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Foto: Soeren Stache, dpa (Symbolbild)
Foto: Soeren Stache, dpa (Symbolbild)

Kann der Traum vom Eigenheim überhaupt noch in Erfüllung gehen?

Wohnen der Zukunft
12.02.2022

Städtebauexperte: „Wohneigentum wird für immer mehr Menschen unbezahlbar“

Von Maria Heinrich

Plus Der Wohnungsmarkt in Deutschland extrem angespannt. Wo soll das noch hinführen? Städtebau-Experte Fabian Rohland analysiert die wichtigsten Entwicklungen und Trends.

Herr Rohland, Sie kennen sich mit den bedeutsamsten Entwicklungen rund um das Thema Wohnen aus. Was sagen Sie: Wie werden die Menschen in Deutschland in Zukunft leben?

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Fabian Rohland: Die Wünsche und Bedarfe der Menschen werden sich beim Thema Wohnen entlang gesellschaftlicher, ökologischer und ökonomischer Trends sowie des technologischen Fortschritts weiterentwickeln.

Können Sie es etwas konkreter machen?

Rohland: Zum Beispiel werden der demografische Wandel, veränderte Lebensstile, der Klimawandel und die Digitalisierung eine wichtige Rolle spielen. Wir gehen davon aus, dass Wohnen in vielerlei Hinsicht vielfältiger werden wird. Wenn man darüber reden möchte, wie die Menschen in ein paar Jahren oder Jahrzehnten wohnen werden, hilft es, sich anzusehen, welche Entwicklungen es bisher gab und was in der Vergangenheit passiert ist. Daraus lassen sich Schlüsse für die Zukunft ziehen. Ein solcher Aspekt wäre zum Beispiel die Wanderungsbewegung.

Was ist das?

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Rohland: Damit ist gemeint, wohin die Menschen umziehen. Seit einigen Jahren beobachten wir einen verstärkten Fortzug aus vielen Großstädten mit einem angespannten Wohnungsmarkt. Ein wesentlicher Grund dafür sind die immer weiter steigenden Wohnkosten in nachgefragten Städten und Ballungsräumen. Aber auch durch Homeoffice und die Digitalisierung der Arbeitswelt hat das Wohnen außerhalb der Städte noch mehr an Attraktivität gewonnen.

Und das wird so bleiben?

Rohland: Der Umfang von Arbeiten im Homeoffice wird wieder zurückgehen, aber es wird nicht auf das Niveau vor der Pandemie fallen. Wichtig bei dem Thema ist allerdings der Punkt, dass es für das Homeoffice auch Platz daheim braucht.

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Dann sind wir ja wieder beim Thema Wohnen.

Rohland: Genau. Wir stellen fest, dass sich – auch durchs Homeoffice – die Ansprüche ans Wohnen verändert haben. Menschen verbringen mehr Zeit zu Hause, verlegen viele Freizeitaktivitäten in die eigenen vier Wände. Die Folge ist, dass mehr Wohnfläche gebraucht und in Zukunft nachgefragt wird. Doch die muss auch bezahlt werden – und es ist einfach so, dass Wohnen in der Stadt tendenziell teurer und in den ländlichen Regionen preiswerter ist. Dort kann man sich eben mehr Wohnraum leisten als in den Städten.

Ist das überall so?

Rohland: Nein, Land ist nicht gleich Land, das muss man klar sagen. Wenn wir davon sprechen, dass Menschen auf dem Land von den derzeitigen Entwicklungen profitieren können, dann sind das jene Regionen, die ein gewisses Maß an Infrastrukturen zur Verfügung stellen können. Zum Beispiel leistungsfähiges Internet. Das ist ja in Deutschland noch lange nicht überall der Fall.

Wie nachhaltig wird diese Entwicklung sein?

