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Foto: Andreas Arnold, dpa
Foto: Andreas Arnold, dpa

Polizisten und Feuerwehrleute spannen im Hauptbahnhof eine weiße Plane als Sichtschutz vor den ICE, der das Kind mitgerissen hatte.

Frankfurt
29.07.2019

Mann stößt Kind vor ICE - Psychologe spricht von "tickenden Zeitbomben"

Von Sarah Ritschel

Ein Mann schubst in Frankfurt ein Kind vor einen Zug, es stirbt im Gleisbett. Psychologe Adolf Gallwitz erklärt, was Menschen zu einer solchen Attacke verleitet.

Es ist der zweite Fall innerhalb gut einer Woche: Ein 40-jähriger Mann hat am Montag am Frankfurter Hauptbahnhof offenbar aus heiterem Himmel einen achtjährigen Jungen und seine Mutter vor einen einfahrenden ICE gestoßen und dasselbe bei einer weiteren Person versucht. „Das Kind wurde vom Zug überrollt und tödlich verletzt, es starb noch im Gleisbett“, sagte Polizeisprecher Thomas Hollerbach. „Der 40 Jahre alten Mutter ist es noch gelungen, sich zur Seite zu rollen und zu retten.“

Erst am Samstag vor einer Woche hatte im nordrhein-westfälischen Voerde ein 28 Jahre alter Mann eine 34-Jährige vor einen Regionalzug gestoßen. Auch die Mutter einer Tochter erlag ihren Verletzungen.

Was verleitet jemanden zu so einer Attacke? In beiden Fällen sieht alles danach aus, als hätten die Täter ihre Opfer rein zufällig ausgewählt. Polizeipsychologe Adolf Gallwitz nimmt an, dass die Verdächtigen eins verbindet: „Das sind Menschen mit einer extrem aggressiven Persönlichkeit.“ Manchmal reiche ein Blick des Opfers, um den Täter explodieren zu lassen. Manchmal sei überhaupt kein Grund ersichtlich. „Diese Menschen laufen wie tickende Zeitbomben herum und warten nur auf eine Möglichkeit, ihre Aggressivität loszuwerden.“ Gallwitz zufolge gibt es keine Statistiken, die zeigen, wie viele Menschen in Deutschland von einer solch übersteigerten Aggressivität betroffen sind.

Bundespolizei geht nicht nur am Frankfurter Bahnhof Streife

Der Angreifer von Frankfurt, der kurz nach dem tödlichen Stoß festgenommen wurde, soll nach ersten Ermittlungen der Frankfurter Polizei aus Eritrea stammen. Mehr ist über seinen Hintergrund bislang nicht bekannt. Fallanalytiker Gallwitz, der lange an der Polizeihochschule in Villingen-Schwenningen Ermittler schulte, erklärt, dass auch eine persönliche Traumatisierung einen Menschen zu solch einer Tat treiben könne.

„Angesichts mehrerer schwerwiegender Taten in jüngerer Zeit“ hat am Montag Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) seinen Urlaub unterbrochen, um die Chefs der deutschen Sicherheitsbehörden zu treffen. Die Öffentlichkeit will er an diesem Dienstag über die Ergebnisse informieren. Er wünsche Angehörigen und Freunden des getöteten Jungen Kraft, sagte Seehofer und versprach dem Land Hessen Hilfe bei der Aufklärung der Tat – etwa durch das Bundeskriminalamt oder die Bundespolizei.

Kind stirbt in Frankfurt: Bei der Bahn ist man „geschockt“

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Foto: Andreas Arnold, dpa
Foto: Andreas Arnold, dpa

Nach der Tat ermittelt die Polizei unter Hochdruck. Beamte laufen auch auf Deutschlands Bahnhöfen Streife.

Deren Beamte kümmern sich um die Sicherheit an deutschen Bahnhöfen. Allein für die großen Bahnhöfe im Münchner Raum sind 300 Bundespolizisten abgestellt. Wolfgang Hauner ist ihr Pressesprecher. „Unsere Beamten machen vor allem Streifengänge an den Bahnsteigen“, berichtet er. Die Polizisten tragen Uniform, damit sie für die Reisenden sofort erkennbar sind. Die Bundespolizei arbeitet mit der DB Sicherheit zusammen – dem privaten Security-Dienst der Bahn.

Nach den beiden tödlichen Zwischenfällen in Frankfurt und Voerde werde man zumindest in München keine zusätzlichen Vorkehrungen treffen, sagt Hauner. Nach aktuellem Stand kamen beide Angriffe aus dem Nichts und waren für die Sicherheitskräfte nicht vorherzusehen. Fahrgästen schärft Hauner aber ein, sich sofort bei der Polizei zu melden, sobald sie etwas Verdächtiges bemerken „lieber einmal zu viel als zu selten“.

„Geschockt“ sei man bei der Deutschen Bahn, sagte ein Sprecher unserer Redaktion. Derzeit sei man in Gedanken bei Angehörigen des Opfers. Konkrete Ideen, wie man solche Taten verhindern könnte, seien gestern darum nicht diskutiert worden.

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