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Foto: Marcus Merk
Foto: Marcus Merk

Seit einigen Wochen treffen sich "Spaziergänger", wie hier in Schwabmünchen, auch in Fischach, um gegen die Corona-Maßnahmen zu protestieren.

Fischach
03.02.2022

Protest gegen "Corona-Spaziergang": Gemeinderäte erhalten anonyme Briefe

Von Jana Tallevi, Josefine Wunderwald

Plus Empörung in Fischach: Nach einem Protest gegen einen "Montagsspaziergang" erhalten Mitglieder des Gemeinderats und der Bürgermeister anonyme Briefe.

Für Gemeinderätin Christine Disse-Reidel (Grüne) ist die Sache klar: Wer seine Meinung lautstark auf einem sogenannten Spaziergang gegen die Corona-Regeln mit Tröte, Rassel und "Freiheit"-Rufen deutlich macht, der muss auch eine entgegengesetzte Meinung aushalten. Mindestens eine Person in Fischach kann das offensichtlich nicht: Sie hat einer Reihe von Mitgliedern des Gemeinderats anonyme Briefe geschrieben. Darin macht der Verfasser seinem „Entsetzen“ über das Verhalten einiger Marktgemeinderätinnen in mehreren Briefen Luft. In einem direkt an das Rathaus gerichteten Brief nennt sich der Fischacher einen „friedlichen Spaziergänger“, der an den sogenannten Corona-Spaziergängen im Ort teilgenommen hat. Während einer solchen Veranstaltung habe sie eine Gruppe, darunter laut dem Briefeschreiber zwei Mitglieder des Marktgemeinderates, und „die friedlichen Spaziergänger lautstark beschimpft“.

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Im Brief heißt es weiter: „Die beiden Damen sollten sich ihr Verhalten durch den Kopf gehen lassen und überlegen, ob dies als Vertreter der Bürger angemessen ist.“ Gemeint sind Fischachs Dritte Bürgermeisterin Marianne Koos (SPD) und Gemeinderätin Christine Disse-Reidel. Beide weisen den Vorwurf der lautstarken Beschimpfungen von sich. In einem weiteren Brief schildert der Spaziergänger seinen Unmut über aktuelle Corona-Regelungen und seine Gründe für die Teilnahme an den Demonstrationen. Vor allem gehe es ihm um Kinder und Jugendliche, die in der Pandemie keine Stimme hätten. "Mit welchem Recht nimmt der Briefeschreiber für sich in Anspruch, als einziger zu wissen, was Kinder jetzt brauchen", so Marianne Koos jetzt auf der Gemeinderatssitzung, bei der die Briefe zum Thema wurden.

Corona-Protest: Schon seit Wochen treffen sich "Spaziergänger" in Fischach

Als eine der ersten Kommunen im Augsburger Land wurde die Marktgemeinde Fischach bereits vor Weihnachten letzten Jahres zum Schauplatz sogenannter Spaziergänge jeweils montags durch den Ort als Form des Protests gegen Corona-Maßnahmen. Bis zu 100 Personen treffen sich seitdem dort regelmäßig. Die Spaziergänge enden jeweils am Marktplatz mit einem gemeinsamen Lied und dem Abstellen von Kerzen, auch an anderen Stellen der Gemeinde. Wie bei diesen Veranstaltungen üblich, sind sie nicht angemeldet und umgehen scheinbar das Anmeldegebot von Demonstrationen, in dem sich die Teilnehmer bei einem Spaziergang bewegen.

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Foto: Marcus Merk (Symbolbild)
Foto: Marcus Merk (Symbolbild)

In Fischach wird es nun eine angemeldete Demonstration als Gegenpart zum nächsten Spaziergang geben.

Die Aussagen dieser Form des Protests wollten eine Reihe von Gemeinderätinnen und Gemeinderäte nun nicht mehr hinnehmen. „Wer an solchen Spaziergängen teilnimmt, muss sich klarmachen, dass Gruppierungen wie Reichsbürger, Identitäre oder die AfD immer wieder zu solchen Veranstaltungen aufrufen“, sagt Gemeinderätin Disse-Reidel. Ziel ihres Auftretens am Rande der inzwischen bekannten Laufstrecke sei gewesen, den öffentlichen Raum nicht Menschen zu überlassen, die an Verschwörungstheorien glauben. Disse-Reidel: „Wer öffentlich seine Meinung kundtut, muss auch die anderer Menschen aushalten“.

Anonymer Briefeschreiber ärgert sich über den Zuruf "Lasst euch impfen!"

Bei der im Brief genannten "Beschimpfung" ging es übrigens um den Zuruf "Lasst euch impfen!", der allerdings gar nicht von den beiden Gemeinderätinnen kam, wie auf der Sitzung deutlich wurde. Dennoch ist das auch die Meinung von Gemeinderätin Ines Penzhorn (CSU): "Lassen Sie sich impfen, damit wir alle so bald wie möglich unser gewohntes, altes Leben zurückbekommen", appellierte sie auf der Gemeinderatssitzung in Richtung aller, die das noch nicht getan haben.

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Eigentlich weiß Marianne Koos genau, wo man anonyme Briefe ablege, nämlich im Papierkorb. "Aber diesen habe ich aufgehoben." Dass der Spaziergänger zwar selbst anonym bleiben will, in seinem Brief jedoch die Gemeinderäte namentlich anschwärzt, finde sie sehr schwach, sagt Koos. Auch Bürgermeister Peter Ziegelmeier hat inzwischen fünf anonyme Briefe erhalten. Er stimmte Koos zu: „Anonym geht gar nicht. Ich habe in meinen Jahren im Amt bewiesen, dass man mit mir vom Nachbarschaftsstreit bis zum Millionengeschäft über alles reden kann, aber immer von Angesicht zu Angesicht.“ Er habe jedoch auch erfreuliche Ausnahmen erlebt: Vier persönliche Gespräche mit Teilnehmern an den Spaziergängen in Fischach habe er bereits führen können. „Trotz unterschiedlicher Ansichten konnte man sich sachlich unterhalten“, so Ziegelmeier.

Nächsten Montag gibt es eine angemeldete Gegendemo in Fischach

Und es gibt auch Lösungen: Um die Situation für Schülerinnen und Schüler zu verbessern, fährt nun ein zweiter Schulbus zwischen Fischach und Dinkelscherben, damit die Kinder nicht so eng beisammen sitzen, so Ziegelmeier. Fischacherinnen und Fischacher, die nicht so denken, wie die Spaziergänger, wollen sich jetzt deutlicher zeigen. Für den kommenden Montag, 7. Februar, haben sie eine Demonstration beim Landratsamt angemeldet. Beginn ist um 17.30 Uhr auf dem Marktplatz.

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