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Telefonseelsorge in Not: Kürzungen bedrohen Krisenhilfe

Psychische Gesundheit

Bei der Telefonseelsorge fürchtet man Kürzungen – trotz hoher Nachfrage

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    Die Telefonseelsorge registriert ein extrem hohes Aufkommen. Doch die Träger, die katholische und die evangelische Kirche, müssen sparen. Nun fürchtet man an den bundesweiten Standorten der Telefonseelsorge, dass auch hier gekürzt wird.
    Die Telefonseelsorge registriert ein extrem hohes Aufkommen. Doch die Träger, die katholische und die evangelische Kirche, müssen sparen. Nun fürchtet man an den bundesweiten Standorten der Telefonseelsorge, dass auch hier gekürzt wird. Foto: Bernd Weißbrod, dpa

    Die Zeit um Weihnachten ist oft eine Belastungsprobe. Viele Menschen fühlen sich an den Feiertagen besonders einsam. Oft brechen bei Familientreffen verletzende Streitereien auf. Auch kommen nicht wenige zwischen den Jahren ins Grübeln, ziehen eine Zwischenbilanz ihres Lebens, und geraten dabei an einen seelischen Tiefpunkt – die Leitungen der Telefonseelsorge klingeln gerade auch am Ende des Jahres praktisch rund um die Uhr, erzählt Tobias Lehner. Doch die Beratungskapazitäten seien ausgelastet, längst können nicht mehr alle Anrufe angenommen werden, viele müssten warten oder es mehrmals probieren.

    Das Thema Einsamkeit ist der Spitzenreiter bei der Telefonseelsorge

    Tobias Lehner ist für die Öffentlichkeitsarbeit der Telefonseelsorge in der Erzdiözese München und Freising zuständig. Der Theologe nimmt aber auch regelmäßig Gespräche Ratsuchender an und beantwortet Mails, die Menschen in Krisen schreiben. Während bei den Telefonaten das Thema Einsamkeit der Spitzenreiter sei, würden in Mails und bei Chats vor allem Depressionen und depressive Verstimmungen geschildert. Aber auch beispielsweise bei Erkrankungen oder in Trauerfällen suchen viele Halt. Außerdem spiele das Thema Suizidalität regelmäßig eine Rolle, werde zwar oft nicht direkt, aber indirekt ausgesprochen. In der Suizidprävention sehe sich die Telefonseelsorge, die deshalb ja gegründet wurde, besonders in der Pflicht, betont Lehner, „gerade angesichts leider steigender Suizidzahlen“. Seit der Corona-Pandemie meldeten sich zudem immer mehr junge Leute bei der Telefonseelsorge. „Die Jüngeren bevorzugen vor allem unsere digitale Beratungsangebote.“ Doch auch die Chattermine seien oft sofort vergeben. Es herrsche generell ein extrem hoher Beratungsbedarf.

    Unterstützung erhalten die Ratsuchenden bei der Telefonseelsorge in der überwiegenden Mehrzahl von ausgebildeten Ehrenamtlichen: Allein in Bayern gebe es 17 Dienststellen, an denen circa 1200 Ehrenamtliche und 34 Hauptamtliche tätig sind. Deutschlandweit zähle die Telefonseelsorge an über 100 Standorten rund 7700 Mitarbeitende – wovon auch hier der Großteil ehrenamtlich tätig ist. Zwar sei es in ländlichen Gebieten oft schwierig, Ehrenamtliche zu finden, doch die Hauptsorge seien finanzielle Kürzungen.

    „Teilweise ist die Situation bei einigen Stellen schon jetzt prekär“

    Denn was viele nicht wissen: Träger der Telefonseelsorge sind meist die katholische und evangelische Kirche, es sind also katholische Diözesen oder evangelische Landeskirchen, Dekanate, Caritas oder Diakonie. Dort wiederum brechen die Kirchensteuermittel ein. Damit würden überall die Haushaltsmittel weniger. „Teilweise ist die Situation bei einigen Stellen schon jetzt prekär“, weiß Lehner und ergänzt: „Gleichzeitig betonen die kirchlichen Vertreter immer wieder, dass sie die Telefonseelsorge schätzen und erhalten wollen. Da nehmen wir sie beim Wort.“ Allerdings sei aufgrund der Finanzsituation der Ausbau oder die Weiterentwicklung der Telefonseelsorge schwierig. „Alles steht auf dem Prüfstand“, weiß Lehner. Das betreffe Stellen für Hauptamtliche, aber auch etwa die Fahrtkosten der Ehrenamtlichen, auch wenn es hierzu noch keine konkreten Pläne gebe.

    Viele müssen lange auf einen Therapieplatz warten

    Dabei stehe die Telefonseelsorge nicht nur bei allen akuten Krisen bei, sie übernehme auch eine wichtige Überbrückungsfunktion: Und das nicht nur kurzfristig, weil in den Weihnachtsferien viele Therapeuten und Therapeutinnen im Urlaub sind oder Beratungsstellen geschlossen haben, sondern auch, weil viele psychisch Erkrankte keinen Therapieplatz finden oder über Monate auf einen warten müssen, berichtet Hildegard Steuer, die Leiterin der ökumenischen Telefonseelsorge in Augsburg. „Wir leiten zwar Menschen, bei denen wir den Eindruck haben, sie benötigen professionelle Hilfe, an den Krisendienst Schwaben weiter. Doch was darüber hinaus fehlt, sind Therapieplätze, ambulant wie stationär.“ Die Telefonseelsorge in Augsburg, die ebenfalls von einer steigenden Nachfrage berichten kann, wird von beiden Kirchen getragen, also vom Bistum Augsburg und vom Evangelischen Dekanat Augsburg. Und auch Steuer weiß, „dass die Gelder weniger werden“. Doch auch in Augsburg betonten die Kirchen, dass die Telefonseelsorge „ein unverzichtbarer Teil der Seelsorge und deswegen von Sparmaßnahmen ausgenommen ist“. Darauf hoffen Steuer und die etwa 80 Ehrenamtlichen in Augsburg, die im nächsten Jahr 50. Jubiläum feiern.

    Hier erhalten Sie Hilfe in seelischen Krisen: Die Telefonseelsorge ist Tag und Nacht unter der Nummer 0800 1110111 oder 0800 1110222 erreichbar; die Onlineberatung unter: https://online.telefonseelsorge; Die Krisendienste Bayern erreichen Menschen in seelischen Krisen und ihre Angehörigen unter der kostenlosen Rufnummer 0800 / 655 3000.

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