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Foto: Hoppe, dpa (Symbolbild)
Foto: Hoppe, dpa (Symbolbild)

Manche Kneipen in Augsburg zeigen die Fußball-WM in Katar.

Lesetipp
06.11.2022

WM-Boykott in Augsburger Bars? "Können es uns nicht leisten"

Von Fabian Kluge

Plus In zwei Wochen beginnt die Fußball-WM in Katar. Ein städtisches Public Viewing findet nicht statt. Zeigen Bars in Augsburg die WM – oder gibt es auch hier Boykott?

So richtig mag zwei Wochen vor dem Start keine WM-Stimmung aufkommen. In den Supermärkten reihen sich nur spärlich "Schland"-Artikel an Schokonikoläuse. Die Werbespots wollen einem keinen neuen Grill andrehen für die Deutschland-Spiele. Klar, ist ja auch Winter. Nie stand eine Fußball-WM heftiger in der Kritik als die in Katar. Das liegt einerseits am Gastgeberland und seinem Umgang mit Menschenrechten. Das hat aber auch mit der Jahreszeit zu tun. Viele Fans stehen vor der Frage: Was machen mit dieser WM? Trotzdem schauen? Boykottieren? Fragen, die auch Augsburger Bars und Kneipen für sich beantworten mussten. Hier erklären die Betreiber, warum sie die WM zeigen – und warum nicht.

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Eine Kneipe, deren Konzept auf Fußballübertragungen basiert, ist das 11er in der Dominikanergasse. Schon wirtschaftlich sei es deshalb schwierig, das Turnier zu boykottieren, sagt Chef und FCA-Präsident Markus Krapf: "Wir können es uns nicht leisten, auf die Großveranstaltung zu verzichten." Das sei aber auch der einzige Grund, warum das 11er die WM zeigt. Die Deutschland- und die Abendspiele werden in der Kneipe zu sehen sein. "Wir sind auch nicht begeistert. Uns wäre es lieber, wenn sie nicht in Katar stattfinden würde", sagt Krapf. Auch die Jahreszeit ärgert den Gastronomen, denn normalerweise überbrückt das 11er die Bundesligapause im Sommer mit den großen Turnieren. Trotzdem glaubt er nicht, dass viele Fans standhaft bleiben und die WM boykottieren: "Die Situation ist durch die Menschenrechte zwar eine andere, aber als im vergangenen Jahr viele die EM wegen der Pandemie nicht schauen wollten, war am Ende jeden Tag der Laden voll."

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Foto: Ulrich Wagner
Foto: Ulrich Wagner

Markus Krapf in seinem 11er. Dort werden die Deutschland- und die Abendspiele der WM in Katar zu sehen sein.

Gastronom aus Augsburg über WM in Katar: "Die WM gehört in den Sommer"

Dieser Meinung ist auch Stefan "Bob" Meitinger. Er habe vollsten Respekt vor Menschen, die das Turnier boykottieren. Man müsse jedoch konsequent sein, fordert der Gastro-König: "Dann darf ich auch keine Champions League schauen, keinen FC Bayern, und darf auch nicht mit Fluggesellschaften wie Qatar Airways in den Urlaub fliegen." In einigen seiner 17 Lokale, zum Beispiel in der Hammerschmiede, werden deshalb die Spiele der deutschen Nationalmannschaft und ausgewählte Matches laufen. Ab dem Achtelfinale sollen sogar alle Partien übertragen werden – allerdings mit einer Einschränkung: Die Spiele werden nur da gezeigt, wo auch sonst Fußball übertragen wird. "Wir bestücken kein Lokal extra mit Fernsehern."

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Was willst du als FCA-Präsident bewegen, Markus Krapf?

Wirklich wohl mit der diesjährigen Fußball-Weltmeisterschaft ist keinem, das wird in den Gesprächen immer wieder deutlich. Einige lassen den Fernseher laufen, zeigen die Weltmeisterschaft, weil das Interesse da ist. Wie die Gaststätte des TSV Haunstetten. Das Vereinsheim eines Fußballvereins und dann läuft keine WM? Das passt nicht, sagen die Betreiber. Andere wie Albert Özkaya, einer der Inhaber des Altstadt-Cafés am Judenberg, wägen mehr ab: "Eine WM mit Glühwein macht keinen Spaß. Sie gehört in den Sommer und nicht in solche Länder." Trotzdem werden er und sein Team möglichst alle Spiele zeigen, vor allem aus wirtschaftlichen Gründen. Mit der Pandemie und den vielen Baustellen – zuletzt am Moritzplatz – habe das Café keine einfachen Zeiten hinter sich. "Und im Endeffekt", sagt Özkaya, "wird jeder schauen."

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Die wirtschaftlichen Zwänge der Kollegen kann Oliver Hüttenmüller verstehen. Er betreibt die Kulperhütte an der Wertach und wird die WM sowohl in seinem Lokal als auch privat boykottieren. Als Biergartenbesitzer sind die wirtschaftlichen Folgen eines Boykotts im November und Dezember zwar überschaubar, seine Haltung gegenüber Katar ist jedoch umso klarer. "Die Vergabe, die Menschenrechte und Lage der Frauen, die teilweise eine Erlaubnis brauchen, um Sport ausüben zu dürfen, die Versklavung und Ausbeutung der Arbeiter, die Stadien, die nach der WM niemand mehr braucht, und der Umgang mit der LGBTQ+-Community – da kann ich mich nicht mit Fähnchen auf die Couch setzen." Es ist die Summe der Kritikpunkte, die dem Gastronomen die Lust auf die WM vermiest hat. Deshalb begrüße er auch die Entscheidung der Stadt.

Denn Public Viewings wird es in Augsburg nicht geben, teilte Augsburg Marketing schon vor einigen Wochen mit. Einerseits gebe es keine geeigneten Plätze – auf dem Rathausplatz findet in dieser Zeit der Christkindlesmarkt statt. Andererseits seien die "schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen" in Katar nicht mit den Werten der Friedensstadt Augsburg vereinbar, sagte Oberbürgermeisterin Eva Weber.

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Foto: Annette Zoepf (Archivbild)
Foto: Annette Zoepf (Archivbild)

Die Kulperhütte wird die WM 2022 in Katar boykottieren.

Kritik an der WM in Katar: "Es geht um Solidarität"

Zumal es auch ein Alternativprogramm zu Fußball gibt. Im Flannigan's Post in der Fuggerstraße läuft zwar Sport, aber keine WM, sondern Rugby und American Football. Im Murdock's Irish Pub am Roten Tor bleiben die TV-Geräte gleich ganz aus: "Wir sind nicht einverstanden mit der WM in Katar. Das ist Geldmacherei", sagt Besitzer James Murdock. Katar sei keine Fußballnation, habe nicht die Infrastruktur, um ein solches Großereignis auszutragen. Dazu komme das viel zu warme Klima. "Wir müssen ein Zeichen setzen: Es geht auch um Solidarität", sagt er. Solidarität mit den vielen Arbeitern, die beim Bau der Stadien ausgenutzt worden und ums Leben gekommen sind.

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