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Foto: Peter Fastl
Foto: Peter Fastl

Boxbote ist ein lokaler Augsburger Lieferdienst - das Unternehmen hat ambitionierte Pläne.

Augsburg
07.12.2020

Boxbote-Chef: "Wir werden die regionale Alternative zu Amazon"

Von Jonas Voss

Plus Raimund Seibold ist Mitgründer von Boxbote. Bekannt geworden ist das Augsburger Unternehmen als Lieferdienst – in der Corona-Krise gehört es zu den Gewinnern und hat große Pläne.

Raimund Seibold ist im Auto unterwegs, als er sich telefonisch den Fragen stellt. Der Boxbote-Geschäftsführer ist auf dem Rückweg von einem wichtigen Termin, denn das Augsburger Unternehmen hat große Pläne. Man duzt sich, so sind die Gepflogenheiten in der Start-up-Kultur.

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Raimund, das Jahr 2020 neigt sich dem Ende zu. Wie lief das Jahr für Boxbote - seid ihr ein Krisengewinner?
Raimund Seibold: Man kann uns wohl als Corona-Gewinner bezeichnen. Wenn der Dezember so gut läuft, wie wir erwarten, knacken wir fast die Zwei-Millionen-Umsatz-Grenze. Vergangenes Jahr lag der noch bei rund einer Million Euro.

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Foto: Peter Fastl
Foto: Peter Fastl

Raimund Seibold, Geschäftsführer und Mitgründer von Boxbote, erklärt im Interview, wie die Zukunft des Unternehmens aussehen soll.

Liegt das am Boom der Essenslieferungen durch die coronabedingten Schließungen von Restaurants?
Seibold: Zu großen Teilen, ja. Wir machen noch immer rund 70 Prozent unseres Umsatzes mit dem Liefern von Speisen. Aber auch andere Dienstleistungen wie Bücher- oder Lebensmittellieferungen werden immer wichtiger. Wir sind viel mehr als ein Essenslieferant.

Damit ist Boxbote aber bekannt geworden.
Seibold: Ja - das hat anfangs geholfen, aber dieses "Food-Kleid" würden wir uns heute an weiteren Standorten nicht mehr anziehen.

Weitere Standorte? Gibt es da bereits konkrete Pläne?
Seibold: Corona hat zwar auch bei uns die strategischen Planungen für die Zukunft erschwert, aber wir rechnen damit, im ersten Quartal 2021 eine weitere Großstadt zu erschließen - wahrscheinlich Nürnberg oder Ulm. Darüber hinaus wollen wir den Wandel hin zu einem regionalen und digitalen Marktplatz mit eigener Fahrradlogistik beschleunigen.

Die Firma Boxbote setzt in Augsburg auf Fahrräder

Ihr seid ja bekannt dafür, möglichst nachhaltig zu arbeiten - so setzt ihr in Augsburg rein auf Fahrräder und E-Bikes. Wie geht das zusammen mit Plänen, ein Logistiker zu werden?
Seibold: Aktuell befinden wir uns in fortgeschrittenen Gesprächen mit einem sehr bekannten, großen Logistikkonzern. Für beide Seiten steht fest: Sollte es zur Kooperation kommen, muss das so ökologisch wie möglich geschehen. Auch in Zukunft werden wir und unsere Partner auf Elektrofahrzeuge und nachhaltige Lieferketten setzen.

Wie wird diese Kooperation aussehen?
Seibold: Über unsere Plattform können wir Logistikdienstleistungen über das Augsburger Stadtgebiet hinaus anbieten, die führt unser Partner für uns durch. Auf der letzten Meile sind wie gehabt unsere Boxboten unterwegs.

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Was macht euch für solch große Partner attraktiv?

Seibold: Zum einen unsere starke lokale Basis mit den vielen Partnern, zum anderen auch die zunehmende Reichweite unserer Plattform. Ich glaube, in Deutschland gibt es kein anderes, ähnlich erfolgreiches Start-up im Bereich lokaler, digitaler Marktplätze. Deswegen kommen auch immer mehr andere Städte auf uns zu, die unser Konzept gerne auf ihre Region anwenden würden. Deine Stadt auf einen Klick, das ist unser Ziel. Und im Gegensatz zu Amazon oder DHL können wir für unsere Partner vor Ort die Lieferung am selben Tag garantieren - ich wünschte, gerade der stationäre Einzelhandel würde noch deutlicher erkennen, welches Potenzial darin liegt.

