Corona-Test für daheim: So funktionieren die Antikörpertests von dm
Plus Zuhause auf der Couch testen, ob man schon mal Corona hatte. Klingt bequem, ist aber umstritten. Wir haben ausprobiert, was der Antikörpertest bringt.
Meine letzten Erfahrungen als Arzt habe ich im Kindergartenalter gesammelt. Mit einer übergroßen Spritze nahm ich meinen Patienten – in diesem Fall meinen Eltern – "Blut" ab. Mithilfe meines Spielzeug-Stethoskops attestierte ich ihnen anschließend eine gesunde Lunge. Gut zwei Jahrzehnte später ist nun mein ärztliches Geschick erneut gefragt: Ich muss mir in den Finger piksen, um eine Antwort auf die Frage zu erhalten, die sich in den vergangenen Monaten sehr viele Menschen gestellt haben, ich auch: "Hatte ich schon Corona?"
Klar, da war dieses Halskratzen im März, kurz nachdem meine Freundin von ihrem Auslandssemester aus einem der Corona-Epizentren Italiens zurückgekehrt war. Und da war die laufende Nase im Oktober, als es kälter wurde. Aber war das schon Corona? Eher nicht. Wissen will ich es trotzdem.
Antikörpertest bei dm: Händler spricht von "sehr hoher Genauigkeit"
Eine vergangene Infektion mit dem Coronavirus kann ein Antikörpertest nachweisen. Seit Ende Oktober bietet die Drogeriekette dm den Antikörpertest von Cerascreen an. Cerascreen hat seinen Sitz in Schwerin und bietet Gesundheitsprodukte sowie verschiedene Tests an - so auch den Corona-Antikörpertest. Kunden können ihn online bestellen und zu Hause selbst durchführen. Der Corona-Test für die Couch sozusagen. Der Händler wirbt damit, dass der Test einfach anzuwenden sei und bereits nach kurzer Zeit ein Testergebnis vorliege. "Der Test basiert auf einer verlässlichen Analyse in einem spezialisierten Fachlabor", sagt dm-Geschäftsführer Sebastian Bayer. "Er hat deswegen eine sehr hohe Genauigkeit."
Wie beliebt die Tests bei Kunden seien, könne er noch nicht sagen. Geschäftsführer Bayer verspricht sich vom Verkauf der Sets nicht nur, dass Kunden Gewissheit über eine mögliche Corona-Infektion erlangen könnten. Sie könnten auch einen Teil zur Bekämpfung der Pandemie beitragen: "Dem Robert Koch-Institut helfen diese Testergebnisse und Informationen über getestete Menschen dabei, die bisherigen Fallzahlen und den Verlauf der Pandemie besser einzuschätzen", sagt er.
Preis, Lieferzeit, Anleitung: So funktioniert der Antikörpertest von dm
59,95 Euro kostet der Antikörpertest im Onlineshop des Drogeriemarkts, Lieferzeit angeblich zwei bis drei Werktage. Für Verzögerungen entschuldigt sich das Unternehmen gleich im Voraus. Aufgrund der gestiegenen Corona-Zahlen könne die Lieferung etwas länger dauern. Das tut sie letztlich auch: Fünf Werktage nach der Bestellung liegt der Antikörpertest im Briefkasten.
Das Testkit beinhaltet zwei Röhrchen, zwei Lanzetten (eine Art Nadel, mit der man sich in den Finger pikst), ein Desinfektionstuch, einen Tupfer und sogar ein Pflaster. Dazu gibt es eine mehrseitige Anleitung, die Kunden bei den 19 Schritten unterstützt. Zunächst halte ich meine Hand unter warmes Wasser und kreise meinen Arm. Sieht zwar komisch aus, hilft aber dabei, die Blutzirkulation anzuregen. Dann kommt der entscheidende Moment. Die Wahl meines Schicksalsfingers habe ich längst getroffen: Der linke Ringfinger soll es sein. Ein wenig Kraft ist nötig, um die Lanzette so stark auf den Finger zu drücken, dass sie auslöst. Doch es klappt, gleich beim ersten Mal.