Rohland: Eine wichtige Frage ist, ob die ländlichen Regionen, die jetzt einen großen Zuzug erfahren, die neuen Bürgerinnen und Bürger langfristig halten können. Die Hinzugezogenen brauchen ein Angebot an Nahversorgung, Schulen, Kitas, öffentlichem Nahverkehr und Freizeitangeboten. Das muss häufig noch geschaffen werden.

Wenn wir über das Leben auf dem Land sprechen, dann kommen wir um das Einfamilienhaus nicht herum. Welche Entwicklungen sehen Sie da voraus?

Rohland: Fangen wir doch bei den Kosten an. Die Preise für Einfamilienhäuser sind seit 2012 im bundesweiten Mittel um rund 60 Prozent gestiegen.

Das ist ja dramatisch.

Rohland: Bei Eigentumswohnungen ist es noch deutlicher, da sind die Preise von 2011 bis 2021 sogar um über 75 Prozent gestiegen. Das ist enorm. Wenn sie so weiterwachsen wie in den vergangenen zehn Jahren, dann wird Wohneigentum für immer mehr Menschen unbezahlbar.

Der Traum vom eigenen Haus oder der eigenen Wohnung ist immer unerreichbarer geworden?

Rohland: So ist es. Gleichzeitig ist Wohneigentum und vor allem das Einfamilienhaus nach wie vor die beliebteste Wohnform in Deutschland. Da geht es um Komfort, um den Blick in den eigenen Garten, aber auch, dass das Eigenheim als Wertanlage vor allem in Krisenzeiten geschätzt wird. Gleichzeitig steht das Einfamilienhaus immer mehr in der Kritik: Es benötigt viele Ressourcen und verbraucht vergleichsweise viel Fläche. Besonders ökologische und nachhaltige Gesichtspunkte werden beim Wohnen der Zukunft jedoch eine immer größere Rolle spielen.

Ein wichtiger Punkt, den Sie da ansprechen.

Rohland: Schauen wir uns zum Beispiel das Thema Grund und Boden an. Baufläche ist eine Ressource, die in Städten knapp und teuer ist und nicht beliebig vermehrt werden kann. Gerade mit Blick auf den Klimawandel muss damit vorsichtig und sparsam umgegangen werden, damit dem Boden in seiner natürlichen Funktion nicht zu viel durch Bebauung und Versiegelung genommen wird. Die Bundesregierung hat in der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie das Ziel ausgerufen, die Flächenversiegelung pro Tag auf 30 Hektar bis 2030 zu reduzieren. Der durchschnittliche tägliche Anstieg von 2016 bis 2019 lag bei 52 Hektar.

Das ist noch ein ganz schönes Stück, bis wir dieses Ziel erreicht haben.

Rohland: Es gibt beim Thema Fläche große Interessens- und Nutzungskonflikte. Es ist nun mal so, dass Grund und Boden die zentrale Voraussetzung ist für sämtliche städtebaulichen Entwicklungen: für Wohnungsbau, für Infrastruktur, für öffentliche Verkehrsmittel. Und auch für Anpassungen, die im Zuge des Klimawandels notwendig sein werden. Ich denke da zum Beispiel an Schutzmaßnahmen vor Extremwetter-Ereignissen, die wir immer öfter in Deutschland erleben werden. Man wird da eine Balance finden müssen zwischen einer sozial verträglichen städtebaulichen Entwicklung, dem Erhalt von Umweltqualitäten und wirtschaftlichen Interessen.

Das klingt alles recht abstrakt.

Rohland: Konkret heißt das zum Beispiel, dass in Zukunft pro Person weniger Fläche zur Verfügung stehen wird und diese Fläche dann auch effizienter genutzt werden muss. Und um noch mal auf das Thema Ökologie zu kommen: Auch nachhaltige Bautrends werden sich durchsetzen. Da geht es um Vermeidung von umweltschädlichen Rohstoffen, CO2-Einsparung und energetische Sanierung. Wir dürfen nicht vergessen, dass das alles etwas kosten wird und die notwendigen Investitionen daher sozial verträglich verteilt werden müssen.

