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Foto: Cornelia Nigg
Foto: Cornelia Nigg

Boris Mittermeier untersucht hier einen Baum, der offenbar bereits verfault ist. Auch Totholz bietet jedoch wichtigen Lebensraum.

Unterallgäu
10.06.2023

Wie wirkt sich der Klimawandel auf Tiere und Natur im Allgäu aus?

Von Marina Kraut

In den Allgäuer Wäldern leben unzählige Pflanzen und Tiere – doch wer sich nicht an die klimatischen Veränderungen anpassen kann, ist vom Aussterben bedroht.

Es ist noch gar nicht lange her, da wurde in Immenstadt das "Weiße Ordensband" entdeckt. Das ist ein Schmetterling, genauer gesagt ein Nachtfalter. Ein Tier, das schwarz-braune Flügel hat und mit weißen, fast strahlenden Flecken verziert ist. Boris Mittermeier sagt, dass der Schmetterling sich einen Lebensraum mit viel Eichenbestand sucht. Und das vorzugsweise im Norden Bayerns. Jetzt ist das Tier eben auch im südlichen Bayern.

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Wieso es hier ist, hat aber wohl einen Grund, sagt Mittermeier, der stellvertretender Leiter der Fachstelle Waldnaturschutz Schwaben ist. Denn das "Weiße Ordensband" ist eine wärmeliebende Art. Und weil die Durchschnittstemperatur auch hier steigt und mehr Eichen wachsen, traut sich der Nachtfalter hierher.

Was die höheren Temperaturen für Vögel und Co. bedeuten

"Es findet eine richtige Artenumschichtung statt", sagt Mittermeier. Insekten, Vögel und Pflanzen wandern bei den sich ändernden Temperaturen zu. Auch die Zwergohreule kommt mittlerweile ins Allgäu, obwohl sie mit ihren Rufen vorher eher am Mittelmeer auffiel.

Das ist wohl die gute Seite. Es gibt aber auch eine Kehrseite, sagt Mittermeier. Denn wo es Zuzug im Lebensraum Allgäu gibt, gebe es nun auch Arten, die verschwinden oder sogar aussterben. Vor allem Tier- und Pflanzenarten, die in den Allgäuer Hochlagen leben. "Sie kommen schlechter mit der Erwärmung zurecht." Beispielsweise das Auerhuhn, Fichten oder die Zwergbirke. Im Fichtelgebirge ist das Auerhuhn bereits nahezu verschwunden. Die Eiche rücke dagegen weiter nach oben, die Wälder werden so mehr zu Mischwäldern. Insgesamt verschiebe sich die Waldgrenze wegen des Klimawandels sogar deutlich. "Vermutlich um etwa 200 Meter in den nächsten 20 bis 30 Jahren", sagt Mittermeier.

Wie der Wald geschützt wird

Im Dezember 2020 verkündete der Freistaat Bayern eine "wichtige Weichenstellung". Zehn Prozent des Staatswaldes wurden zu Naturwäldern erklärt. Dort finde nun "künftig dauerhaft keine Holznutzung mehr statt", teilt das Bayerische Umweltministerium mit. Mittlerweile handelt es sich um 83.000 Hektar. Das sei zehnmal so groß wie der Chiemsee. Der Wald soll sich dort frei entwickeln. Ein Verbot, die Wälder zu betreten, gebe es aber nicht. Lediglich die Bewirtschaftung wurde eingestellt. Die Biodiversität soll sich selbst überlassen werden. Davon sollen auch die Menschen profitieren. Mit "den eigenen Sinnen" könne so die Waldnatur erlebt werden. In den verbliebenen 90 Prozent des Bayerischen Staatswaldes werde jedoch ebenfalls vieles getan. Neben der Bewirtschaftung gibt es Konzepte, die auf den Schutz des Waldes abzielen. 

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Unter anderem darum kümmert sich die Fachstelle Waldnaturschutz. Jeder, der sieben Regierungsbezirke in Bayern hat eine solche Stelle. Sie unterstützen die Landwirtschaftsämter im Bereich Waldnaturschutz und entwickeln unter anderem Managementpläne für bestimmte Waldarten- und Biotope. Boris Mittermeier arbeitet von Immenstadt aus. Derzeit kooperiert er beispielsweise mit dem Alpinium. Daneben wurde unter anderem für das Auerhuhn vieles getan: Es gibt Bereiche, die frei von Störung sind, also nahezu gesperrt, damit sich das Tier ausbreiten kann. "Wir tun das, was wir machen können", sagt Mittermeier.

Monitoring von Pflanzen und Tieren: Wie es gemacht wird

Seine Fachstelle ist auch für das sogenannte Monitoring der Pflanze Frauenschuh oder des Froschlurchs Gelbbauchunke zuständig. Dieses gezielte, über Jahre andauernde Beobachten von bestimmten Pflanzen- und Tierarten passiert europaweit. Durch das Monitoring lasse sich laut Mittermeier feststellen, wie sich Arten entwickeln. Ergebnisse können mit anderen Jahren und Orten verglichen werden. 

Beim Frauenschuh beobachtet er auf festgelegten Flächen, ob die Pflanze mehr geworden ist oder ob sie überhaupt blüht. Oder wie viele Sprossen sie hat. Die Daten werden dann bayernweit zusammengefasst, nach Bonn geschickt und von dort nach Brüssel zur EU. Alle sechs Jahre gibt es einen Bericht. Momentan sei es noch zu früh, eine Aussage über die Population des Frauenschuhs zu treffen, sagt Mittermeier. Die Pflanze bereite der Fachstelle aber "keine großen Sorgen".

Niemand wolle nur stillgelegte Wälder

Es sei in keinem Fall Ziel, nun alle Wälder stillzulegen, nur um so Arten- und Waldschutz zu betreiben. Das sei auch gar nicht möglich. Bewirtschaftete Wälder und der Rohstoff Holz seien notwendig. "Es braucht ein Mosaik", sagt Mittermeier. Also eine Mischung aus bewirtschafteten und unbewirtschafteten Wäldern.

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