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Foto: Marcus Merk
Foto: Marcus Merk

Verkehrsaktivist Frederick Sturz kämpft in Neusäß für die Verkehrswende.

Neusäß
02.02.2023

Seit einem tödlichen Unfall kämpft Frederick Sturz für die Verkehrswende in Neusäß

Von Angela David

Plus Der junge Aktivist Frederick Sturz organisiert gemeinsam mit anderen Demos und setzt sich für Verbesserungen im ÖPNV sowie für Radfahrer und Fußgänger ein.

Herr Sturz, Sie fordern mehr Verbesserungen für Radfahrer und Fußgänger. Voriges Jahr haben Sie unter anderem die Demo am Neusäßer Schulzentrum mit organisiert, bei der eine Sperrung der Landrat-Dr.-Frey-Straße für den Autoverkehr gefordert wurde. Wie ist es dazu gekommen, dass Sie sich mit 19 Jahren so aktiv für die Verkehrswende engagieren?

Frederick Sturz: Zum einen war mein Vater schon immer politisch interessiert und dadurch konnte ich mich auch dafür begeistern. Wir sind beide beim ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad Club) mit dabei. Richtig los ging es bei mir eigentlich mit dem Unfall an der Zimmerly-Kreuzung in Neusäß, bei dem eine ältere Fußgängerin ums Leben gekommen ist. Meine Oma hat diese Stelle immer schon als sehr gefährlich empfunden und nach diesem Unfall habe ich mich dann richtig aktiv engagiert.

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Und wie sieht Ihr Engagement seitdem konkret aus?

Frederick Sturz: Ich bin vor allem aktiv beim ADFC in Sachen Verkehrsplanung in Augsburg und engagiere mich politisch. Die Demo am Schulzentrum kam durch einen Kontakt zu einer Teilnehmerin beim Augsburger Klimacamp zustande, die viel Erfahrung im Planen von öffentlichen Protestaktionen hat. So kam es dazu, dass die Straße für die Demo gesperrt wurde und wir auf die Gefährlichkeit dort für die Schüler aufmerksam machen konnten. Die zweite Aktion war dann im Herbst die Mahnwache an der Zimmerly-Kreuzung am Jahrestag des tödlichen Unfalls. Eine dritte Aktion an der Lohwaldstraße mussten wir aufgrund des Blitzeises absagen. Dort geht es uns um den Abschnitt mit Tempo 50 vom Kaufland bis zum Aldi, wo Fußgänger keine Möglichkeit haben, sicher über die Straße zu kommen. Da stehen oft ältere Leute, die am Straßenrand ewig darauf warten, die Straße zu überqueren. Wir fordern dort Tempo 30 und eine weitere Querungsmöglichkeit. Ich kritisiere, dass in Neusäß der Autoverkehr immer Vorrang hat und andere Verkehrsmittel kaum berücksichtigt werden. Deshalb fordere ich die Errichtung eines Mobilitätsbeirats, wie es ihn auch in Augsburg gibt.

Wie bringen Sie sich in die politische Debatte ein?

Frederick Sturz: Ich gehe in viele Stadtratssitzungen, wenn es um Verkehrsangelegenheiten geht, oder frage in der Verwaltung nach und gebe Anregungen und Hinweise weiter, zum Beispiel was Beschilderung angeht. Ich schreibe tatsächlich auch abends, wenn ich Zeit finde, viele Mails mit Beschwerden und Anregungen, vor allem an den AVV und die für den Verkehr zuständigen Behörden, und bin da ein steter Stachel. Passieren tut aber nicht viel, weder beim AVV noch bei den Behörden.

Gibt es Ihrer Meinung nach vergleichbare Kommunen, wo es gut läuft?

Frederick Sturz: Ja, in Stadtbergen gibt es zum Beispiel viele Verbesserungen für Radfahrer, sie haben auch einen richtigen Plan für den Radverkehr. Ich habe den Eindruck, da ist wenigstens ein Bewusstsein da, ein Interesse. Beim ÖPNV liegt da allerdings auch noch viel im Argen, denn es gibt nur die Straßenbahn und wenig Querverbindungen in die anderen umliegenden Stadtteile und Städte. Stadtbergen ist auch eine der wenigen Kommunen, die Lastenfahrräder bezuschussen. Das gibt es in unserer Region, glaube ich, sonst nur in Augsburg.

Haben Sie selbst mal erwogen, für den Stadtrat zu kandidieren?

Frederick Sturz: Ja, ich hab mal überlegt, aber mich dann dagegen entschieden. Ich will mich lieber weiter auf diesem Weg engagieren, demonstrieren und für Öffentlichkeit sorgen. Das Interesse an Verbesserung im Radverkehr ist durchaus da in der Bevölkerung, auch in Neusäß.

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Zurzeit sind ja die Klimaaktivisten stark im Fokus. Sind Sie dort auch mit dabei? Und wie ist Ihre Haltung zu den "Klima-Klebern"?

Frederick Sturz: Ich beschränke mich eher auf die Verkehrsthemen, das ist meine Sparte, die mich interessiert, weil jeder mit dem Thema was anfangen kann, jeder ist damit im Alltag konfrontiert. Bei den Klima-Klebern sehe ich es als problematisch, wenn man sich für ein wichtiges Ziel einsetzt, aber fast keine breite Akzeptanz in der Bevölkerung dafür hat. Das bringt dann nicht viel, weil nur noch darüber diskutiert wird, was das soll, sich auf die Straße zu kleben. Damit erreicht man am Ende leider das Falsche. Das Mittel halte ich zwar schon für legitim, weil ja die Folgen des Klimawandels viel schlimmer sein werden. Aber leider erreicht man damit nicht das Richtige. Ich fokussiere mich lieber auf Fragen, die viele interessieren, wo man auf Verständnis stößt und wo auch ein Dialog entstehen kann. 

Momentan häufen sich die Negativmeldungen über die Verkehrswende: Die Bahn hat massive Probleme und auch der AVV muss im Kreis Verbindungen streichen aufgrund von Personalmangel.

Frederick Sturz: Ja, das ist leider ein strukturelles Problem, dass man mit den Ausschreibungen nicht die Qualität erreichen kann, die man sich wünschen würde. ÖPNV wird aber nie wirtschaftlich sein und dann ist die Frage, wie viel man investieren will. Außerdem müssen die Berufe im ÖPNV attraktiver werden, um genügend Personal zu finden, aber das ist kein rein regionales Problem. Es ist beim Ausbau des ÖPNV Bewegung in die richtige Richtung da, aber es geht alles viel zu langsam.

Zur Person: Der Neusässer Frederick Sturz, 19, ist im dritten Lehrjahr seiner Ausbildung zum Fachinformatiker und engagiert sich für die Verkehrswende. 

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