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Foto: Kröner/Privat
Foto: Kröner/Privat

Der Pfuhler Hausarzt Dr. Christian Kröner (links) geht gegen die Impfstoff-Verschwendung vor. Er hat eine Petition beim bayerischen Landtag eingereicht.

Neu-Ulm
24.02.2021

Verschwendung von Corona-Impfstoff: Pfuhler Hausarzt reicht Eil-Petition beim Landtag ein

Von Michael Kroha

Nach Ansicht von Dr. Christian Kröner landet täglich Corona-Impfstoff im Müll, der eigentlich Leben retten könnte. Der Hausarzt aus Pfuhl startet jetzt eine Petition.

Impfstoff ist rar. Die Menschen warten zum Teil Wochen und Monate auf einen Termin: Im Kampf gegen die aus seiner Sicht vermeidbare Verschwendung von Corona-Impfstoff geht der Pfuhler Hausarzt Dr. Christian Kröner jetzt den nächsten Schritt. Der Allgemeinmediziner, der in den Impfzentren im Landkreis Neu-Ulm Spritzen verabreicht, hat am Dienstagabend eine Eil-Petition beim bayerischen Landtag eingereicht. Der 39-Jährige will verhindern, dass weiterhin Reste des wertvollen Vakzins im Müll landen.

Kröner wird in seinem Schreiben an den Landtag, das auch unserer Redaktion vorliegt, deutlich: "Wir befinden uns in einer Corona-Pandemie, die jeden Tag hunderte Menschenleben kostet. Es besteht absoluter Impfstoffmangel, um die Bevölkerung schnellstmöglich mit der lebensrettenden Impfung zu versorgen."

Trotzdem werde nach Ansicht des Impfarztes jeden Tag intaktes Vakzin nicht verwendet und müsse zwangsweise entsorgt werden. Und das nur aus juristischen Zulassungsgründen - und weil die Landesregierung nicht handle, so Kröner, der kurz vor Weihnachten mit einem spontanen Info-Zettel zur Corona-Impfung vor allem im Netz für Furore sorgte - dafür aber auch zum Teil einen gewaltigen Shitstorm erleben musste.

Impfstoff-Verschwendung: Dr. Kröner rechnet dem Landtag vor

Es geht dem Notarzt - wie bereits berichtet - unter anderem um die siebte Spritze beim Comirnaty-Impfstoff des Herstellers Biontech/Pfizer. In seinem Antrag schlüsselt er das Dilemma anschaulich auf: 0,45 Milliliter des Impfstoffes würden nach Herstellervorgabe mit 1,8 Milliliter Kochsalzlösung verdünnt. Das ergebe insgesamt eine Impflösung von 2,25 Milliliter. Pro Impfung würden davon aber lediglich 0,3 Milliliter benötigt. Rein rechnerisch wäre es also möglich, 7,5 Spritzen für Impfungen herzustellen.

Dass beim Aufziehen der Spritzen geringe Verluste entstehen, erkennt Kröner an. Mit sogenannten "totraumarmen" Nadeln und Spritzen aber sei in etwa 80 Prozent der Fälle das Gewinnen einer vollständigen siebten Dosis möglich, schreibt er.

Am Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung in Nürnberg-Heroldsberg wurde dieses Phänomen in einem Experiment von Professor Fritz Hörgel untersucht. Er sagt im Gespräch mit Report München: Auch wenn nicht jedes Impfzentrum es schaffen würde, den letzten Rest aus einem Döschen in eine Spritze zu ziehen, könnte in 60 bis 70 Prozent der Fälle eine siebte Spritze zur Verfügung stehen.

Corona-Impfstoff landet im Müll: Woran liegt das?

Warum wird also nicht so gehandelt? Der Knackpunkt: Die Zulassung der EMA (europäische Arzneimittelagentur) sieht vor, dass nur sechs Spritzen entnommen werden. Anfangs waren es sogar nur fünf. An diese Vorgabe müssen sich auch alle staatlich geführten Impfzentren in Bayern und somit auch im Landkreis Neu-Ulm halten. Das Überbleibsel landet also aktuell im Müll. Und das Problem bestehe nicht nur beim Impfstoff von Biontech/Pfizer. So seien beim Vakzin vom Hersteller Astra Zeneca bis zu zwölf statt der zehn Dosen zu entnehmen. Auch bei Moderna könnte man mehr entnehmen, "wenn man möchte", schreibt der Facharzt für Innere Medizin.

Kröner erklärt weiter: In anderen Ländern Europas würde die siebte Dosis längst verwendet. Dänemark habe inzwischen mit 100 Prozent gelieferter Biontech-Dosen 107 Prozent Personen verimpft. Doch auch in Deutschland gebe es Bundesländer, die entsprechend verfahren. Im vom neuen CDU-Vorsitzenden Armin Laschet geführten Nordrhein-Westfalen hat ein Ministerialerlass die siebte Spritze genehmigt, was laut den Berechnungen des Hausarztes umgehend 15 Prozent mehr Impfstoff bedeuten würde. Auf die bisher in Deutschland verwendeten Impfdosen gerechnet, wären das mehr als alle Einwohner Wiesbadens. In der hessischen Hauptstadt leben nach eigenen Angaben um die 290.000 Menschen.

Kröners Appell an den Landtag in Bayern: "Retten Sie bitte Menschenleben"

Kröners Appell daher an den bayerischen Landtag: "Retten Sie bitte Menschenleben und verhindern Sie, dass Menschen grundlos aufgrund Impfstoffmangels an Corona sterben müssen, während aus rein juristischen Gründen jeden Tag Tausende Impfdosen ungenutzt entsorgt werden!"

Gegenüber dem BR erklärte das bayerische Gesundheitsministerium jüngst: Eine siebte Impfung sei den Ärzten zwar erlaubt, aber bei der Haftungsfrage sieht das Ministerium den Arzt in der Verantwortung, sollte ein Schaden entstehen. Schließlich nutze er den Impfstoff "Off-Label", also außerhalb der Maßgabe der Arzneimittelbehörde. Für Kröner ist das aber eine Vorgehensweise, die nicht hinnehmbar ist. Schließlich handle es sich um ein vom Freistaat Bayern geführtes Impfzentrum. Da könne nicht der Arzt haftbar gemacht werden. "Dieses Vorgehen der Impfstoffverschwendung kostet massiv Menschenleben und ich kann es nicht mit meinem ärztlichen Gewissen vereinbaren, dieses Vorgehen ungehört zu tolerieren", so der Pfuhler Arzt, der seine Petition auf der Internetseite seiner Praxis veröffentlicht hat.

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