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Corona-Impfung: Immunologen warnen vor Aufhebung der Impf-Priorisierung

Corona-Impfung

Immunologen warnen vor Aufhebung der Impf-Priorisierung

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    Experten warnen davor, dass Risikogruppen bei der Corona-Impfung zu kurz kommen könnten.
    Experten warnen davor, dass Risikogruppen bei der Corona-Impfung zu kurz kommen könnten. Foto: Bernd Feil (Archiv)

    Die Deutschen Gesellschaft für Immunologie warnt vor einer raschen Aufhebung der Impf-Priorisierung als Gefahr für viele Menschen aus Risikogruppen. „Wenn wir jetzt zu schnell freigeben, schützen wir nicht gut und früh genug die Menschen, die den Schutz am nötigsten haben“, sagte der Generalsekretär und Immunologe Carsten Watzl im Interview mit unserer Redaktion. „Es ist problematisch, dass jetzt schon sehr früh über die Aufhebung von Priorisierungen gesprochen wird“, betonte Watzl. „Wir haben noch sehr viele Menschen in der Prioritätsgruppe drei, die noch nicht geimpft sind.“ Darunter seien viele Menschen mit Vorerkrankungen. „Diese Risikogruppen und Menschen im Alter zwischen 60 und 70 Jahren haben schon sehr lange gewartet, bis sie endlich drankommen“, betonte Watzl.

    Experte: Nur vier Wochen Impfabstand bei AstraZeneca riskant

    Der Immunologe kritisierte zudem den Vorstoß von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, den Impfabstand bei AstraZeneca von zwölf auf vier Wochen zu verkürzen als gefährlich. „Man sollte den Menschen nicht aus Wahlkampfgründen einfach einen „Urlaub vollgeimpft“ in Aussicht stellen, sondern einen möglichst guten Immunschutz“, betonte Watzl „Wenn man den Impfabstand bei AstraZeneca verkürzt, geht das auf Kosten der Wirksamkeit, das heißt die Menschen bekommen dadurch einen schlechteren Impfschutz“, sagte Watzl. „Das ist eine riskante Strategie: Man schickt die Menschen mit einem schlechteren Impfschutz ins Ausland und verzichtet zusätzlich noch auf die Quarantänepflicht bei ihrer Rückkehr“, warnte er. „Hier werden die Menschen und die Hausärzte mit dieser Frage allein gelassen, denn die Probleme werden nicht ausreichend kommuniziert.“

    Bei der ersten Impfung reagiere das Immunsystem nicht nur gegen das sogenannte Spike-Protein des Coronavirus, sondern auch gegen das zum Wirkstoff-Transport verwendete Adenovirus. „Wenn man zu früh nachimpft, fängt das Immunsystem noch zu viele dieser Adenoviren ab und weniger Wirkstoff gelangt in die Zellen“, sagte Watzl. „Deshalb ist die Impfung kurzem Impfabstand nicht so effektiv.“

    Hirnvenenthrombosen: Männer haben möglicherweise ähnliches Risiko

    Watzl forderte zugleich klare Handreichung für die Hausärzte zur Risiko-Nutzen-Abwägung bei Nebenwirkungen der Impfstoffe von AstraZeneca und Johnson & Johnson. „Beispielsweise ist unklar, ob Männer wirklich ein wesentlich geringeres Risiko der Hirnvenenthrombose als Impf-Nebenwirkung haben als Frauen“, sagte der Immunolge. Im jüngeren Alter gebe es ähnlich viele Fälle bezogen auf die Zahl der Impfungen.

    „Aktuell verstirbt noch jeder fünfte Patient, bei dem diese Nebenwirkung festgestellt wird“ sagte Watzl. „Man hat hier aber sowohl bei der Diagnostik als auch bei der Therapie dazugelernt und hofft, dass man die Schwere dieser Nebenwirkung abmildern kann und mehr Menschen überleben“, fügte er hinzu. „Es ist eine sehr seltene Nebenwirkung, das Risiko, daran zu sterben, liegt zwischen eins zu 250.000 bis 500.000.“

    Wie wirken sich Impfungen auf Inzidenzzahlen aus?

    Watzl appellierte, den Focus auf Erstimpfungen zu legen. „Die Impfungen tragen derzeit zum Sinken der Inzidenzwerte kaum bei“, sagte er. Das meiste werde durch die Lockdown-Maßnahmen erreicht, zusätzlich werde bald der saisonale Effekt stärker sein, sich die Impfungen in den Zahlen bemerkbar machten. „Das werden wir vielleicht gar nicht merken, weil uns dabei der Sommer zuvorkommt“, sagte Watzl.

    „Die Herausforderung wird sein, dass es dann nicht zur Impfmüdigkeit in der Bevölkerung kommt und viele denken, Corona sei vorbei“, warnte er. „Wir müssen im Sommer impfen wie die Weltmeister, weil wir dann in Deutschland den meisten Impfstoff zur Verfügung haben“, betonte er. „Der Test folgt im Herbst. Denn eine vierte Welle wird kommen. Aber wie sehr wir sie im Gesundheitssystem und mit Einschränkungen spüren werden, hängt davon ab, wie gut wir vorher beim Impfen waren. Das Virus wird uns nicht verlassen.“

    Experte fordert mehr Impfungen am Wochenende

    Derzeit habe die Impfkampagne bereits ein gutes Tempo erreicht. „Es ist aber traurig, wenn wir an Samstagen und Sonntagen einen Einbruch verzeichnen“, sagte Watzl und verwies auf die Bundesgesundheitsministerium gemeldeten 272.000 Impfungen am vergangenen Sonntag. „Hier haben wir noch Luft nach oben. Hier sind weiterhin die Impfzentren wichtig, die anders als die meisten Arztpraxen auch am Wochenende impfen.“

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