
Ausstellung beleuchtet die Freundschaft von Caspar Neher und Bertolt Brecht

Plus Eine Ausstellung folgt den Spuren der wechselvollen Freundschaft zwischen Caspar Neher und Bertolt Brecht – und fördert Spannendes zutage.

Bert Brecht und Caspar Neher – für Augsburg liegt es nahe, die beiden nicht nur künstlerisch eng Verbandelten eben jetzt mit einer Doppelausstellung zu bedenken. Blickt man in diesem Jahr doch auf Brechts 125. Geburtstag, was allzu leicht die Wahrnehmung verdeckt, dass der Geburtstag des ebenfalls aus Augsburg stammenden Neher sich gerade mal ein paar Monate zuvor, am 11. April 2022, in gleicher Weise gerundet hatte. Nun also im Grafischen Kabinett der Augsburger Kunstsammlungen die vom Leiter der hiesigen Brecht-Forschungsstätte, Jürgen Hillesheim, kuratierte Ausstellung „Wanderer zwischen den Welten. Die Freundschaft Caspar Neher – Bertolt Brecht“, die wohl nicht ohne Absicht den Namen des „Bühnenbauers“ vor demjenigen des „Stückeschreibers“ führt.
Die Schau, deren Exponate aus dem Bestand der Kunstsammlungen und der Staats- und Stadtbibliothek stammen, beginnt dort, wo intensive Freundschaften gerne ihre Wurzeln haben, in der Adoleszenz von Neher und Brecht. Caspar gehörte zum Kreis der Augsburger Freunde um den aufstrebenden Literaten, vielfach hielt er die Physiognomie des jungen Dichters in Zeichnungen und Notizbuchskizzen fest. Schon bald treten Bühnenentwürfe zu den ersten Brecht-Stücken hinzu, die jedoch nicht alle in szenische Realisierung münden. Fand die Uraufführung von „Trommeln in der Nacht“ 1922 an den Münchner Kammerspielen noch keine Verwendung für Neher, so kam der Augsburger Bühnenbildner am selbigen Theater 1924 beim „Leben Eduards des Zweiten von England“ zum Zuge. Die schonungslose Expressivität, die Nehers Ausstattungen oftmals kennzeichnet, findet sich schon auf einem aquarellierten Blatt, das die Fronterfahrung des jungen Neher im Ersten Weltkrieg drastisch festhält.
Ein großes Selbstbildnis Caspar Nehers in Öl
Die großen Musiktheaterstücke der späten 1920er Jahre in Berlin, die das Duo Brecht/Weill berühmt machten – „Mahagonny“ als Riesenskandal, „Dreigroschenoper“ als Riesenerfolg, beide in der Ausstattung Nehers und Treibsätze für dessen Karriere –, bleiben in der Ausstellung zwar ohne visuelle Entsprechung. Dafür entschädigt die Schau mit einem großen, in Öl ausgeführten Selbstbildnis Nehers aus den 20er Jahren. Der sieht sich selbst vor dunklem Hintergrund aus leichter Untersicht und mit seitwärts gewandtem Blick, der aber nicht Konkretes zu fassen scheint, vielmehr nach innen gerichtet ist, Ausdruck eines Sinnens, dem die Außenwelt nicht ein und alles zu sein vorgibt. Ebenfalls in Öl und kurz vor dem Ende der Weimarer Republik hat Neher eine Skizze für Brechts „Heilige Johanna der Schlachthöfe“ angefertigt, die Protagonistin als entschieden auftretende Revolutionärin im schiefergrauen Habit mit der Fahne in der Hand. 1932 hatte Gustav Gründgens bei Brecht um die Erlaubnis für die Uraufführung nachgefragt. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten kam jedoch dazwischen.
Bekanntermaßen trennten sich Brechts und Nehers Wege 1933, der Stückeschreiber flüchtete ins Exil, Neher blieb in Deutschland, wo er weiterhin Inszenierungen ausstattete. Keineswegs nur unverfängliche Mozart-Opern: Dass er auch Stücke von Autoren visualisierte, die dem Nationalsozialismus verpflichtet waren, bekommt man im Grafischen Kabinett zwar nicht in Entwürfen oder Bilddokumenten zu sehen. Umso interessanter ist, was eine Unterabteilung der Ausstellung auszusagen hat über Nehers Zeit im „Dritten Reich“ – wenn auch nur in schriftlicher Form.
Ein Briefwechsel von Neher ist Zeugnis der Seilschaften ehemaliger NS-Akteure
Gezeigt werden nämlich einige der Briefe aus einem vor zwei Jahren von der Stadt Augsburg erworbenen Schriftwechsel zwischen Neher und Rolf Badenhausen, einem Protegé des NS-Günstlings Gustav Gründgens. Die Briefe, die Neher und Badenhausen in der Nachkriegszeit wechselten, sind ein Zeugnis der Seilschaften, in denen auch auf dem Feld des Theaters ehemalige NS-Akteure nach dem Zusammenbruch des Regimes versuchten, neuerlich Tritt zu fassen. Auch Neher profitierte davon, überdies war er sich mit Badenhausen – und gewiss mit allen früheren Profiteuren des NS-Systems – einig darin, dass über das Gewesene und die Verstrickung darin am besten zu schweigen sei.
Eigenartig daran: Den Antagonisten Brecht, der durch sein Exil frei von Verstrickung war, störte die Vergangenheit Nehers im NS-Staat zumindest nicht in der Weise, dass er es darüber zum Bruch kommen ließ. Das dürfte weniger an sentimentalen Freundschaftsgefühlen gelegen haben als an Brechts Kalkül, mit Neher und dessen Kontakten weiterhin auf westdeutschen Bühnen präsent zu sein. Denn Brecht, der gleich nach dem Krieg wieder Kontakt zu Neher gesucht und neue Zusammenarbeit angeregt hatte, was auch geschah – etwa bei „Furcht und Elend des III. Reichs“ (Basel 1947), der „Antigone“-Modellinszenierung (Chur 1948) oder dem letztlich Torso gebliebenen „Wagen des Ares“ –, Brecht orientierte sich endgültig Richtung Ost-Berlin und damit in den kommunistischen Machtbereich. Die ideologische Biegsamkeit des Dramatikers untermauert die Ausstellung nachhaltig.
Eine konzentrierte wie anregende Schau
Neher, der sich mit dem Freund über dessen Lavieren gegenüber DDR-Behörden für längere Zeit zerstritt, konnte sich im Westen – er starb 1962 in Wien – und sehr im Gegensatz zum „Kommunisten Brecht“ als Künstler von einwandfreiem Leumund etablieren. Dazu trug, post mortem, der alte Bekannte Rolf Babenhausen das Seinige bei, und das nicht zuletzt in Augsburg. Hier nämlich, im Schaezlerpalais, kuratierte Babenhausen 1964 eine Ausstellung über den Bühnenausstatter und brachte es dabei fertig, alle Hinweise auf Nehers Arbeiten für ausgewiesene NS-Dramatiker zu unterschlagen.
Es ist nicht zuletzt das Verdienst dieser ebenso konzentrierten wie anregenden Schau über die Freundschaft Neher/Brecht, dass die Stadt Augsburg damit einen eigenen, fast 60 Jahre alten Fehltritt korrigiert.
Wanderer zwischen den Welten. Die Freundschaft Caspar Neher – Bertolt Brecht. Bis 25. Juni im Grafischen Kabinett im Höhmannhaus (Maximilianstraße 48), Di. bis So. 10 bis 17 Uhr.
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