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Foto: Stefan Rousseau/PA Wire, dpa
Foto: Stefan Rousseau/PA Wire, dpa

Polizisten arbeiten im Waterglade Industrial Park, nachdem 39 Leichen in einem Lkw-Container im Industriegebiet gefunden wurden.

Großbritannien
24.10.2019

39 Leichen in Lastwagen gefunden: Tote stammen aus China

Von Katrin Pribyl

Im Laderaum eines Lastwagens werden nahe London 39 Leichen entdeckt. Am Donnerstag bestätigte die Polizei: Die Toten kommen aus China.

Maurice Robinson, so soll er es einem Freund erzählt haben, erledigte noch Papierkram, bevor er die Tür seines Lkw-Containers öffnete, hinter der er Kekse und Pilze aus Irland vermutete. Stattdessen fand der 25-jährige Brite 31 Männer und acht Frauen, übereinanderliegend, vermutlich erfroren in dem bis zu minus 25 Grad kalten „Metall-Sarg“, wie Medien den schalldichten Anhänger jetzt nennen.

Leichen aus Lastwagen stammen aus China

Ein Entrinnen gab es für die 39 Menschen nicht. Sie stammen alle aus China. Zunächst hieß es, dass auch ein Teenager unter den Toten sei. Laut Behörden wurde jedoch eine junge Frau erst irrtümlich für eine Jugendliche gehalten.

Wer sind die Toten? Wurden sie Opfer einer Gruppe der Organisierten Kriminalität? Sollten sie von Menschenschmugglern als Sklaven ins Königreich gebracht werden? Gehandelt und verkauft von Gangs, um in Restaurants oder Bordellen zu schuften? Noch ist wenig über die Hintergründe der Tragödie bekannt, die Polizei ermittelt nach eigenen Angaben in alle Richtungen. Sie spricht von einer „langwierigen Untersuchung“. Die Identifizierung der Opfer habe oberste Priorität. Am Fundort, wo Ermittler auch am Donnerstag möglichen Spuren nachgehen, haben Menschen Blumen vor die Absperrbänder gelegt.

Bekannt ist mittlerweile der letzte Abschnitt der langen Reise auf die Insel. Er führte die 39 Menschen vom belgischen Zeebrugge aus per Schiff nach Purfleet an der Themse, wo der Sattelauflieger Mittwochnacht um 0.30 Uhr ankam. Seit wann sich die Chinesen in dem Lastzug befanden, ist unklar. Robinson holte den Container-Auflieger mit seinem Lkw ab und brachte ihn in den nahen Industriepark in Grays in der Grafschaft Essex, einem beliebten Übernachtungsort für Fahrer.

Aufnahmen einer Überwachungskamera zeigen den Lkw mit dem bulgarischen Kennzeichen um 1.10 Uhr im Gewerbegebiet. Kurz darauf öffnet Robinson, den alle nur Mo nennen, die Tür, sieht die Leichen – und wählt dann den Notruf. Die kurz darauf eintreffenden Rettungskräfte können nichts mehr tun. „Er war absolut entsetzt“, wird ein enger Freund von Robertson in britischen Medien zitiert. Der Nordire wurde festgenommen, er steht unter Mordverdacht.

Die Lkw-Tragödie erinnert an einen Fall aus dem Jahr 2000

Unklar ist, ob Robinson von seiner Fracht wusste oder die Leichen zufällig entdeckte. Die Polizei in Nordirland ermittelt am Donnerstag weiter in seinem Umfeld. Robinson, dessen Partnerin Zwillinge erwartet, stamme aus der „nettesten Familie, die man sich vorstellen kann“, sagt sein Freund.

Laut bulgarischen Behörden wurde der Lkw 2017 in der Hafenstadt Varna registriert. Bulgariens Regierungschef Bojko Borissow gab bekannt, dass das Fahrzeug wenige Tage danach das Land verließ und seitdem nicht mehr zurückkehrte.

Großbritannien wird mit dieser Tragödie an einen Fall aus dem Jahr 2000 erinnert, bei dem ebenfalls Chinesen ins Land geschmuggelt werden sollten. Zollbeamte am Hafen von Dover kontrollierten einen vorgeblich mit Tomaten beladenen Kühlcontainer – und entdeckten stattdessen die Leichen von 58 Menschen. Alle waren qualvoll erstickt. Ihnen war die Luft ausgegangen, da hatten sie nach wochenlanger Reise bereits britischen Boden erreicht. Zwei junge Männer konnten gerade noch gerettet werden.

Insbesondere seit der Flüchtlingskrise in Europa wurden die Kontrollen in den Kanalhäfen verschärft und vor allem in Dover wurden die Sicherheitsmaßnahmen – in Zusammenarbeit mit den französischen Behörden – verstärkt. Trotzdem versuchen nach wie vor zahlreiche Migranten, auf die andere Seite des Ärmelkanals nach Großbritannien zu gelangen, indem sie auf Lkw aufspringen, sich unter die Lastzüge klammern oder versuchen, in Container einzudringen. Immer wieder kamen Menschen bei solchen gefährlichen Manövern ums Leben.

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