Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Rekord bei Einbürgerungen: Bayerns Behörden sind am Limit

Deutsche Staatsbürgerschaft

Andrang auf Bayerns Ämter: Immer mehr Menschen wollen deutschen Pass

    • |
    • |
    • |
    Der alte weg, der neue her? Das war einmal. Seit der Reform der Bundesregierung sind doppelte Staatsbürgerschaften generell erlaubt.
    Der alte weg, der neue her? Das war einmal. Seit der Reform der Bundesregierung sind doppelte Staatsbürgerschaften generell erlaubt. Foto: Britta Pedersen, dpa

    Bayerns Ämter erfasst eine Welle an Anträgen für die deutsche Staatsbürgerschaft. Lange waren die Zahlen konstant geblieben, seit 2021 geht der Trend aber stark nach oben. Grund dafür war zunächst unter anderem, dass nach der Migrationskrise 2015/2016 Geflüchtete vor allem aus Syrien ausreichend lange im Land wohnten, um einen deutschen Pass beantragen zu können. Im vergangenen Jahr wurde dann ein neuer Höchststand erreicht: Laut Statistischem Bundesamt bürgerte Deutschland insgesamt 200.100 Menschen ein und damit so viele wie noch nie. Dem bayerischen Innenministerium zufolge waren es allein im Freistaat mehr als 36.000. Der Rekord aus dem vergangenen Jahr dürfte aber schon bald wieder abgelöst werden.

    Bereits jetzt – knapp über der Jahreshälfte – haben vielerorts mehr Menschen als im kompletten Jahr 2023 einen Antrag auf Einbürgerung gestellt. Bis inklusive Mai waren es in Bayern noch im Schnitt rund 5600 Anträge pro Monat, im Juni dann schon 8400 und für den Juli geht das Innenministerium ebenfalls von einer Steigerung aus.

    Der Trend dürfte noch einmal anziehen, denn seit Ende Juni ist die deutsche Staatsbürgerschaft nach einer Reform der Bundesregierung für viele leichter erreichbar. Nun genügt es, für einen Antrag fünf statt bisher acht Jahre in Deutschland gewohnt zu haben. Kinder ausländischer Eltern können ebenfalls schneller Deutsche werden, und wer sich besonders gut integriert, kann sogar schon nach drei Jahren einen Antrag stellen.

    Deutschland bürgert weniger Menschen ein als die europäischen Nachbarn

    Man verramsche die deutsche Staatsbürgerschaft, kritisierte daraufhin der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt. Die Bundesregierung argumentierte hingegen unter anderem, man schließe sich vielmehr den EU-Nachbarn an. Denn während die EU-Länder im Schnitt zwei Prozent ihrer ausländischen Bevölkerung im Jahr einbürgerten, schaffe Deutschland nur etwas über ein Prozent. Und auch Bürokratie will man abbauen, indem man den Besitz von mehreren Staatsangehörigkeiten generell erlaubt.

    Die Folge: Es kommen seit Ende Juni gleichzeitig zwei Gruppen leichter an die deutsche Staatsbürgerschaft: diejenigen, die bisher nicht lange genug in Deutschland wohnten, und diejenigen, deren Herkunftsland ein Ablegen der Staatsbürgerschaft nicht zulässt. Das spüren nun Städte und Landratsämter.

    In München und Augsburg ist der Vorjahresrekord bereits jetzt übertroffen

    Die Stadt München berichtet, bis Anfang August bereits mehr Anträge erhalten zu haben als im gesamten vergangenen Jahr. Rund ein Drittel der notwendigen Personalstellen ist dort unbesetzt, bis zu eineinhalb Jahre dauere die Bearbeitung daher.

    Auch in Augsburg hat man den Antragsrekord vom vergangenen Jahr erreicht. „Ich rechne heuer mit über 3000 Anträgen“, sagt Ordnungsreferent Frank Pintsch auf Anfrage. Sein erster Eindruck scheint zu bestätigen: Vor allem diejenigen, die nach altem Recht ihre Staatsbürgerschaft hätten abgeben müssen, stellten nun Anträge. Das betrifft beispielsweise Menschen aus der Türkei, aus Russland und vielen Balkanländern. Auch in Bamberg ist der Anstieg zu beobachten. Dort erhielten bis Juli 178 Menschen die deutsche Staatsbürgerschaft, ein Wert, den man im ganzen Jahr 2019 knapp erreichte. Würzburg kann urlaubsbedingt keine aktuellen Zahlen vorweisen, im vergangenen Jahr wurden dort 573 Menschen eingebürgert.

