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Kommentar: Corona-Streit sollte im Wahlkampf besser außen vor bleiben

Kommentar

Corona-Streit sollte im Wahlkampf besser außen vor bleiben

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    Seit Beginn der Pandemie sind weltweit mehr als vier Millionen Menschen nach einer Infektion mit dem Coronavirus gestorben.
    Seit Beginn der Pandemie sind weltweit mehr als vier Millionen Menschen nach einer Infektion mit dem Coronavirus gestorben. Foto: Daniel Karmann/dpa

    Wahlen, die auf große Krisen oder Umwälzungen folgen, bringen mitunter überraschende Ergebnisse. Winston Churchill etwa wurde nach dem Sieg der Alliierten über Nazi-Deutschland frenetisch von den Briten gefeiert. Doch nur wenige Wochen später wählten sie ihn ab. Zu sehr verbanden die Bürger des Inselreichs den kämpferischen Premier mit den von Blut, Schweiß und Tränen geprägten Kriegsjahren. Der Blick richtete sich in eine Zukunft, die heiterer sein sollte.

    Nun ist Corona natürlich nicht der Zweite Weltkrieg. Doch für viele Bundesbürger ist die Pandemie, die ja noch längst nicht vorüber ist, die größte gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die sie je erlebt haben. Dass Corona jetzt auch den Bundestagswahlkampf dominiert, kann also nicht überraschen, ist aber trotzdem sehr bedauerlich. Denn die Lage ist noch so ernst und unübersichtlich, dass sich billige Kampagnen-Manöver verbieten. Die Große Koalition jedoch, die in der Krisenbewältigung zumindest einen Arbeitsmodus gefunden hatte, versinkt mal wieder in Streit.

    Streit um Corona-Politik innerhalb der Koalition: Team Vorsicht gegen Team Locker

    Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) etwa mahnen, dass Schutzmaßnahmen wie die Maskenpflicht wohl noch monatelang nötig sein werden und die Öffnung bestimmter Einrichtungen zu früh kommt. In der SPD mehren sich dagegen die Stimmen, die auf schnelle Lockerungen dringen, Außenminister Heiko Maas etwa will die Einschränkungen ganz beenden, sobald alle Bürger ein Impfangebot bekommen haben – was schon bald der Fall sein könnte. Dass Kindergärten, Schulen und Universitäten im Herbst nicht wieder schließen müssen, wollen praktisch alle Politiker, doch wie das gelingen kann, darüber gehen die Meinungen weit auseinander.

    Politiker wollen bei der Wahl entweder als Corona-Besieger oder Freiheitsverfechter Stimmen holen

    Was die Akteure dazu treibt, gerade jetzt auf extreme Corona-Haltungen zu setzen, ist durchsichtig. Die einen hoffen, dass sie an der Wahlurne als harte Corona-Besieger gefeiert werden. Andere glauben, die Bürger danken es ihnen, wenn sie gönnerhaft Freiheiten zurückgeben, die ohnehin von der Verfassung garantiert werden.

    Die Lager vertreten die Positionen dabei nicht unbedingt sortenrein. Im von Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) regierten Nordrhein-Westfalen wird so stark gelockert wie nirgends sonst in Deutschland. Dabei explodieren im Nachbarland Holland die Corona-Zahlen. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kämpft dagegen weiter im „Team Vorsicht“ mit Spahn und Söder. Ein Widerspruch muss das nicht sein. Bei den Parteien läuft das unter einer breiten Aufstellung. Während sich die Regierung zofft, kommen aus der Opposition Versuche der Generalabrechnung mit der Krisenbewältigung von Schwarz-Rot. Auch das ist plump, was nicht heißt, dass es keiner Aufarbeitung bedarf. Es sind Fehler passiert, etwa beim Kauf überteuerter Schutzausrüstung.

    Koalitionsstreit im Wahlkampf: Union und SPD sollten sich zusammenreißen

    Auf der Zielgeraden ihrer Zwangsehe sollten sich Union und SPD zusammenreißen, auch wenn es schwerfällt. Jetzt gilt es, die Schwelle vom Ausnahme- zum Normalzustand mit kühlem Kopf zu überschreiten. Die Leitlinien vorgeben müssen Fakten, nicht Wahlkampfgetöse. Ob Infektionsschutzmaßnahmen beendet, gelockert oder fortgesetzt werden, hat sich vor allem nach folgender Frage zu richten: Was bedeutet das, gerade mit Blick auf die Schulen, für den Herbst? Bis eine neue Regierung steht, tut die alte gut daran, ihre Aufgabe zu erledigen und weiter anständig durch diese Krise zu steuern. Das sind die Koalitionäre den Wählern schuldig. Ob diese sich am Ende dankbar zeigen, steht dabei, siehe Churchill, auf einem ganz anderen Blatt.

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