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Verkehr: Wie verschiedene Städte mit Diesel-Fahrverboten umgehen

Verkehr

Wie verschiedene Städte mit Diesel-Fahrverboten umgehen

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    Geht es nach der Umwelthilfe, sollen auch in Darmstadt bald keine alten Diesel-Autos mehr fahren.
    Geht es nach der Umwelthilfe, sollen auch in Darmstadt bald keine alten Diesel-Autos mehr fahren. Foto: Silas Stein, dpa (Symbolbild)

    Langsam wird es unübersichtlich für Dieselfahrer. Fast wöchentlich verhängen Gerichte in Deutschland neue Fahrverbote. Der Grund: In etlichen Städten werden die zulässigen Grenzwerte für Stickoxide immer noch überschritten. Deshalb klagt die Deutsche Umwelthilfe vermehrt darauf, alte Dieselfahrzeuge auszusperren, und bekommt Recht. Zuletzt verhandelte das Verwaltungsgericht in Wiesbaden über Fahrverbote in Darmstadt. Ein Urteil wird für den 19. Dezember erwartet.

    Manche Städte greifen den Urteilen schon vor – etwa Hamburg. Dort gilt schon in einigen Straßen ein Dieselfahrverbot, obwohl es keine Gerichtsentscheidung gab. Andere Städte ignorieren die Urteile der Gerichte auch einfach – München zum Beispiel.

    München führt einfach kein Diesel-Fahrverbot ein

    Die bayerische Hauptstadt überschreitet die zulässigen Grenzwerte von 40 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter Luft bei weitem. Die Belastung liegt dort stellenweise bei 78 Mikrogramm pro Kubikmeter. Doch statt über Dieselfahrverbote zu sprechen, tut die Stadt nichts. Deshalb will die Deutsche Umwelthilfe nun Ministerpräsidenten Markus Söder in Zwangshaft nehmen lassen. Schon im Januar hat sie darauf einen Antrag beim Bayerischen Verwaltungsgerichthof in München gestellt. Weil die bayerischen Richter aber nicht wissen, ob sie gegen bayerische Amtsträger Zwangshaft anordnen können, um Fahrverbote zu ermöglichen, haben sie sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewandt.

    Nach deutschem Recht sei das nicht möglich, das habe das Bundesverfassungsgericht klargestellt. Aber die Frage sei, ob es europarechtlich möglich oder sogar geboten sei, heißt es in dem Beschluss. Denn unter „Missachtung rechtskräftiger Urteile“ blockiere der Freistaat mögliche Fahrverbote zur Luftreinhaltung. In Betracht kommen könnte Zwangshaft für den Ministerpräsidenten, den Umweltminister oder auch für Beamte.

    Streitthema: Wie sollen Fahrverbote überwacht werden?

    Ein Streitpunkt beim Thema Fahrverbote ist die Frage, wie ein Verbot überwacht werden soll. Nun hat das Bundeskabinett einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der vorschlägt, per Video die Nummernschilder von allen Autos zu kontrollieren. Doch die Idee hat heftige Kritik ausgelöst – unter anderem von Datenschützern. Das Verkehrsministerium wiederum weist diese Vorwürfe zurück und sagt, es komme mit dem Gesetzesentwurf nur dem „Wunsch der Kommunen entgegen, eine bundeseinheitliche Regelung zu schaffen“.

    Wie ist das in anderen Ländern in Europa? Wie wird dort kontrolliert, wer in Städte fährt? Umweltzonen gehören in den meisten europäischen Ballungszentren zur Realität. Paris, London und Madrid oder Athen haben solche Sperrbereiche eingeführt. Wer ins Zentrum fahren will, braucht eine Vignette. Aber: Die Vergabe solcher Umweltplaketten ist aufwendig. In Paris etwa benötigen derzeit Autos, die vor 1997 zugelassen wurden, eine Plakette. Sie dürfen am Wochenende gar nicht in die Stadt fahren.

    In Belgien werden Dieselsünder streng bestraft

    In Belgien werden alle Wagen bereits beim Grenzübertritt erfasst. Auch wer nach Brüssel oder Antwerpen fährt, wird gefilmt. Und weil die europäischen Regeln das Kraftfahrtbundesamt verpflichten Auskunft über Fahrzeug und Halter zu geben, wissen die Belgier auch, wer am Steuer sitzt. Wer mit einem alten Diesel der Schadstoffklassen 0 oder 1 (Antwerpen auch Klasse 2) daherkommt, sollte ihn gleich am Stadtrand abstellen: Die Einfahrt ist grundsätzlich verboten. In der flämischen Hauptstadt betrifft dies übrigens auch Uralt-Benziner der Stufe 0. Mit jedem Jahr werden die Fahrverbote auf jüngere Gefährte ausgedehnt, bis 2025 sollen alle Dieselfahrzeuge draußen bleiben – das gilt ab 2020 auch im französischen Straßburg. Auch im niederländischen Amsterdam soll die längst installierte Kennzeichenerfassung auf den Autobahnen für die Kontrolle der Umweltzonen genutzt werden.

    Die meisten italienischen Städte wie Bologna, Bozen, Genua, Mailand, Rom, Triest, Turin oder Verona haben ebenfalls Kameras installiert, um alle Autos zu erfassen, die in eine „zona traffico limitato“ einfahren. Verstöße werden teuer. Im dänischen Kopenhagen, wo ab 2019 überhaupt keine Dieselfahrzeuge mehr zugelassen werden, geht man denselben Weg. Budapest und Lissabon haben ebenfalls automatische Überwachungssysteme installiert, um ältere Diesel-Modelle auszuschließen. Teilweise erließen die Stadtväter zusätzliche Auflagen: So müssen sich im belgischen Antwerpen auch diejenigen anmelden, deren Gefährt mit moderner Euro-6-SCR-Technik ausgerüstet ist – selbst wenn diese Genehmigung kostenfrei bleibt. Überwachen will man die einfahrenden Gäste und Einheimischen dennoch.

    Die gespeicherten Überwachungsdaten müssen zwar in den meisten Mitgliedstaaten nach einer kurzen Frist (teilweise bis zu drei Monaten) wieder gelöscht werden. Aber wirklich einheitlich gelöst ist die Frage des Datenschutzes bisher nicht. In Belgien und den Niederlanden beispielsweise setzt man sich über alle Datenschutz-Bedenken hinweg. Die Kennzeichen-Erfassung hat dort keineswegs nur ökologische Gründe, die Behörden vergleichen die Daten auch mit Informationen über bereits begangene Verkehrsverstöße und den Angaben über Straftäter, die im Zusammenhang mit terroristischen oder anderen Gewalttaten ins Visier der Polizei gerieten. (mit dpa)

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