Stichwort faire Bedingungen: Lieferunternehmen sind nicht gerade bekannt für üppige Bezahlung. Wie sieht es bei euren Kurieren aus? Die Arbeitsbelastung dürfte aktuell besonders intensiv sein.
Seibold: Wir haben einige fest angestellte Boxboten und 60 bis 70 Minijobber, die Zahlen variieren. Klar, auch bei uns verdienen die nicht großartig - wir als Unternehmen erwirtschaften bisher eine schwarze Null. Daher versuchen wir, unseren Kurieren durch Mitarbeiter-Events, mit Snacks und Getränken entgegenzukommen. Wir bieten einen Fahrradpool an, den unsere Kuriere nutzen können - allerdings haben wir nicht genug Räder für alle. Das Trinkgeld spielt natürlich auch eine Rolle. Leider geht da die Zahlungsbereitschaft zurück, seit wir coronabedingt auf bargeldloses Zahlen umgestellt haben. Generell ist es uns sehr wichtig, dass die Kuriere immer einen persönlichen Ansprechpartner haben. Das Arbeitsklima ist sehr gut.

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Foto: Bernd Hohlen (Archivfoto)
Foto: Bernd Hohlen (Archivfoto)

Essen nach Hause bestellen – das tun hungrige Augsburger in Corona-Zeiten häufiger. Das bedeutet Aufträge für den Augsburger Lieferdienst Boxbote.


Woran machst du das fest?
Seibold: Zum einen haben wir wenig Fluktuation, auch in ätzenden Monaten wie Hochsommer oder jetzt, wo es kalt und matschig ist. Zum anderen gibt es da verrückte Typen bei uns: Einer unserer Kuriere kam aus dem Urlaub zurück und hatte plötzlich unser Logo auf den Unterarm tätowiert - vielleicht war er besoffen. (lacht) So etwas macht man doch nur, wenn man sich absolut wohlfühlt beim Arbeitgeber.

Der Lieferdienst Boxbote macht bisher noch keinen Gewinn

Einen Umsatz von rund zwei Millionen und dabei kein Gewinn - wie kann so etwas langfristig funktionieren?
Seibold: Ganz klar, wenn die Expansion funktioniert, muss es schnell gehen, um uns vor Nachahmern zu schützen - und das geht nur mit externen Kapitalgebern. Die müssen dann aber auch zu unserem Unternehmen passen. Um auf unserem Markt erfolgreich zu sein, muss man wachsen und seine Position festigen. Delivery Hero, gerade in den DAX aufgestiegen, macht bis heute keinen Gewinn. Es funktioniert hier wie in vielen anderen modernen Wirtschaftsbereichen, so auch bei Uber oder Amazon. Ab einer gewissen Größe hat man solche Synergieeffekte erreicht, aus denen man die Gewinne generiert.

Geschäftsführer Seibold: Es wird Lieferungen mit Drohnen geben

Wann soll das bei Boxbote der Fall sein?
Seibold: Schwer zu sagen. Unsere Expansion wird ab 2021 aber definitiv schneller vonstatten gehen als die vergangenen fünf Jahre. Ich glaube, in zehn oder 15 Jahren wird es Lieferungen für alle Dinge des täglichen Bedarfs etwa mit Drohnen oder mit kleinen Robotern geben – dann wollen wir so stark sein, dass man nicht an uns vorbeikommt. Und wir werden als Marketingplattform unverzichtbar. Wir werden die lokale und regionale Alternative zu Amazon. Die sind heute mehr ein Tech- als ein Logistikkonzern.

Zur Person: Raimund Seibold ist einer von vier Gründern des Unternehmens "Boxbote". Die Plattform gibt es seit 2015. Außerdem hat Seibold auch die Digitalagentur "Innoit" mitgegründet. Der 34-Jährige hat eine Vertriebsausbildung in einem Augsburger Autohaus absolviert und war als Arbeitnehmer zuletzt in verantwortungsvoller Position bei der Ehrmann AG im Allgäu tätig.

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