    Neben den Städten sieht der Chef des bayerischen Landkreistages, Thomas Karmasin – selbst Landrat in Fürstenfeldbruck –, auch auf die Landratsämter hohe Belastungen zukommen. „Man ist in den Ämtern mental vorbereitet, aber nicht personell“, sagt er unserer Redaktion. Der plötzliche Effekt des neuen Gesetzes zeigt sich beispielsweise am Landratsamt Neu-Ulm. Wurden dort im Juni noch 74 Einbürgerungen beantragt, waren es im Juli nach der Gesetzeseinführung bereits 225 und in den ersten acht Arbeitstagen des Augusts nochmals 84.

    In der Stadt Kempten erwartet man eine Verdoppelung der Neuanträge, etwa 450 bis Jahresende prognostiziert man dort. Die meisten werden dort von italienischen, rumänischen und türkischen Staatsbürgern gestellt. Trotz des sprunghaften Anstiegs planen weder Kempten noch Augsburg, personelle Ressourcen aus anderen Bereichen abzuziehen, um die Antragsflut zu bewerkstelligen.

    Karmasin fordert für die Landkreise nun mehr Unterstützung: „Wenn der Staat möchte, dass dieses Gesetz umgesetzt wird, dann muss er Personal zur Verfügung stellen, oder eben sehr lange Wartezeiten in Kauf nehmen“, sagt er. Auch der Freistaat sei also gefordert, egal, ob er das Gesetz befürworte oder nicht.

    Diskutieren Sie mit
    17 Kommentare
    Franz Xanter

    Und was wird bei zukünftig verurteilten Straftätern? Wird denen dann genau so schnell die deutsche Staatsangehörigkeit wieder aberkannt oder ignoriert man dies? Sieht man dann keinen notwendigen Zusammenhang mehr zwischen verurteilten Schwerstkriminellen und der erforderlichen Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit? Schließlich hat bzw. haben diese ja eine zweite Staatsangehörigkeit, welche nach deutschen Gesetzt als Voraussetzung zur Aberkennung notwendig ist. Aber ich denke, dies werden unsere Verantwortlichen geflissentlich übersehen bzw. ignorieren.

    |
    Martin Goller

    Wie viele eingebürgerte Menschen werden straffällig, und wie viele davon schwer Straffällig. Wie sieht es derzeit bei doppelter Staatsbürgerschaft mit EU Ausländern aus? Ich bin. Mir sicher, sie regen sich über eine verschwindend geringe Anzahl Menschen auf, weil sie einer großen Gruppe Menschen das Recht auf ein gutes Leben verweigern wollen.

    Thomas Keller

    Hat man die deutsche Staatsbürgerschaft, kann und wird man nach deutschem Recht verurteilt werden. Vor dem Gesetz müssen alle gleich sein.

    Richard Merk

    Zwei Staatsbürgerschaften haben letztlich nur Vorteile. Ob es bei den Deutschen im Ausland ist oder bei Menschen, die schon viele Jahre in Deutschland leben ist dies nur gerecht. Es kann durchaus vorkommen dass der Eine oder Andere wieder zurück in sein Heimatland möchte. Der Neid auf Menschen, die den deutschen Pass beantragen ist längst nicht mehr zeitgemäß. Deutsche nehmen eine zweite Staatsbürgerschaft im Ausland doch auch sehr gerne in Anspruch.

    Walter Betz

    Ich kann Herrn Xanter nur voll zustimmen. Man kann nicht alles durch die rosa rote Brille sehen, wenn man die einschlägigen Zeitungsberichte in letzter Zeit liest. Dann ist die Entwicklung für die einschlägig bekannten Kriminellen mit Migrantenhintergrund zur Verbesserung ihres Aufenthaltes in Deutschland sehr positiv zu bewerten (sehr karikativ gemeint) und die Gerechtigkeit bleibt wie immer ein klein wenig mehr auf der Strecke.

    |
    Martin Goller

    Erklären Sie das bitte. Warum sollte jemand der viele Jahre straffrei in Deutschland lebt nur darauf warten als Eingebürgerter straffällig zu werden? 'Einschlägig bekannte Kriminelle' können nicht eingebürgert werden.

    Martin Goller

    Warum wollen die konservativen eigentlich immer alles dafür tun um unser Land unsicherer zu machen? Einbürgerung verringert nachweislich die Kriminalitätszahlen, fördert die Integration und stärkt den Sozialstaat über bessere wirtschaftlichen Outcome der Eingebürgerten. Wer profitiert hier also von einer möglichst strengen Regelung? Vielleicht möchten Leute wie Herr Xantner und Konsorten unser Land unsicher machen? Qui bono also?