Nachhaltigkeit, Wanderungsbewegung, Wohnkosten, die Wünsche und Bedarfe der Menschen: Da waren jetzt schon viele wichtige Themen dabei. Was wird denn das Wohnen in der Zukunft noch maßgeblich beeinflussen?

Rohland: Was man ebenfalls berücksichtigen muss, ist der demografische Wandel. Mir fällt da zum Beispiel die Babyboomer-Generation ein. Das wird für den Wohnungsmarkt definitiv eine quantitativ relevante Größe werden.

Das heißt?

Rohland: Wenn die geburtenstarken Jahrgänge wegfallen und demzufolge keinen Wohnraum mehr nachfragen und benötigen werden, werden Kapazitäten frei und die Preise auf dem Markt könnten gedämpft werden. Ein ähnliches Phänomen, dem wir uns kürzlich in einer ausführlichen Studie angenommen haben, sehen wir bereits heute in einigen Einfamilienhausgebieten der 1950er bis 1970er Jahre.

Wir sollten auch über die Wohnsituation von Seniorinnen und Senioren sprechen.

Rohland: Unbedingt. Der Anstieg der Mieten ist ein viel diskutiertes Thema in der Öffentlichkeit und steht auch ganz weit oben auf der politischen Agenda. Trotzdem werden hohe Wohnkosten besonders für Haushalte mit niedrigem Einkommen immer mehr zum Problem – und dazu gehören nun mal auch viele Seniorinnen und Senioren. Wir beobachten da eine besondere Entwicklung, die diese Situation zusätzlich verschärft.

Was genau?

Rohland: Es ist so, dass die Neuvertragsmieten in Deutschland über einen längeren Zeitraum sehr viel mehr gestiegen sind als die Bestandsmieten. Das ist insofern problematisch, da es durch eine nicht bedarfsgerechte Wohnraumverteilung zu einer Verschärfung am Wohnungsmarkt kommen kann. Das klingt abstrakt. Aber ich nenne mal das Beispiel der verwitweten Rentnerin, die seit etlichen Jahren in einer Wohnung wohnt, die nicht mehr ihren Bedarfen gerecht wird, sie ist beispielsweise zu groß oder nicht barrierefrei. Die Rentnerin verharrt in ihrer Wohnung, da sie sich aufgrund hoher Neuvertragsmieten im Vergleich zum bestehenden Mietvertrag einen Umzug in eine für sie passendere Wohnung nicht leisten kann. Lägen die Neuvertrags- und Bestandsmieten nicht so weit auseinander, könnte sie nicht nur einen Umzug in eine Wohnung realisieren, die ihren Anforderungen eher entspricht, sondern zugleich ihre alte Wohnung für eine wachsende Familie freimachen.

Was muss man da tun?

Rohland: Es ist wichtig, dass man Anreize schafft, die sich positiv auf einen Wohnungswechsel auswirken und zugleich die Bezahlbarkeit von Wohnraum sicherstellen.

Es geht also auch für Seniorinnen und Senioren vor allem ums Geld?

Rohland: Das eine ist die Bezahlbarkeit, das andere die Verfügbarkeit. Vor allem von barrierefreien und barrierearmen Wohnungen, die den Anforderungen von Menschen im fortgeschrittenen Alter entsprechen.

Und davon gibt es zu wenig?

Rohland: Derzeit besteht eine Versorgungslücke von etwa zweieinhalb Millionen barrierefreien Wohnungen. Etwa drei Millionen Menschen in Deutschland bräuchten so eine Wohnung, aber es stehen nur knapp 600.000 zur Verfügung. Das Institut Wohnen und Umwelt prognostiziert darüber hinaus, dass sich diese Versorgungslücke bis 2035 auch nur auf zwei Millionen reduzieren wird. Es wird also auch bis dahin immer noch viel zu wenige geben.

Zur Person: Fabian Rohland, 39, ist Diplom-Volkswirt und seit 2011 Wissenschaftler beim vhw, dem Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung in Berlin.

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