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Heiligabend im Krankenhaus: Wie ist es, an Weihnachten zu arbeiten?

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Pflegen statt Feiern: Wie ist es, an Heiligabend zu arbeiten?

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    Krankenpflegerin Larissa Brendel wird auch in diesem Jahr den Spätdienst an Heiligabend im Mindelheimer Krankenhaus übernehmen.
    Krankenpflegerin Larissa Brendel wird auch in diesem Jahr den Spätdienst an Heiligabend im Mindelheimer Krankenhaus übernehmen. Foto: Sina-Lara Nachtrub

    Während die meisten zuhause vor dem Christbaum sitzen, den Weihnachtsbraten genießen oder schon die ersten Geschenke auspacken, steht Larissa Brendel an Heiligabend im Mindelheimer Krankenhaus und misst Vitalzeichen, legt Zugänge und baut Patienten auf, die an diesem Abend lieber ganz woanders wären. Brendel ist stellvertretende Bereichsleitung der Pflege in der Mindelheimer Klinik. Wie auch in den Jahren davor hat sie Spätdienst an Heiligabend. Jedoch nicht, weil sich sonst niemand dafür erbarmt hat – Brendel sucht sich diesen Dienst freiwillig aus.

    Es ist 10 Uhr an einem Mittwochvormittag im Dezember, Brendel kommt gerade aus dem Zimmer eines Patienten. „Ich bin gleich da!“, ruft sie und desinfiziert sich die Hände im Nebenzimmer. Gerade als sie fertig ist, kommt eine Pflegerin auf sie zu, der sie kurz hilft und eine Notiz aufschreibt. „So, jetzt aber“, sagt sie mit entschuldigendem Lächeln, als sie schließlich alle dringenden Aufgaben erledigt hat. Gerade in der Vorweihnachtszeit sei besonders viel los im Krankenhaus, da alle gern noch ihre Behandlungen und Operationen vor den Feiertagen erledigt haben wollen.

    Zwei Pflegekräfte und ein Praktikant sind für 30 Patienten zuständig

    Dazu kommt der Personalmangel, der auch hier in Mindelheim bemerkbar ist. An diesem Tag sind zwei Pflegekräfte und ein Praktikant zuständig für 30 Patientinnen und Patienten. Auf die Frage, wie die Personalsituation vor Ort sei, antwortet Brendel: „Ich sag‘s mal so: Pünktlich komme ich hier eigentlich nie raus.“

    Dennoch macht ihr der Beruf viel Spaß. Bereits in der Schule belegte sie Pflege- und Gesundheitskurse, machte daraufhin ihre Ausbildung und nebenbei einen Bachelor in Pflegewissenschaft. Seit 2019 ist sie ausgelernt. Das Beste an ihrem Beruf? „Einfach alles“, sagt Brendel lachend. Es sei die Kombination aus dem Kontakt mit den Patientinnen und Patienten, das Zwischenmenschliche, die pflegerischen Aufgaben und der Wunsch, mit ihrer Arbeit die Pflege auch weiter voranzubringen.

    Brendel zur Arbeit an Heiligabend: „Es ist ein entspannter Dienst“

    An Heiligabend sei besonders der zwischenmenschliche Teil noch schöner als sonst. „Es ist ein entspannter Dienst“, sagt die 27-Jährige, „aber nicht, weil ich weniger Arbeit hätte, sondern weil die Menschen entspannter und harmonischer sind.“ Viele seien sehr traurig, genau an Weihnachten ins Krankenhaus zu müssen und die Rituale zuhause zu verpassen. „Die muss man dann eher aufbauen, aber dabei kriegt man auch ganz viel zurück“, erklärt Brendel. An Weihnachten bekomme man auch deutlich mehr Anerkennung für seine Arbeit. „Ich arbeite eigentlich gern an Weihnachten“, sagt Brendel.

    Auch weil sie selbst keine Kinder hat und ihre Familie weiter weg wohnt. „Ich gestalte es dann einfach anders und lade zum Beispiel dieses Jahr am 24. Dezember zum Frühstück bei mir ein. Ich finde das eigentlich ganz gut so.“ Besondere Rituale in der Station hätten sie an Heiligabend nicht. Das hängt wohl auch immer davon ab, ob die anderen Pflegekräfte überhaupt Weihnachten feiern. „Eigentlich ist es ein ganz normaler Dienst“, sagt die Krankenschwester.

    Doch wer sind eigentlich die Menschen, die an Heiligabend ins Krankenhaus müssen? Neben schwerkranken und verletzten Personen, die längere Zeit in der Klinik verbringen müssen, kommen laut Brendel an Heiligabend auch immer wieder Menschen mit Bauchschmerzen, weil sie beim Weihnachtsessen zu gut zugegriffen haben. Daneben werden aber auch Menschen aus dem Pflegeheim eingeliefert, die das Heim aufgrund von Personalengpässen nicht versorgen kann. „Das klingt jetzt sehr unschön. Aber es gibt auch noch Angehörige, die schwer Pflegebedürftige daheim haben, die sie dann ins Krankenhaus bringen, um sie über Weihnachten loszuhaben“, berichtet Brendel.

    Die Aggressivität gegenüber Pflegekräften steigt

    Nicht jedes Weihnachten im Krankenhaus hat sie positiv in Erinnerung. Vor knapp einem Jahr wechselte die 27-Jährige von der Notaufnahme zur Chirurgie und Gynäkologie, wo sie auch heute noch ist. „Weihnachten letztes Jahr in der Notaufnahme war ganz schlimm“, erzählt Brendel. Natürlich wollen die Menschen auch dort nicht an Weihnachten im Krankenhaus sein, wie auch die meisten Beschäftigten. Doch statt mit Verständnis und Geduld auf längere Wartezeiten zu reagieren, seien viele Patienten und Besucher aggressiv geworden. „Angefangen hat das während Corona“, erzählt Brendel. Seitdem fiel ihr immer öfter auf, dass die Aggressivität gegenüber den Pflegekräften ansteige.

    Und das, obwohl diese erst vor wenigen Jahren als „Corona-Helden“ gefeiert wurden? „An der Wertschätzung hat sich dadurch nichts verändert“, sagt die 27-Jährige. Manche hätten Verständnis, wenn sie unterbesetzt sind, andere konnten das noch nie nachvollziehen. Am Ende ihrer Zeit in der Notaufnahme hatte Brendle deshalb auch überlegt, die Pflege komplett aufzugeben. Auf ihrer neuen Station geht es ihr inzwischen aber deutlich besser, sagt sie.

    Brendel bastelte für ihre Kolleginnen und Kollegen einen Adventskalender

    Hier sieht sie auch dem Dienst an Heiligabend wieder optimistischer entgegen: „Also ich finde, es ist gar nicht so schlimm an Weihnachten zu arbeiten. Viele haben da auch daheim ganz viel Stress, den habe ich beim Arbeiten zumindest nicht“, erklärt sie schmunzelnd.

    Um den Kolleginnen und Kollegen die Vorweihnachtszeit in der Arbeit etwas zu versüßen, bastelte Brendel sogar einen Team-Adventskalender. An einem Tag war darin ein Spruch über Pflegekräfte, den sie im Internet fand und den sie holt, um zu zeigen, warum sie Engel des Alltags sind: „Pflegekraft: Dieser Alltagsheld kämpft an vorderster Front gegen Krankheiten, den Zahn der Zeit und manchmal auch die Ungerechtigkeit der ganzen Welt. Und all das oft zu Zeiten, in denen der Rest der Welt noch friedlich schlummert.“ Und das gilt besonders an Weihnachten. Die Karte endet mit „Ihr seid spitze!“ – und dem ist nichts hinzuzufügen.

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