    Rolf Kalo

    Gibt es zu ihren Behauptungen auch Nachweise?

    |
    Martin Goller

    Falls Sie mich meinen: natürlich - https://hdl.handle.net/10419/227446 Einbürgerung (junger) Migranten: Katalysator oder Belohnung für gelungene Integration? Autor:innen: Gathmann, Christina Monscheuer, Ole Felfe, Christina Rainer, Helmut Falcke, Swantje Pinotti, Paolo Bertocchi, Graziella Strozzi, Chiara Verlag: ifo Institut - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München, München

    Franz Xanter

    Gehe ich davon aus, dass Sie Ihre Referenz gelesen haben, so bleibt festzustellen, dass Sie die Aussagen und Schlussfolgerungen nicht verstanden haben. Insbesondere in der durch Paolo Pinotti bewerteten Thematik Einbürgerung und Kriminalität wird dies eben nicht generell bestätigt, sondern, wie wissenschaftlich üblich, unter verschiedenen Aspekten und Voraussetzungen beleuchtet und schlussendlich als vereinzelt möglich bewertet. Da jedoch viele Voraussetzungen, insbesondere der Faktor illegale Migration, betrachtet und bewertet werden, kann und wird eine pauschale Antwort durch den Verfasser nicht gegeben.

    Martin Goller

    Lesen ist nicht so ihre Sache, oder? Gerne helfe ich Ihnen! Bei Paolo Pinotti geht es um Arbeitsmarktzugang und nicht um Einbürgerung. Was seine Ergebnisse nicht weniger Interessant macht: "Beide natürlichen Experimente bestätigen, dass die Legalisierung des Aufenthaltsstatus zu geringerer Kriminalität führt." Relevant er ist folgendes (Seite 9): "Die Liberalisierung des Staatsangehörigkeitsrechts in Deutschland liefert überzeugende Evidenz dafür, dass ein liberaler Zugang zur Staatsbürgerschaft mit kurzen Wartezeiten die ökonomische und soziale Integration vorantreibt." Oder Seite 15: "Je schneller Immigranten nach Ankunft im Zielland die Staatsbürgerschaft erhalten haben, desto stärker ist der Effekt der Einbürgerung auf die Integration."

    Franz Xanter

    Zur abschließenden Klarstellung: Seite 17 Ihrer Referenz: Paolo Pinotti "Die Auswirkungen der Legalisierung des Aufenthaltsstatus von Einwanderern auf die Kriminalität". "... Beide natürlichen Experimente bestätigen, dass die Legalisierung des Aufenthaltsstatus ..." legt die Wandlung von irregulärer zu regulärer Migration zu Grunde; davon ist bei einer Thematik "Einbürgerung" keine Rede. Weiterhin wird dies beispielhaft am Lande Italien untersucht und hat somit nur bedingte Aussagekraft für Deutschland. Und letztlich beziehen sich die Aussagen und Schlussfolgerungen auf zwei verglichenen Bevölkerungsgruppen; den ehemaligen Gefängnisinsassen und den Bewerbern um eine Arbeitserlaubnis. Vergleichbarkeit zu DEU? Sicherlich nicht.

    Martin Goller

    Wiedermal ein gutes Beispiel ihrer Lesekompetenz: genau das habe ich geschrieben - Pinottis Erkenntnisse haben mit der Einbürgerung nichts zu tun. Sie übersehen allerdings die anderen Stellen wo es um Einbürgerung geht.

    Martin Goller

    Und falls sie doch was zu Kriminalität haben möchten: https://siepr.stanford.edu/news/mythical-tie-between-immigration-and-crime Natürlich können Sie alle Studien aus anderen Ländern kritisieren, für nicht vergleichbar erachten und alle Erkenntnisse die ihren widersprechen ignorieren.

    Gerold Rainer

    Es ist so unheimlich praktisch, wenn man sich aus mehreren Staatsbürgerschaften jeweils die Rosinen auspicken kann, anstatt sich für eine entscheiden zu müssen. Und wer hat sich dafür besonder entschieden eingesetzt: Die Grünen. Warum? Um sich mit dem Zuwachs an deutschen Staatsbürgern neue Wählerstimmen zu schaffen und eine Wahlniederlage bei der nächsten Bundestagswahl zu verhindern.

    |
    Martin Goller

    Das können Sie sicher auch mit Zahlen belegen? Bei zuletzt 200'000 Einbürgerungen haben wir das Wählerpotential von 0,33% erhöht. Natürlich wählt nicht jeder frisch eingebürgerte Deutsche 100% Grün - sondern ist die Wahlbeteiligung hier tendenziell niedriger als in der restlichen Bevölkerung. Ganz schön kompliziertes Unterfangen um am Ende eventuell eine Nachkommastelle zu gewinnen, oder?

    Richard Merk

    Es gibt keinen einzigen Grund auf zwei Staatsbürgerschaften neidisch zu sein. Freiheit und Weltoffenheit in einer global vernetzten Welt sollte selbstverständlich sein. Gut dass wenigstens die Grünen etwas fortschrittlicher sind.

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden