
Übertragung von Krankheiten: Kontakt mit Tieren kann Risiko sein


Zoonosen sind Krankheiten, die von Tier auf Mensch übertragen werden. Professor Thomas Mettenleiter erklärt, wie diese Übertragung, etwa des Coronavirus, reduziert werden kann.
Im Zusammenhang mit dem Coronavirus sind Krankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragen werden, sogenannte Zoonosen, in den Blick gerückt. Herr Mettenleiter, im Friedrich-Loeffler-Institut testen Sie derzeit einen potenziellen Corona-Impfstoff an Frettchen. Wie ist der aktuelle Erkenntnisstand: Haben wir uns das Virus tatsächlich über Fledermäuse eingefangen, haben wir es also mit einer Zoonose zu tun?
Prof. Thomas Mettenleiter: Sars-CoV-2 ist ein zoonotischer Erreger, der nicht nur Menschen, sondern auch Tiere infizieren kann. Die Indizien sprechen stark dafür, dass der Ursprung bei Fledermäusen in China liegt.
Wie hoch schätzen Sie die Gefahr durch Zoonosen in Deutschland ein?
Mettenleiter: 60 Prozent der menschlichen Infektionskrankheiten stammen ursprünglich von Tieren, darunter die Schweinegrippe und Tollwut. Bei neu auftauchenden Erkrankungen sind es sogar etwa 75 Prozent. Das verwundert nicht, weil der Mensch biologisch Teil des Tierreichs ist. Dass solche Erreger dann auch Menschen befallen, ist nicht überraschend.

Der Kontakt mit Tieren ist ein potentielle Risiko, Krankheiten auf den Menschen zu übertragen
Viele befürchten, Pandemien wie das Coronavirus könnten in Zukunft öfter drohen. Wie realistisch ist die Sorge, dass Zoonosen häufiger die Gesundheit oder gar das Leben von Menschen gefährden?
Mettenleiter: Pandemien sind Teil der Menschheitsgeschichte, das ist grundsätzlich also nichts Neues. Schaut man sich die vergangenen zehn, elf Jahre mit Schweinegrippe, Ebola, MERS und weiteren Epidemien an, kann allerdings der Eindruck entstehen, dass sich Zoonosen häufen. Ich bin da vorsichtig, der Zeitraum ist eigentlich zu kurz, um eine seriöse tiefergehende Aussage zu treffen. Mit HIV, Tuberkulose und weiteren Erkrankungen kennen wir auch aus den vergangenen Jahrzehnten gefährliche, ursprünglich aus dem Tierreich stammende Infektionen, die sich bei Menschen verbreitet haben.
Wie genau „entstehen“ Zoonosen, wie kommt es also, dass bestimmte Krankheiten auf den Menschen übertragbar sind und andere nicht?
Mettenleiter: Manche Infektionen sind recht klar an einen spezifischen Wirt gebunden. Demgegenüber stehen Generalisten, mit denen sich zahlreiche Tiere und auch Menschen infizieren können. Jede Tierart hat sozusagen ein eigenes Erregerspektrum mit Krankheiten, für die sie empfänglich ist. Obwohl wir zum Beispiel eine große genetische Übereinstimmung mit Affen haben, sind nicht alle Infektionen, von denen sie befallen werden, auch auf den Menschen übertragbar.
Müssen Menschen in Deutschland bei Begegnungen mit Tieren grundsätzlich Angst haben, sich eine Krankheit einzufangen?
Mettenleiter: Durch das erwähnte individuelle Erregerspektrum verhält es sich ein wenig wie bei einer Wundertüte: Ganz klar kann man nie sagen, wo, wann und von welchem Tier man sich etwas einfangen könnte – und was genau. Viele Zoonosen, ich denke da unter anderem an die Tollwut, Rindertuberkulose und Brucellose, haben wir in Deutschland so gut wie ausgerottet, andere wie die Salmonellosen sind stark zurückgegangen. Der Status, was das angeht, ist in Deutschland insgesamt gut.
Ein bewusster Umgang mit Tieren kann die Übertragung von Infektionen wie Corona reduzieren
Könnten Zoonosen in Zukunft auch ganz verschwinden, wenn wir uns entsprechend verhalten?
Mettenleiter: Das glaube ich nicht, denn Zoonosen sind Teil der Biologie. In welchem Ausmaß solche Infektionen stattfinden, beeinflussen wir aber selbst mit. In der Corona-Krise hat sich gezeigt, wie sehr gewisse hygienische Verhaltensweisen bei uns in den Hintergrund getreten waren. Wir sollten die Sinne schärfen und auch im Umgang mit Tieren einige Standards einhalten – häufiges Händewaschen, keinen zu engen Kontakt und Ähnliches.
Welche Rolle spielt der legale und illegale Wildtierhandel, den die Bundesregierung nun eindämmen will, bei der Entstehung von Zoonosen?
Mettenleiter: Grundsätzlich stellt ein enger Kontakt mit Tieren, entsprechend auch der mit Wildtieren, ein potenzielles Risiko für zoonotische Infektionen dar. Und exotische Tiere können dann eben auch „exotische“ Erreger tragen. Insofern bin ich der Meinung, dass eine intensivere Kontrolle des Wildtiermarkts, zum Beispiel mit Registern und einer Nachvollziehbarkeit der Besitzer, eine gute Maßnahme wäre.
Inwiefern halten Sie es für effektiv, wenn nur Deutschland seine Regeln zum Wildtierhandel ändert? Erachten Sie ein komplettes Verbot des Wildtierhandels als sinnvoll?
Mettenleiter: Das löst die Problematik sich ausbreitender Krankheiten von Wildtieren auf den Menschen nicht vollkommen. Dennoch halte ich es bei korrekter Umsetzung und Überwachung für einen Schritt in die richtige Richtung, wenn einzelne Länder bei der Regulierung des Wildtierhandels vorangehen. Ein komplettes Verbot birgt die Gefahr des weiteren Ausweichens in die Illegalität, das muss vermieden werden.
Professor Thomas Mettenleiter: Zoonosen sind Krankheiten, die von Tier auf Mensch übertragen werden
Welche weiteren Konsequenzen bringt der Wildtierhandel mit sich?
Mettenleiter: Der Name Wildtiere sagt ja schon aus, dass wir es mit Tieren zu tun haben, die nicht in menschliche Obhut gehören. Ich will nicht kategorisch das Verbot jeglichen Wildtierhandels fordern, es gibt sicher begründete Ausnahmen. Dass der aber nicht dem natürlichen Gang der Dinge entspricht, sollte jedem bewusst sein. Dazu möchte ich aber einen Punkt ergänzen.
Sehr gerne...
Mettenleiter: Die Ausbreitung von Zoonosen ist ein komplexer Prozess, sie betrifft nicht allein den Wildtierhandel. Durch die drastische Zunahme der menschlichen Bevölkerung hat der Kontakt mit Tieren, auch Wildtieren, zugenommen und damit auch der Anteil der Zoonosen. Zwei Dinge sind wichtig: erstens die von mir angesprochene Einhaltung hygienischer Standards, zweitens die rechtzeitige Eindämmung von Infektionen, solange sie noch lokal eingrenzbar sind.
Zur Person: Prof. Dr. Thomas Mettenleiter, 63, leitet das Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit.
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