Der dumme Streit um die Impf-Info eines Pfuhler Hausarztes

02.01.2021

Das Corona-Virus hat nicht nur gesundheitliche sondern auch gesellschaftliche Spätfolgen. Unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit wird munter gepöbelt und gespalten.

Eigentlich müsste dieser Kommentar besser mit dem Titel „Dieses Jahr“ überschrieben sein, denn er reicht weit über das hinaus, was sich nur „Diese Woche“ zugetragen hat. Doch das ist symptomatisch für eine Stimmungslage, die sich in Teilen der Bevölkerung aufgebaut hat.

Das Coronavirus hat nicht nur medizinische Spätfolgen – nicht wenige, die Covid-19 überstanden haben, leiden weiter unter Gesundheitsproblemen – sondern auch gesellschaftliche. Der Riss, der sich seit der sogenannten Flüchtlingskrise aufgetan hat, ist durch den winzigen Erreger deutlich tiefer geworden. Gezeigt hat sich das exemplarisch an der Info-Aktion des Pfuhler Hausarztes Dr. Christin Kröner. Er hat kurz vor Weihnachten ein Merkblatt zu den Corona-Impfungen ins Netz gestellt und befindet sich nun in einem veritablen Shitstorm. Er musste sich als „Mörder und Hochverräter“ beschimpfen lassen, als „Verbrecher der Pharmaindustrie“ und „Schande für den Berufsstand“. Manche Kommentare muss man auch in Original-Rechtschreibung wiedergeben, wie diesen: „Impf dich doch selber dan sind wir solche scheiss Ärzte wie dich schnell los! Man sollte dir die Praxis abbrennen für so ein drecks blatt!“

Die Pöbler schimpfen über das Pfuhler Info-Blatt

Das sollten sich alle selbst ernannten Verteidiger von Grundrechten auf der Zunge zergehen lassen: Da macht ein Fachmann von seinem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch und bekommt als Antwort: „Man sollte dir die Praxis abbrennen“. Geht’s noch? Nein, das geht nicht mehr! Die Debatte um das Info-Blatt tobt deutschlandweit, doch zum Glück finden sich sehr viele, die den Pöblern Paroli bieten und den Glauben an eine sachliche Argumentation nicht verloren haben. Es bleibt dabei: Die Krakeeler sind nur eine laute Minderheit, doch sie können ein gesellschaftliches Klima ganz schön eintrüben.

Jeder Mensch muss für sich entscheiden, ob er sich impfen lassen will, das ist Privatsache, auch wenn sehr sehr viel dafür spricht, sich den Piks geben zu lassen. Risiken gibt es immer, denn jedes wirksame Medikament hat Nebenwirkungen, jeder medizinische Eingriff birgt die Gefahr, dass er schief gehen kann. Doch niemand würde ein Operationsteam als Mörderbande beschimpfen, nur weil bei der OP die Chance besteht, dass Komplikationen auftreten.

Die Fehler der Impf-Kampagne müssen kritisiert werden

Natürlich muss auch kritisiert werden, dass bei den jetzt angelaufenen Impfungen nicht alles einwandfrei läuft, doch das hat etwas mit Organisationsproblemen zu tun, die schleunigst zu lösen sind, um das Vertrauen in diese Immunisierungskampagne zu stärken.

Nachdem nun Impfstoffe gegen das Coronavirus gefunden sind, müsste eigentlich jemand eine Immunisierung gegen Hass und Verblendung finden. Die gibt es leider nicht in der Spritze. Da hilft nur: nicht die Nerven verlieren und sachlich gegenargumentieren – auch um zu zeigen, dass die Lauten nicht die Mehrheit bilden. Michelle Obama hat den schönen Satz gesagt: „When they go low, we go high“, frei übersetzt: Wenn die Anderen das Niveau (der Debatte) absenken, werden wir unseres anheben. In diesem Sinne: Auf ein besseres Jahr 2021!

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