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Jahresausblick: Politik im Krisenmodus wird zum Dauerzustand in Deutschland

Jahresausblick

Politik im Krisenmodus wird zum Dauerzustand in Deutschland

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    Ein Bild mit Symbolkraft: Harte (politische) Arbeit haben die  Spitzen der Ampel-Koalition zu verrichten (von links): Robert Habeck, Olaf Scholz und Christian Lindner.
    Ein Bild mit Symbolkraft: Harte (politische) Arbeit haben die Spitzen der Ampel-Koalition zu verrichten (von links): Robert Habeck, Olaf Scholz und Christian Lindner. Foto: Sina Schuldt, dpa

    Nach fast zwei Pandemie-Jahren müsste es doch endlich wieder aufwärtsgehen – so dachten viele Menschen zum Beginn dieses nun zu Ende gehenden Jahres 2022. Schlimmer kommen könne es ja kaum. Auch die neue Ampel-Regierung war optimistisch gestartet: "Mehr Fortschritt wagen", stand über ihrem Koalitionsvertrag. Bekanntlich kam es anders, kam es schlimmer. Putins Überfall auf die Ukraine hat das Bündnis aus SPD, Grünen und FDP schon in seinem ersten Jahr vor historische Herausforderungen gestellt. Und auch 2023, so viel ist klar, wird ganz im Zeichen der Krisenbewältigung stehen. 

    Umfragen: Ampel-Koalition hätte in Deutschland aktuell keine Mehrheit

    Statt um Fortschritt geht es darum, dass das Land nicht allzu weit zurückfällt. Genügen die milliardenschweren Hilfspakete, die die Bundesregierung geschnürt hat, um die größten Härten der Energie- und Inflationskrise für die Bürgerinnen und Bürger abzufedern? Reicht das Gas überhaupt über den Winter, kommt es zu Stromausfällen? 

    Es sind bange Fragen, die sich gleich in den ersten, kalten Monaten des neuen Jahres stellen. Kanzler Olaf Scholz (SPD) und sein Kabinett werden befriedigende Antworten liefern müssen, sonst geht es in der Wählergunst noch weiter bergab. Nach jüngsten Umfragen käme die Ampel aktuell auf keine Mehrheit mehr. Existenziell wird es gerade für die FDP, die für ihre eigene Klientel viel zu wenig und für fast alle anderen viel zu sehr als wirtschaftsfreundliche Opposition in einer tendenziell linken Regierung wahrgenommen wird. Entgegen seinen Versprechungen musste Parteichef Christian Lindner Schulden in Rekordhöhe aufnehmen, und der Ruf nach weiteren Ausgaben dürfte nicht leiser werden. 

    Bei den Einnahmen sieht es düster aus, Experten befürchten einen schmerzhaften Rückgang der Wirtschaftsleistung, Kreditzinsen steigen. Angesichts der explodierenden Energiepreise fürchten viele, dass Deutschland sich als Industrieland nicht auf Dauer behaupten kann. Vom grünen Wirtschafts- und Energieminister Robert Habeck hängt es ab, ob Gas und Strom dauerhaft knapp und teuer bleiben. Noch reichen die erneuerbaren Energien längst nicht aus. Die Wirtschaft drängt auf Kompromisse, auch bei Kohle, Gas und Kernkraft, doch Habecks Parteibasis und zunehmend radikale Klima-Aktivisten fordern mehr Tempo bei der Energiewende. 

    In der Krise müssen Regierung und Opposition liefern

    Kanzler Scholz hat viel Arbeit vor sich, um das Versprechen einer Zeitenwende einzulösen, das er im Februar im Bundestag gab. Speziell die Ertüchtigung der in den Jahrzehnten zuvor kaputtgesparten Bundeswehr kommt längst nicht so schnell voran, wie gedacht. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) wird für den Kanzler zunehmend zur Belastung. Brisant könnten die Debatten um Waffenlieferungen an die Ukraine werden. Sollte Deutschland dem bedrohten Land doch mit Panzern helfen? Selbst wenn die Kämpfe aufhören sollten, wird der Wiederaufbau des geschundenen Landes Europa und Deutschland vor riesige Aufgaben stellen. Auch die Unterbringung von hunderttausenden Flüchtlingen aus der Ukraine bleibt eine Herausforderung. 