Kurz nach dem Pikser sammelt sich ein großer Blutstropfen. Vier bis fünf solcher Tropfen massiere ich mir aus dem Finger, bis die nötige Menge an Blut im Auffangröhrchen gelandet ist. Das Pflaster ist übrigens neutral gehalten – vor rund 20 Jahren, als ich meine Eltern verarztete, waren da noch Dinosaurier drauf. Meine Blutprobe bringe ich im mitgeschickten Rückumschlag umgehend zur Post. Ein Ergebnis soll ich innerhalb von zwei Tagen erhalten.
Das sagen Experten zum Antikörpertest für daheim
Doch welche Aussagekraft hat dieses Ergebnis? Was bei der Recherche auffällt: Viele Ärzte halten sich zurück, stehen nicht für Interviews bereit und verweisen darauf, keine belastbaren Daten zu haben. Und das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit möchte sich zu konkreten Herstellern und Produkten "aus Neutralitätsgründen" nicht äußern. Grundsätzlich gelte: "Es ist bekannt, dass nicht in jedem Fall einer SARS-CoV-2-Infektion Antikörper gebildet werden, beziehungsweise dass Antikörper auch rasch wieder abfallen können", teilt Pressesprecher Alexander Szumilas mit. Das bedeutet: Manche Infektionen lassen sich nachträglich durch einen Antikörpertest nicht nachweisen.
Und selbst wenn der Test nachweisen könne, dass das Immunsystem Antikörper gebildet hat, bringe das keine eindeutige Sicherheit: "Der alleinige Antikörpernachweis ist nicht für die Festlegung der endgültigen Covid-Diagnose ausreichend, da bisher die Qualität der Antikörpernachweise nicht ausreichend für eine labordiagnostische Bestätigung ist", sagt Szumilas. Es bedürfe weiterer Untersuchungen, um feststellen zu können, "ob bei allen Personen mit Erregernachweis Antikörper gebildet werden, in welchem Zeitraum dies passiert und ob sich verschiedene Altersgruppen dabei unterscheiden".
Damit ich die fünf Tropfen Blut nicht völlig umsonst aus meinem Ringfinger gequetscht habe, muss ich den Test digital aktivieren. Das funktioniert mithilfe eines Codes, der dem Testkit beiliegt. Den Test können Kunden entweder über die Homepage von Cerascreen oder via App aktivieren. Neben Geschlecht, Name und E-Mail-Adresse muss man zudem noch sein Geburtsdatum angeben. Der Test ist aktiviert, man wird via Mail informiert, wenn das Testergebnis vorliegt. Nun heißt es warten. Warten auf ein Testergebnis. Eines, das dann für Klarheit sorgt?
Medizinische Laien: Kritik an den Antikörpertests bei dm
"Auch nach einem Test bleibt die Unsicherheit", sagt Peter Grieble, Abteilungsleiter Gesundheit bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Wer ein positives Ergebnis erhalten habe, werde dies anschließend bei einem Arzt bestätigen lassen – und wer negativ getestet wurde, könne dennoch einmal infiziert gewesen sein. Was ihn stört, ist der Umstand, dass die Tests nun nicht nur von medizinischem Fachpersonal vertrieben werden, sondern auch von Drogeriemärkten. "Das muss man nicht machen", sagt er.
Problematisch sei, dass medizinische Laien nie sicher sein könnten, den Test korrekt durchgeführt zu haben. Um die Probe ans Labor schicken zu können, müssen die Probanden sich schließlich selbst Blut abnehmen. Dabei könnten durchaus Fehler passieren.
Das sehen Griebles Landsleute in Baden-Württemberg ähnlich: Das dortige Sozialministerium prüft das Angebot eines Coronavirus-Antikörpertests bei dm. Nach Rechtsauffassung des Ministeriums ist eine Abgabe nur an Fachpersonal zulässig, wenn solche Testkits einen diagnostischen Zweck haben. Man habe Schritte eingeleitet, um den Sachverhalt zu klären, teilte das Ministerium mit.
Mein laienhaftes medizinisches Können war zumindest gut genug, dass das Labor meine Blutprobe auswerten konnte. Statt der versprochenen zwei Werktage hat es vier gedauert. Jetzt steht in der App: "Es konnten keine Antikörper in Ihrer Probe nachgewiesen werden." Ich lese den Satz zwei-, dreimal. Ich hatte also noch kein Corona - zumindest mutmaßlich. Eine Garantie gibt es nicht. Außer dafür, dass ich mein Dasein als Laienarzt nun wieder sein lasse.
Mitarbeit/Recherche Expertenstimmen: Christof Paulus
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