Ein bisschen merkt man ihr die Kinderpflegerin noch an, wenn Simone Fries ins Reden kommt. Aufgeschlossen und stets fröhlich erzählt sie von ihrem Alltag, der heute ganz anders aussieht als noch vor vier Jahren. Denn inzwischen hütet Fries keine Kinder mehr, sondern hundert Schweine und einige Rinder – sie leitet mit ihrem Mann Stefan den Baurerwanger-Hof in Westendorf. Damit ist sie nicht die einzige Frau in dem Ort, die hauptberuflich Landwirtin ist. Franziska Wiedemann leitet einen Legehennenbetrieb. Die beiden erzählen, wie sie über Umwege letztlich ihren Traumberuf fanden und warum sich in der Landwirtschaft einiges verändern muss.
Die 34-jährige Simone Fries wuchs in Pfersee auf und zog der Liebe wegen nach Westendorf. Mit ihrem Mann Stefan übernahm sie vor vier Jahren die Leitung des Hofes „Baurerwanger“. Obwohl sie mit ihrem neuen Beruf eine 180-Grad-Drehung gemacht hat, will sie ihn nicht mehr missen. „Landwirtschaft ist keine leichte Sache. Am Anfang hatte ich noch eine Hemmschwelle beim Umgang mit den Schweinen“, erzählt sie. Die Rinder möge sie mehr. „Die beruhigen mich“, sagt Fries. Darüber, dass sie viel mit anpacken kann, ist die 34-Jährige froh. „Ich hasse es, bei der Arbeit nur vor dem Computer zu sitzen“, sagt Fries. Mit der Bürokratie müsse sie sich – zum Glück – nicht herumschlagen. Das übernimmt ihr Mann Stefan.
Franziska Wiedermann übernahm den Familienbetrieb in Westendorf über Umwege
Andersherum ist es beim Hof von Franziska Wiedemann aus Westendorf. Mit der 33-Jährigen ist der Hof in fünfter Generation in Familienbesitz. Lange war die Nachfolge jedoch unklar, denn ihre berufliche Karriere startete Wiedemann eigentlich als Chemielaborantin. In die Landwirtschaft wollte sie damals auf keinen Fall. Doch der Job, für den sie in die Nähe des Chiemsees zog, erfüllte sie nicht. „Und ich habe das Umfeld vermisst, in dem ich aufgewachsen bin“, sagt Wiedemann. Zur Freude ihrer Eltern, die irgendwann nicht mehr die Kraft für die Arbeit auf dem Hof hatten, übernahm sie letztlich doch gemeinsam mit ihrem Mann Alexander den Betrieb und mit ihm mehrere Tausend Hennen sowie Gänse und Enten.
Bei der Arbeitsaufteilung ist Wiedemann für die Büroarbeit und den Verkauf im Hofladen zuständig, Alexander übernimmt überwiegend den praktischen Part, inklusive der Schlachtung. Auch wenn die Bürokratie sie manchmal nerve, bezeichnet sich Franziska Wiedemann heute als „glücklich und zufrieden“. Mit Blick auf die Zukunft glaubt sie jedoch, dass es in der Landwirtschaft immer schwieriger werden wird.
Landwirte haben es mit Hofläden und Wochenmärkten immer schwerer
Vor allem kleinere Höfe hätten es schwer, da sind sich die beiden Landwirtinnen einig. „Die großen Höfe werden immer größer und drängen die kleinen Betriebe ab“, sagt etwa Fries. Und auch gesellschaftlich werde die Landwirtschaft nicht mehr mit der gleichen Selbstverständlichkeit betrachtet wie früher. „Viele kaufen nicht mehr im Hofladen ein, weil sie denken, dass es so viel teurer ist. Dabei sind die Produkte im Supermarkt nicht immer günstiger“, meint Wiedemann. Moderne Lösungen müssen Abhilfe schaffen, die Waren weiterhin zu verkaufen.
„Das junge Publikum ist immer anonymer unterwegs“, sagt sie. In ihrem Selbstbedienungshäuschen sehe sie vor allem junge Menschen. „So etwas trifft mehr den jungen Nerv als etwa Wochenmärkte. Das ist die Zukunft“, meint sie. Märkte, auf denen Landwirte ihre Waren anbieten, hält sie nicht für zukunftsträchtig. „Man muss die Menschen abholen, die jetzt 15 Jahre alt sind.“ Sie könnte sich vorstellen, dass ein Geschäftsmodell mit einer eigenständigen Abholung, wie etwa bei Packstationen, funktionieren könnte. „Wir kleineren Höfe müssen uns etwas einfallen lassen, um mitzuhalten“, ist die 33-Jährige sicher.
Das Einkaufen wird immer anonymer und digitaler
Dem stimmt ihre Kollegin Fries zu. Sie glaubt, dass der Trend im Einkauf immer mehr zur Selbstbedienung geht. „Der anonyme Einkauf ist vielen Leuten lieber“, meint die 34-Jährige. Ihr Mann und sie eröffnen deshalb voraussichtlich ab Januar einen Selbstbedienungsladen an der Hauptstraße in Westendorf. Per App kann man den Laden betreten, bezahlt wird bargeldlos. Es soll Lebensmittel und Haushaltsmittel wie Klopapier geben sowie die Fleischwaren von der eigenen Baurerwanger-Metzgerei. Einen Eröffnungstermin gibt es bisher nicht.
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