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Debatte: Was Karl Marx mit Mark Zuckerberg machen würde

Debatte

Was Karl Marx mit Mark Zuckerberg machen würde

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    Mit ziemlicher Sicherheit sähe Karl Marx die Datensammelwut von Facebook und Co. kritisch.
    Mit ziemlicher Sicherheit sähe Karl Marx die Datensammelwut von Facebook und Co. kritisch. Foto: Harald Tittel, dpa (Symbolbild)

    Die Welt braucht einen neuen Karl Marx, einen scharfsinnigen Analytiker und Anprangerer gesellschaftlicher Missstände. Heute würde der vor 200 Jahren geborene Philosoph und Ökonom, aus dessen Thesen so viele falsche Schlüsse gezogen haben, in Abwandlung seiner Worte „Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus“ wohl texten: „Ein Gespenst geht um in der Welt – das Gespenst des Daten-Imperialismus.“ Das wäre ein perfekter Einstiegssatz für ein Manifest der digitalen Welt.

    Marx würde die düsteren Seiten des "Monopol-Kapitalismus" beschreiben

    Daraus könnte ein neuer Marx, wie es der berühmte Ahnherr in seinem Werk „Das Kapital“ getan hat, die düsteren Seiten des „Monopol-Kapitalismus“ beschreiben. Denn heute haben sich einige wenige digitale US-Riesen Fast-Monopole erstritten. Die Macht der wie Heilsbringer auftretenden Vertreter der Digital-Bourgeoisie, die wie Facebook-Chef Mark Zuckerberg eine T-Shirt-Jeans-Uniform tragen, geht nicht auf riesige Maschinenparks zurück. Ihr Aufstieg gründet auch nicht auf Heerscharen entfremdete Arbeit leistender Lohn-Sklaven wie zu Anfangszeiten der Industrialisierung.

    Die Zuckerbergs unserer Tage verdanken ihren Weg an die wirtschaftliche Weltspitze vielmehr Computern mit immer höheren Rechenleistungen, vor allem aber Software- und Mathematik-Proletariern, die Daten mit Algorithmen und künstlicher Intelligenz für ihre Lohnherren gewinnbringend auspressen. Nutznießer sind die Werbebranche und eben auch – wie der US-Wahlkampf auf erschreckende Weise gezeigt hat – Parteien und Politiker.

    Das Menschen ihre Daten freiwillig preisgeben, würde Marx verstören

    Was Marx heute den Kopf schütteln ließe, ist aber die Tatsache, dass Menschen den US-Datenstaubsaugern freiwillig ohne Unterlass Einblicke in ihre privaten Vorlieben gewähren. Wie Kraken greifen die Monopolkapitalisten von Apple, Google, Amazon und Facebook nimmersatt auf kommerziell ausschlachtbare Informationen zu.

    Facebook-Chef Mark Zuckerberg geht in die Offensive.
    Facebook-Chef Mark Zuckerberg geht in die Offensive. Foto: Marcio Jose Sanchez/AP, dpa

    Marx hätte mit dem intellektuellen Leichtgewicht Zuckerberg kein schweres Spiel. Schnell wären die dünnen Argumente des Amerikaners zerpflückt, etwa, Facebook passe sich nur der gesellschaftlichen Realität an. Die bestünde nun mal darin, dass Menschen sich wohlfühlten, ihre persönlichen Daten miteinander zu teilen. Facebook würde demnach nur eine symbiotische Beziehung mit dem allgemeinen Exhibitionismus führen.

    Marx könnte an der Stelle den bedeutendsten deutschen Philosophen Immanuel Kant anführen und mit ihm ausrufen: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit.“ Oder Marx nimmt bei sich Anleihen und appelliert an die Daten-Abzockern verfallenen Bürger: „Man muss das Volk vor sich selbst erschrecken lehren, um ihm Courage zu machen.“

    Dann müsste ein optimistischer Philosoph wie der Deutsche proklamieren, Datenbesitzer hätten nichts als ihre Ketten zu verlieren. Im Gegenzug könnten sie wieder die Souveränität über ihr Eigentum erhalten, etwa indem Facebook und Konsorten Geld für die Plünderung ihrer Intimsphäre zahlen. Das digital-marxistische Motto hieße also: „Daten-Besitzer aller Länder, vereinigt euch!“ Das allein wird die inakzeptable Macht der Internet-Bourgeoisie allerdings nicht brechen.

    Demokratien müssen die Macht der Internet-Monopolisten brechen

    Hier sind Regierungen gefragt. Marx müsste sich zwischen zwei Denkschulen entscheiden: In der amerikanischen Geschichte wurden Monopole – sei es das der Standard Oil Company oder des Telefon-Giganten AT&T – im Sinne der Verbraucher zerschlagen. Europa probiert es eher mit der sanfteren Methode der Regulierung, also der Einschränkung der Macht durch Gesetze.

    Wie auch immer – mit oder ohne Marx: Die Demokratien müssen die Macht der Internet-Monopolisten brechen, sonst ist irgendwann das Fundament freiheitlicher Gesellschaften gefährdet.

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