-Welt nicht mehr: "Auch das Kraftwerkgeschäft schreibt nicht etwa rote Zahlen, sondern verzeichnet lediglich einen Rückgang der Profitmarge."

    Kaeser sieht das anders: "Wenn das Kraftwerkgeschäft eine Zukunft haben soll, dann müssen wir reagieren. Wir müssen die Kapazitäten anpassen, auch wenn das schmerzhafte Einschnitte bedeutet." Wie viele Mitarbeiter Schmerzen erleiden müssen, sagt er noch nicht. Es bleibt also bei Gerüchten über das Ausmaß des Stellen-Streichkonzerts. Fest steht, dass sich Siemens insgesamt in sehr guter Verfassung befindet. "Die meisten Geschäfte sind so stark wie nie", frohlockt Kaeser. Der Umsatz des Konzerns mit 372.000 Mitarbeitern stieg um vier Prozent auf 83 Milliarden Euro. Der Gewinn nach Steuern legte gar um elf Prozent auf die vom bayerischen IG-Metall-Chef genannten 6,2 Milliarden Euro zu.

    Demonstranten werfen dem Siemens-Boss maximale Marge auf Kosten von Arbeitsplätzen vor

    Stand der Aktienkurs etwa am 25. Juli 2013 noch bei 78,62 Euro, waren es zuletzt knapp 120 Euro. So sollen die Anteilseigner eine um zehn Cent auf 3,70 Euro je Wertpapier erhöhte Dividende bekommen. Dabei hat der Konzern weltweit im letzten Geschäftsjahr sogar 39.000 Menschen zusätzlich eingestellt und beschäftigt insgesamt 11.400 Auszubildende.

    All diese Zahlen sind durch die jüngsten Abbaupläne in den Hintergrund gedrängt worden. So halten die Demonstranten in München ein Plakat mit der Aufschrift hoch: "Maximale Marge auf Kosten von Arbeitsplätzen." Dort steht auch noch: "Was wird aus uns Menschen?" Wohl erst nächste Woche wird mehr Klarheit herrschen.

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