    In einer derartigen Krise kommt es nicht nur auf die Regierung an, sondern auch auf die Opposition. Friedrich Merz, Unions-Fraktionsvorsitzender und CDU-Chef, musste lernen, dass lähmende Fundamentalopposition nicht gut ankommt. Doch zunehmend findet er in seine Rolle, trotzte der SPD etwa einige Zugeständnisse beim Bürgergeld ab – ohne die Reform ganz zu verhindern. Gekonnt hätte er das wegen der Stärke der Union im Bundesrat. 

    Viermal wird 2023 gewählt

    2023 wird gewählt, planmäßig eigentlich nur dreimal. Dass es sogar vier Wahlen gibt, hat das Berliner Verfassungsgericht entschieden: Gleich im Februar muss die Wahl zum Abgeordnetenhaus wiederholt werden. Der peinliche Grund: chaotische Zustände, die den ersten Versuch im September 2021 überschattet hatten. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey von der SPD muss um ihr Amt bangen. Ihre Stellvertreterin Bettina Jarasch von den in den Umfragen führenden Grünen könnte sie ablösen. Verlöre die Kanzlerpartei SPD die Macht an die Grünen, könnten die Genossen auch im Bund nervös werden. Werden dann in der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP noch stärker die Ellbogen ausgefahren? 

    Die Bürgerschaftswahl im Mai im Stadtstaat Bremen mit seinen nicht einmal 700.000 Menschen fällt zwar eher unter die Kategorie Momentaufnahme, könnte aber dennoch spannend werden. Seit den 1940er Jahren wird die Freie Hansestadt von SPD-Bürgermeistern regiert. 

    Tritt Nancy Faeser in Hessen an?

    Bundesweit mit Spannung erwartet wird die Landtagswahl in Hessen. Nicht nur, weil es um das fünftgrößte Bundesland geht. Die Frage, wer die Hessen-SPD in den Wahlkampf führt, hängt eng mit einem Schlüsselposten im Kabinett von Bundeskanzler Olaf Scholz zusammen: Dass Innenministerin Nancy Faeser gerne Ministerpräsidentin ihrer hessischen Heimat werden wolle, wird schon seit ihrer überraschenden Berufung vor einem Jahr gemunkelt. 

    Tritt Faeser an, stellt sich die Frage, ob sie gleichzeitig in ihrer Heimat Wahlkampf machen und in Berlin die Sicherheit der Republik gewährleisten kann. Würde sie sich ganz auf Hessen konzentrieren, bräuchte Scholz eine neue Innenministerin, womöglich käme es sogar zu einer größeren Rochade im Kabinett. Doch für Faeser ist die Entscheidung heikel: Amtsinhaber Boris Rhein von der CDU sitzt scheinbar fest im Sattel, führt die Umfragen an, auch die Grünen sind stark. Falls Faeser antritt und verliert, könnte sie nicht so einfach nach Berlin zurückkehren. So oder so: Die Hessen-Wahl dürfte zum Gradmesser für die Bundespolitik werden. 

    Der Höhepunkt des Wahljahres steht in Bayern an

    Ebenfalls im Herbst kommt es zum Höhepunkt des Wahljahres 2023. Wenn im Freistaat Bayern ein neuer Landtag bestimmt wird, sieht der Rest der Republik ganz genau hin. Anzeichen für einen dramatischen Machtwechsel gibt es derzeit nicht. Die CSU von Ministerpräsident Markus Söder rangiert in Umfragen um die 40 Prozent. Für eine Fortsetzung der Koalition mit den Freien Wählern stehen die Chancen also gut. Bleibt der große christsoziale Traum, wieder allein die Regierung zu stellen...

    Er dürfte auch 2023 viel von sich reden machen: Markus Söder.
    Er dürfte auch 2023 viel von sich reden machen: Markus Söder. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Eine Regierung ohne CSU ist zwar nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich. Zwar sind die bayerischen Grünen längst eine starke Kraft geworden, doch SPD und FDP sind im Freistaat schwächer als anderswo. Eine Ampel wie im Bund erscheint kaum denkbar. Zurücklehnen kann Söder sich aber nicht. Ein schwaches Wahlergebnis würde seine Stimme im bundespolitischen Konzert dämpfen, und auch als möglicher Kanzlerkandidat der Union wäre er aus dem Spiel. Der Machtmensch aus Franken dürfte also alles daransetzen, möglichst viel von sich reden zu machen. Das verspricht auch auf der bundespolitischen Bühne eine Menge Wirbel. 

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