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Kommentar: Deutschland leidet unter dem Aufschwung der US-Techkonzerne

Kommentar

Deutschland leidet unter dem Aufschwung der US-Techkonzerne

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    Der Facebook-Konzern profitiert von der Corona-Krise.
    Der Facebook-Konzern profitiert von der Corona-Krise. Foto: Dominic Lipinski, dpa

    Das Rezept der Stunde heißt Digitalisierung. Um das Coronavirus einzudämmen, sollen die Menschen Dinge aus der Ferne tun und nicht mehr persönlich hingehen. Zum Beispiel in das Büro, wenn sie mit Computer und Internetverbindung von zu Hause arbeiten können. Oder in eine Universität, wenn sie die Vorlesung aus ihrem WG-Zimmer hören können. Oder in ein Geschäft, wenn sie vom Sofa aus einkaufen können.

    Was aus Sicht der Pandemiebekämpfung sinnvoll ist, ist für die deutsche Wirtschaft ein schweres Problem. Denn die Unternehmen hierzulande sind – bis auf wenige Ausnahmen – keine Meister der Digitalisierung. Weder geben sie den Ton an bei der dafür nötigen Technik, noch bei den dafür nötigen elektronischen Marktplätzen oder sozialen Netzwerken. Tonangebend sind die Amerikaner. Vier Beispiele: Der Trend zum Einkauf im Internet sorgte beim Online-Händler Amazon für einen Rekordgewinn im dritten Quartal dieses Jahres. Google profitiert davon, dass mehr Menschen zu Hause sind auf der zum Unternehmen gehörenden Videoplattform Youtube Videos schauen. Facebook scheffelt Geld, weil mehr kleine Firmen im Netz Werbung schalten, um die Verluste im angestammten Geschäft abzufangen. Und Apple verkauft in Zeiten von Homeoffice schlicht mehr Computer.

    Es gibt kein deutsches Facebook

    In Deutschland gibt es keine Hersteller von Computern mehr. Es gibt kein deutsches Facebook mit zehntausenden Mitarbeitern. Die dominierenden Video- und Filmplattformen kommen aus Amerika, genau wie die Online-Händler.

    In Deutschland gibt es hingegen die schwer angeschlagenen Kaufhäuser von Kaufhof und Karstadt und kleine Fachhändler, die die nächsten Monate vielleicht nicht überstehen werden. Ihr Überleben war schon vor Corona gefährdet, jetzt droht ihnen der Todesstoß und den Beschäftigten die Arbeitslosigkeit. Die Wertschöpfungskette hierzulande wird kürzer, die Einnahmen des Staates geringer, die Innenstädte öde. Die großen Vier sind Profis im Vermeiden von Steuern. Jeder Bäckermeister in Deutschland zahlt in Relation mehr auf seinen Gewinn als die US-Giganten. Wegfallende Jobs im Einzelhandel werden zwar teilweise ersetzt in der Logistik, aber zu schlechten Bedingungen. Ausgebeutete und gehetzte Paketboten, schlecht bezahlte Mannschaften in den Verteilzentren von Amazon, wo Mitbestimmung über Betriebsräte nicht erwünscht ist.

    Dieses neue Prekariat ist eine weitere Schattenseite der Digitalisierung. Während die Kunden durch die Bestellung im Internet Kontakt zu anderen vermeiden, müssen die Ausfahrer die Pakete ganz leibhaftig an die Wohnungstür bringen. Die schlechte Nachricht für die deutsche Wirtschaft ist, dass ein deutscher oder europäischer Konkurrent zu den amerikanischen Riesen wohl nicht herangezüchtet werden kann. Zu groß ist die Marktmacht der Amerikaner, zu gut ihre Produkte.

    Deutschland und die EU können US-Konzerne einhegen

    Denn die Internetwirtschaft neigt zum Monopol, nur eine Handvoll Konkurrenten macht weite Teile des Weltmarktes unter sich aus. Das größte Netzwerk gewinnt. Es wäre dennoch falsch, wie das Kaninchen vor der Schlange zu verharren. Deutschland und die Europäische Union können die US-Konzerne zumindest einhegen. Es muss darum gehen, die Marktmacht zu brechen.

    Zum Beispiel dadurch, dass die enormen Provisionen von Apple begrenzt werden, auf Amazon auch Konkurrenten zu gleichen Bedingungen Handel treiben können und das Kartellamt gestärkt wird. Vergangene Woche hat der Bundestag ein Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung erstmals beraten. Es weist in die richtige Richtung.

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