i
Foto: K. R. Krieger (Archiv)
Foto: K. R. Krieger (Archiv)

Das Hohe Meer in der Frauentorstraße ist und bleibt unsaniert. Ein Schandfleck, finden viele Anwohner.

Augsburg
01.02.2021

Betrug in Milliardenhöhe? Wirtschaftskrimi um "Hohes Meer" weitet sich aus

Von Jan Kandzora

Die "German Property Group" wollte in Augsburg denkmalgeschützte Immobilien sanieren. Daraus wurde nie etwas. Nun deutet sich ein Immobilienskandal gigantischen Ausmaßes an.

Einmal, es ist auch schon wieder dreieinhalb Jahre her, sah man Bauarbeiter, die am Dach des „Hohen Meeres“ etwas befestigten. Im Außenbereich des Gebäudes fuhren Bagger herum und buddelten ein wenig im Boden. Tatsächliche, echte Bauarbeiten an dem Gebäude in der Frauentorstraße: Das sprach sich herum in der Nachbarschaft wie ein seltenes Naturereignis, eine Sonnenfinsternis etwa. Kurz darauf passierte an dem verfallenen, denkmalgeschützten Objekt allerdings wieder das, was dort in den vergangenen zehn Jahren meistens passiert war – nämlich nichts. Nun steht die Firma hinter der Immobilie im Zentrum eines globalen Immobilienskandals, der gigantische Dimensionen annehmen könnte.

Früher einmal hatte in dem Gebäude eine Gaststätte ihren Platz, die den markanten Namen "Hohes Meer" trug; noch heute ist die Immobilie in der Stadt darunter bekannt. Seit Jahren gehört das leer stehende Haus einer Immobilienfirma, die früher Dolphin Capital, dann Dolphin Trust hieß und sich heute German Property Group nennt.

i
Foto: Monika Skolimowska, dpa (Symbolfoto)
Foto: Monika Skolimowska, dpa (Symbolfoto)

Zahlreiche Investoren wurden mit dem Projekt am hohen Meer offenbar um ihr Geld gebracht.

Sie wollte 13 Luxuswohnungen in der denkmalgeschützten Immobilie errichten, erste Vermarktungsaktionen dafür reichen bis ins Jahr 2011 zurück. Doch aus einer Sanierung wurde nie etwas, und wer nachfragte, woran es hakte, erhielt unterschiedliche Begründungen, meist mit der frohen Botschaft, dass es bald vorangehen werde. Aber es ging nie voran, und man kann davon ausgehen, dass sich das sobald auch nicht ändern wird. Wie berichtet, ist die German Property Group nun pleite, die Hauptfirma der Gruppe hat vor Monaten Insolvenz angemeldet. Und die Hintergründe des Falles sind ein regelrechter Wirtschaftskrimi.

Im großen Stil Geld von Anlegern eingesammelt

Das Geschäftsmodell der Firmengruppe mit heutigem Sitz in Bremen beinhaltete, dass sie für die Sanierung und Vermarktung von denkmalgeschützten Immobilien in Deutschland Gelder von Anlegern einsammelte, und das tat sie offenbar im großen Stil. Ein früherer Insolvenzverwalter sprach gegenüber unserer Redaktion von etwa einer Milliarde Euro, die Anleger insgesamt investiert hätten. Geld genug eigentlich, um die ein oder andere Immobilie zu sanieren. Stattdessen geriet die Firmengruppe in die Schlagzeilen, weil ihre Immobilien einfach nicht fertig werden wollten. In Augsburg etwa, wo es es neben dem "Hohen Meer" noch eine weitere Bauruine der Firmengruppe gibt, die "Proviantbachgärten" in der Proviantbachstraße, wo in drei Altbauten 33 Wohnungen entstehen sollten. Probleme mit Immobilienprojekten der Gruppe gab es auch in Bamberg, in Hanau und in anderen Kommunen in Deutschland.

i
Foto: Silvio Wyszengrad
Foto: Silvio Wyszengrad

Das ehemalige Gasthaus „Hohes Meer“ in der Frauentorstraße Augsburg.

Wenn das eingesammelte Geld der Anleger nicht in deren Sanierung und Entwicklung floss, bleibt die Frage, wohin es dann ging. Steckt dahinter ein Betrugsmodell? Ein früherer Insolvenzverwalter vermutete jedenfalls ein Schneeballsystem, und die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt derzeit gegen drei Beschuldigte, es geht unter anderem um den Verdacht des Anlagebetruges. Hauptverdächtiger ist der Gründer der Firmengruppe, Charles S., ein 60 Jahre alter britischer Geschäftsmann, der bei Hannover lebt. Er sitzt, was einige Anleger verwundert, nicht in Untersuchungshaft, die Ermittler warten auf seine vollständige Einlassung, die er gegenüber der Staatsanwaltschaft angekündigt hat. Wie "Business Insider" zuletzt berichtete, habe der Mann im Dezember zum ersten Mal gegenüber der Staatsanwaltschaft eingeräumt, dass er die Anleger getäuscht habe. Ein Sprecher der Behörde bestätigt auf Anfrage, dass der Verdächtige einen Teil seiner Einlassung abgegeben habe. Der Hauptteil, in dem es auch um den Inhalt der Strafanzeigen gehen solle, fehle aber noch.

Viele Geschädigte kommen aus dem asiatischen Raum

Eine der Strafanzeigen stammt von einer Firma aus Singapur, die Anlegergelder für die Projekte der Gruppe einsammelte. Ohnehin stammen viele der geschädigten Investoren aus dem asiatischen Raum oder aus Großbritannien und Irland. Offenbar gibt es Tausende Anleger auf der ganzen Welt. Der Münchner Anwalt Peter Mattil, der Anleger vertritt, berichtet davon, 60 bis 700 Anfragen zu haben. Wie hoch ihre Chancen sind, ihr Geld noch einmal wieder zu sehen, ist unklar, der jetzige Insolvenzverwalter Justus von Buchwaldt dürfte viel Arbeit vor sich haben. Zur Firmengruppe gehören um die 200 Subunternehmen, die Struktur ist verschachtelt und schwer durchschaubar. Insolvenzverwalter von Buchwaldt hat für den Fall der German Property Group eine eigene Homepage ins Leben gerufen, auf der er vorsichtshalber darauf hinweist, dass "die Informationsaufbereitung" andauere, "sodass derzeit keine Telefonanrufe beantwortet werden können".

Unklar ist deshalb auch, wie es mit den Augsburger Objekten der German Property Group weitergeht. Auch die Projektgesellschaft "Dolphin Capital 32. Projekt GmbH & Co. KG", laut Grundbuch Eigentümerin der Immobilie in der Frauentorstraße, ist mittlerweile in der Insolvenz.

Auch Anleger-Anwalt Mattil vermutet, dass hinter dem Geschäftsmodell der German Property Group ein Betrugssystem stecken könnte. Die Firmengruppe, sagt er, habe seit Jahren nur noch Geld eingesammelt, und an den Immobilien so gut wie nichts mehr gemacht.

Lesen Sie dazu auch einen Kommentar zu dem Thema: Das "Hohe Meer" ist ein Schandfleck, der so schnell nicht verschwinden wird

Lesen Sie auch:

Facebook Whatsapp Twitter Mail