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Drogerie-Prozess: Was Anton Schlecker vor Gericht zu sagen hat

Drogerie-Prozess

Was Anton Schlecker vor Gericht zu sagen hat

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    Anton Schlecker sprach am Montag erstmals seit Jahren wieder in der Öffentlichkeit.
    Anton Schlecker sprach am Montag erstmals seit Jahren wieder in der Öffentlichkeit. Foto: Marijan Murat/dpa

    Anton Schlecker bemüht sich um eine feste Stimme. Im Stehen trägt er vor der Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts seine einstudierte Erklärung vor, in der linken Hand hält er das Papier, mit der rechten unterstreicht er seine Worte durch ausholende Gesten. Das für ihn schwierigste Kapitel stellt er an den Anfang seines einstündigen Vortrags. „Es ist schwer für mich, meine Familie hier im Saal zu sehen. Ich hätte es ihr gerne erspart, wie ich auch gerne die Insolvenz vermieden hätte“, trägt er vor. Da kämpft er einen Moment mit den Tränen. Auch den Mitarbeitern hätte er die Insolvenz gerne erspart. Dann fasst sich der 72-Jährige wieder: „Ich übernehme die Verantwortung und will mich dem Verfahren stellen.“

    Anton Schlecker beschreibt sich als fleißiger schwäbischer Unternehmer

    Am ersten Prozesstag hatte Schlecker noch geschwiegen, nur sein Anwalt Norbert Scharf wies da den von der Anklage erhobenen Vorwurf des vorsätzlichen Bankrotts zurück. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt den früheren Drogeriemarktkönig, er habe über 20 Millionen Euro beiseitegeschafft und den Gläubigern entzogen. Am Montag ergreift nun der Firmenpatriarch das Wort. Der hagere Mann im dunklen Anzug und violetten Rollkragenpulli zeichnet von sich das Bild des schwäbischen Unternehmers. „Ich war immer im Einsatz, ich war immer da“, sagt er. Deshalb habe er sich auch bewusst für die Rechtsform des „eingetragenen Kaufmanns“ entschieden, um die „persönliche Verantwortung zu zeigen“.

    Schlecker stellt sich als Mann dar, den der Erfolg geprägt hat: „Dass dieses Unternehmen wirklich kaputtgehen könnte, habe ich mir nicht vorstellen können.“ Er habe für sein „Unternehmen gelebt, gearbeitet und gekämpft“. Für ihn habe es kein unternehmerisches Scheitern gegeben. „Ich war sehr erfolgsverwöhnt.“ Schon während der Anfangsjahre in der elterlichen Metzgerei habe er gelernt, dass man „mit harter Arbeit alles schaffen kann“. Gleich nach diesem allgemeinen Einblick in seine Gedankenwelt kommt Schlecker auf den Zusammenbruch seines Unternehmens zu sprechen, der zur Entlassung von 25.000 Mitarbeitern führte.

    Aufstieg und Fall des Schlecker-Imperiums

    1975: Anton Schlecker eröffnet im schwäbischen Kirchheim/Teck seine erste Drogerie. Neun Jahre später betreibt er 1000 Märkte.

    1987: Die Drogeriekette expandiert ins Ausland.

    1998: Das Stuttgarter Landgericht verurteilt das Ehepaar Schlecker zu einer Haftstrafe von je zehn Monaten auf Bewährung. Anton und Christa Schlecker hatten vorgegaukelt, nach Tarif zu zahlen.

    2008: Das Schlecker-Imperium umfasst mehr als 14 000 Filialen.

    2010: Der Umgang mit der Belegschaft bringt Schlecker in die Kritik: Es geht um unrechtmäßig installierte Kameras.

    Januar 2011: Weil Kunden und Erträge ausbleiben, modernisiert Schlecker seine Filialen.

    Dezember 2011: Schlecker schließt 600 deutsche Läden.

    Januar 2012: Schlecker verkündet die Zahlungsunfähigkeit. Betroffen sind 25 000 Mitarbeiter. (Quelle: afp)

    Geldgeschenke: Angeblich kein Zusammenhang zu Drogeriemarkt-Insolvenz

    Bis in den Januar 2012 hinein sei er überzeugt gewesen, dass die Probleme lösbar seien. An jenem 20. Januar, als der Untergang des Unternehmens besiegelt wurde, habe er mit seiner Frau Christa Filialen inspiziert. Abends im Hotel habe er einen Anruf von seiner Tochter Meike erhalten. „Ganz fassungslos sagte sie: ,Papa, die lassen uns fallen‘“, berichtet er. Gemeint sind die Lieferanten und deren Versicherer. Ohne garantierte Bezahlung der Waren würde niemand mehr liefern. Schlecker: „Die sich drehenden Räder kamen zum Stillstand. Die Insolvenz war notwendig.“ Seiner Ansicht nach haben die Partner aber zu früh aufgegeben. Schließlich habe man doch mit der Sanierung erste Erfolge erzielt gehabt.

    Nach einer halben Stunde fragt Anwalt Scharf, ob eine Pause notwendig sei. Aber Schlecker wehrt ab: „Ich brauche keine Pause, nur einen Schluck Kaffee, dafür habe ich eine Thermoskanne dabei.“ Dann zeichnet er den Aufstieg seines Unternehmens nach, erzählt von einem mehrmonatigen Aufenthalt in den USA und der dort aufgegriffenen Idee von großen Warenhäusern. 1975 habe der erste Drogeriemarkt eröffnet, 1984 seien es bereits 1000 Filialen gewesen.

    Ausführlich beschäftigt sich Schlecker mit dem Vorwurf der Anklage, er habe im Angesicht der drohenden Pleite auf Kosten des Unternehmens Geschenke an Kinder und Enkel verteilt. Die Zuwendungen seien in keinem Zusammenhang mit der drohenden Zahlungsunfähigkeit gestanden. „Jedes Kind sollte ein Haus und ein gutes Leben haben“, benennt der Patriarch seine Leitlinie. Das sei „nach den traumatischen Erlebnissen der Entführung“ der beiden Kinder in den 80er Jahren für ihn eine Selbstverständlichkeit gewesen. So erklärt er die Finanzierung einer Alarmanlage für 267000 Euro im Haus von Tochter Meike und die Million, die er für die Sanierung der Berliner Eigentumswohnung von Sohn Lars gezahlt hat. Die von der Staatsanwaltschaft monierte Reise nach Antigua für 58.000 Euro sei als Familienurlaub geplant gewesen. Warum er und seine Frau dann doch nicht teilnahmen, wisse er nicht mehr. In seiner „Schlussbemerkung“ betont Schlecker, dass es „keine großen Gewinnentnahmen gab“. Die Familie habe keine Weingüter, keine Jachten, keine Hotels.

    Wird das Vermögen der Familie Schlecker öffentlich?

    Ein wenig bestimmen will Schlecker auch im Gerichtssaal. Fragen werde er an diesem Tag nicht beantworten. Die mitangeklagte Ehefrau und die beiden Kinder schildern nur kurz ihren persönlichen Werdegang. Als sie Angaben zu den Vermögensverhältnissen verweigern, packt der Vorsitzende Richter Roderich Martis die Folterwerkzeuge aus und erinnert an die Möglichkeit, über die Bankenaufsicht eine Kontenabfrage zu starten.

    Mit dieser Drohung vertagt Martis den Prozess bis nächsten Montag.

    Lesen Sie dazu: Was von Schlecker geblieben ist - eine Spurensuche

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