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Bildung: Privatschulen fordern bei Kundgebung Gleichberechtigung

Bildung

Privatschulen fordern bei Kundgebung Gleichberechtigung

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    Hunderte Schüler nehmen mit Transparenten an einer Demonstration unter dem Motto "Unterrichtsstunde der Superlative am Königsplatz!" teil.
    Hunderte Schüler nehmen mit Transparenten an einer Demonstration unter dem Motto "Unterrichtsstunde der Superlative am Königsplatz!" teil. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Es ist ein wildes Durcheinander auf dem Königsplatz in München. Über 12.000 Menschen haben sich dort versammelt - vor allem Kinder und Jugendliche, aber auch etliche Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrer. Einige der Kinder und Jugendlichen halten Plakate hoch. Zu lesen ist beispielsweise: "Warme Schulen, warme Herzen", "Wir wollen Gleichberechtigung" und "Gerechtigkeit für Privatschulen". Gekommen sind die jungen Leute aus ganz Bayern, heben Schilder mit Augsburg, Günzburg, Mindelheim, Dillingen an der Donau, Nürnberg, Bamberg, Lindau empor. Und sie wollen gehört werden.

    Unter dem Motto "Wir melden uns!" fand am Mittwoch um "fünf vor zwölf" eine Kundgebung des Rats freier Schulen (rfs) statt, die auf die finanzielle Ungleichbehandlung zwischen öffentlichen und privaten Schulen aufmerksam machen wollte. Der rfs ist ein bayerischer Zusammenschluss aus dem Katholischen Schulwerk, der Evangelischen Schulstiftung, den Montessori Schulen, der Freien Waldorfschulen und dem Verband der Privatschulen. Nach Berechnungen des rfs besuchen in Bayern über 200.000 Schülerinnen und Schüler, also knapp 15 Prozent aller Kinder im Freistaat, eine von 1352 privaten Schulen. 

    In 20 Jahren seien den Privatschulen über eine Milliarde Euro entgangen

    Seit Jahren herrsche ein großes finanzielles Missverhältnis zwischen öffentlichen und privaten Schulen, klagt Peter Kosak, Sprecher des Rats freier Schulen. Seit einer Gesetzesänderung im Jahre 2002 bekämen Privatschulen stetig zu wenig Geld. Die Kundgebung richtete sich daher an die Abgeordneten des Bayerischen Landtages, die zwar seit Jahren um die Ungleichbehandlung wüssten, aber nach Ansicht des rfs zu wenig dagegen tun.

    Die Finanzierung von Privatschulen läuft anders als die von öffentlichen. Bei Letzteren schafft der Staat Stellen für Lehrkräfte, bei Privatschulen nicht. Diese bekommen dafür einen finanziellen Ausgleich, um selbst Lehrerinnen und Lehrer anzustellen. Allerdings: Die Umrechnung von Stellen in finanzielle Mittel gelinge momentan nicht, sagt Kosak. Rund 64 Millionen Euro entgehen seiner Ansicht nach den Privatschulen pro Jahr – hochgerechnet auf 20 Jahre seien dies über eine Milliarde Euro.

    Die Kundgebung wurde für die Schülerinnen und Schüler zu einer Mathematikstunde. Ein Rechenbeispiel sollte das Problem verdeutlichen: Wenn staatliche Schulen 20 Prozent mehr Lehrer anstellen, bekämen Privatschulen dafür nicht 20 Prozent mehr Geld, sondern nur 16,7 Prozent. Die Finanzausfälle entstünden dadurch, dass es an öffentlichen Schulen eine immer bessere Schüler-Lehrer-Relation gebe, die aber an Privatschulen nicht angepasst werde.

    Privatschulen kämpfen seit Energiekrise mit hohen Mehrkosten

    Seit diesem Jahr haben die Privatschulen noch mehr Probleme: "Die stark gestiegenen Energiekosten bringen das Fass zum Überlaufen", sagt Kosak, der auch Direktor des Schulwerks der Diözese Augsburg ist. Auf den Träger, der 46 Schulen unterhält, kämen sechs bis acht Millionen Euro an Mehrkosten zu, erklärt Kosak. Das sei knapp viermal so viel wie 2019.

    Ähnlich sieht die Situation bei den Montessori-Schulen in Bayern aus. Zum Beispiel die Klosterschule in Dietramszell müsse durch die Energiekrise mit einem Plus von 50.000 Euro rechnen, sagt Manfred Burghardt, Geschäftsführender Vorstand des Landesverbandes Montessori Bayern. Das seien rund 60 Prozent mehr als in den Vorjahren. 

    Burghardt schließt nicht aus, dass das Schuldgeld künftig steigen wird. Das liege auch an der Personallage. Der Markt an Lehrkräften sei lehrgefegt, da die Lehrkräfte, die es noch gebe, lieber zum Staat gehen würden, weil sie dort verbeamtet werden. Außerdem würden Lehrerinnen und Lehrer immer teurer werden: "Eigentlich müssen wir ihnen 80 Prozent des Gehalts zahlen, das Lehrer an öffentlichen Schulen bekommen. Aber damit können wir niemanden mehr gewinnen, wir müssen also auf 100 Prozent gehen." Privatschulen leben heute von Quereinsteigern, sagt Burghardt. Er kritisiert, dass Politiker ihm bestätigten, dass es den Staat deutlich mehr kosten würde, die Kinder in staatlichen Schulen unterzubringen, als der Zuschuss für die Privatschulen – trotzdem passiere zu wenig.

    Sollten die Privatschulen nicht mehr Geld bekommen, drohen Schließungen

    Die Lage sei ernst: Wenn die bayerischen Privatschulen künftig keine weiteren finanziellen Mittel bekommen, müsse in Betracht gezogen werden, dass Schulen schließen, warnt Kosak. Soweit soll es aber nicht kommen. Hoffnung schöpft Kosak aus den erst kürzlich gemachten Zugeständnissen der CSU und der Freien Wähler. 

    Die Regierungsfraktionen gaben in einer Mitteilung bekannt, dass sie das – von den Privatschulen lange kritisierte – Schulfinanzierungsgesetz überarbeiten wollen. Auf der Kundgebung bestätigten Josef Zellmeier (CSU) und Bernhard Pohl (FW) dieses Vorhaben und kündigten an, dass es noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden soll. Im kommenden Jahr wollen die Regierungsfraktionen zudem 12,8 Millionen Euro mehr Schuldgeldersatz bereitstellen. Damit steige die Summe auf 141 Millionen Euro. Außerdem könnten Schulträger, die durch die gestiegenen Energiekosten in ihrer Existenz bedroht sind, auf den Bayerischen Härtefallfonds setzen.

    Das sei ein Schritt in die richtige Richtung, aber es müssten weitere folgen, sagt Kosak. Eine Schule arbeite immer defizitär, erwirtschaftet also keinen Gewinn. Im Fall des Schulwerks springt dann die Diözese ein, aber auch deren Mittel seien irgendwann erschöpft. "In der Verfassung steht geschrieben, dass der Staat verpflichtet ist, die

    Kosak will vermeiden, dass durch die gestiegenen Kosten das Schulgeld erhöht werden muss. Es gehe ihm nicht mehr um das "ob", sondern um das "wie und wann", denn die Privatschulen könnten mit der Umsetzung der Forderungen nicht mehr bis zum Sankt-Nimmerleinstag warten.

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