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Foto: Christian Gall
Foto: Christian Gall

Béla Stetzer ist Professor an der Hochschule für angewandte Medienwissenschaften in München. Im Hintergrund sind Logo-Entwürfe seiner Studenten zu sehen.

Macht der Marken
15.12.2017

Jedes Unternehmen will zum Mythos werden

Von Christian Gall

Unternehmen planen ihren Auftritt von vorne bis hinten. Das beginnt beim Logo und geht bis zum eigenen Firmen-Mythos. Ein Interview mit dem Design-Professor Béla Stetzer.

Herr Stetzer, was bringen sie ihren Studenten an der Hochschule München als erstes über Design bei?

Stetzer: Dass sie simpel denken sollen. Ein gutes Logo etwa kann man mit dem Fuß in den Sand zeichnen. Je einfacher etwas gestaltet ist, umso einprägsamer ist es. Und genau das soll der Auftritt von einem Unternehmen ja bewirken. Er soll in den Köpfen der Kunden hängen bleiben.

Und das funktioniert über ein Logo?

Stetzer: Zum Erscheinungsbild eines Unternehmens gehört noch viel mehr. Ein Unternehmen wirkt nach außen hin wie eine Person. Eine Person hat ein gewisses Aussehen, eine gewisse Sprache und eine Art von Kultur. Da hängen viele Dinge dran, auch Aspekte wie Bewegung und Dynamik. Letztendlich verhält sich ein Unternehmen wie eine Person. Das Logo als Zeichen verhält sich eigentlich eher wie ein Spieler unter vielen innerhalb des gesamten gestalterischen Auftrittes.

Was gehört alles zu einem stimmigen Gesamtbild?

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Stetzer: Wichtig ist das Zusammenspiel der gewählten Gestaltungsmitte, etwa der Typografie, also die Gestaltung mit Schrift. Aber auch Farben sind unwahrscheinlich wichtig, sie gehören zu den intuitivsten Mitteln, die Gestalter einsetzen können. Würden Sie etwa auf die Internetseite der DHL gehen und alle Logos von der Seite entfernen, wüssten sie immer noch, um welche Firma es sich handelt. Einfach, weil sie einen bestimmten Gelbton mit roten Akzentfarben einer bestimmten Firma zuordnen können.

Wenn ein Unternehmen sich so ein Aussehen angeeignet hat, bleibt es dann dabei?

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Foto: Daniel Bockwoldt, dpa
Foto: Daniel Bockwoldt, dpa

Einige Marken wie Nivea bleiben ihrem Erscheinungsbild treu.

Stetzer: Das kommt ganz auf den Einzelfall an. Manche Firmen sind ihrem Erscheinungsbild lange treu geblieben. Nivea etwa trägt seit Jahrzehnten seinen prägnanten weißen Schriftzug auf blauem Hintergrund. Andere Unternehmen legen einen extremen Wandel hin. Die heutige Telekom ist aus einer Privatisierung der Bundespost hervorgegangen, deren Auftritt war ursprünglich gelb. Daraus ist im Rahmen der Erneuerung dann ein grelles magenta geworden. Einerseits um den Wandel nach außen sehr bewusst zu vollziehen, aber auch um sich von den Mitbewerbern abzugrenzen. Das hat einen großen Aufschrei hervorgerufen. Darauf hat die Telekom reagiert und ist eher zur Hauptfarbe weiß übergegangen, magenta wurde dann nur für farbliche Akzente genutzt. Erst in den letzten Jahren ist magenta wieder in den Vordergrund gerückt, da sich die Farbe dann doch in unsere Alltagskultur integriert hat und heute wieder als Alleinstellungsmerkmal aufgefasst wird.

Könnte auch ein anderer Konzern diese Farbe verwenden?

Stetzer: Nein, denn das Telekom-Magenta ist markenrechtlich für den Telekommunikations- und Onlinebereich geschützt – zumindest in der Europäischen Union und den USA. Mehrere Marken haben das gemacht, die meisten aber nur für ihre jeweilige Branche. Bei den Schokoladenherstellern ist es etwa so, dass nur Milka mit der lila Farbe werben darf.

Eine Farbe komplett für sich beanspruchen, geht das nicht etwas weit?

Stetzer: Ich finde das auch problematisch. Dadurch schränkt man seine Konkurrenten natürlich massiv ein. So etwas können sich nur die großen Unternehmen leisten, das verzerrt den Markt und ist wirklich fragwürdig.

Kann man Aussagen treffen, was einzelne Farben beim Kunden bewirken sollen?

Stetzer: Es gibt viele Meinungen zum Thema Farb-Psychologie. Meine Meinung ist, dass sich da neben kulturellen Besonderheiten nur wenige objektive Aussagen treffen lassen, die über das persönliche Empfinden hinausgehen. Natürlich ist gelb freundlicher als grau und ein dunkles Blau wirkt vielleicht seriöser als eine knallige Farbe. Aber es ist schwer, dazu allgemeingültige Aussagen zu treffen. Dagegen kann man oft beobachten, dass einzelne Branchen zu einer gewissen Farbtonalität tendieren. Medizin-Unternehmen setzen häufig auf klare Blautöne, die Automobilbranche verwendet gerne dynamische Rottöne, der Umweltbereich verwendet das gesamte Grünspektrum...

Andere Marken punkten ja eher mit der Form ihres Logos.

Stetzer: Ja, dafür gibt es schöne Beispiele, etwa der „Swoosh“ von Nike. Das Logo stellt einen Flügel der Siegesgöttin Nike dar, nach der sich die Firma benannt hat. Das Zeichen wurde übrigens von einer Design-Studentin entworfen – für 35 Dollar. Der „Swoosh“ vermittelt Dynamik und Bewegung. Das ist genau die Geschichte, die das Unternehmen erzählen will.

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Foto: Fredrik von Erichsen, dpa
Foto: Fredrik von Erichsen, dpa

Der "Swoosh" von Nike stammt von einer Design-Studentin. Für das Logo hat sie einst 35 Dollar bekommen.

Was meinen Sie mit Geschichte?

Stetzer: Jedes Unternehmen will seinen eigenen Mythos erschaffen. Bei Nike geht es etwa nicht nur um Schuhe. Der Konzern will zeigen, dass sein Produkt schnell und agil macht, für eine eigene Form des Lebens steht. Auch Coca-Cola hat sich eine eigene Geschichte geschaffen. Es geht nicht nur darum, welches Unternehmen die beste Brause herstellt. Das Unternehmen wirbt mit einem Lebensgefühl.

Coca-Cola und Nike sind lange im Geschäft. Wie schaffen sie es, dieses Lebensgefühl noch immer zu vermitteln?

Stetzer: Sie müssen sich natürlich der Zeit anpassen. Die Branche ist ständig im Wandel. Vor allem haben die digitale Entwicklung und das Internet viel verändert. Durch die wachsende Bedeutung der sozialen Medien weiß ein Unternehmen heute sofort, wie es vom Kunden gesehen wird. Und darauf reagieren sie entsprechend. Veränderungen kommen daher in einem immer schnelleren Tempo. Jeder Konzern ist praktisch gezwungen zu reagieren, wenn er seinen Wert halten will.

Aber der Wert hängt doch nicht nur vom Erscheinungsbild ab.

Stetzer: Es gibt heute die Auffassung – und Untersuchungen belegen das – dass der Wert eines Unternehmens zu über 60 Prozent eher ideeller Natur ist. Der wertvollste Teil eines Unternehmens ist also seine Reputation und seine Wahrnehmung in der Öffentlichkeit.

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