Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Kommentar: Deutschland wird zum Gewinner der Klimarettung

Kommentar

Deutschland wird zum Gewinner der Klimarettung

Stefan Stahl
    • |
    Teilnehmer einer Fridays for Future-Demonstration bilden eine Menschenkette vor dem Kanzleramt. 
    Teilnehmer einer Fridays for Future-Demonstration bilden eine Menschenkette vor dem Kanzleramt.  Foto: Jörg Carstensen, dpa

    In der Klimadebatte liegen die Nerven blank. VW-Betriebsratschef Osterloh platzte auf der Automesse IAA der Kragen. Der Arbeitnehmervertreter hat schlicht Angst, seine Branche werde zum Opfer der Klimarettung Gretas und ihrer Freunde. Am Ende stünden massive Arbeitsplatzverluste. So polemisierte Osterloh sorgenvoll: „In der öffentlichen Diskussion bekommt man den Eindruck, das Auto sei nichts als ein einziges Risiko. In der Gefahrenskala liegt es irgendwo zwischen Ebola und nordkoreanischen Raketen.“

    Neue Arbeitsplätze werden kommen

    Je nach Studie könnten hierzulande in dem Wirtschaftszweig 70.000 bis 150.000 Arbeitsplätze wegfallen. Ist der Preis für das Aufhalten des Klimawandels zu hoch? Schaufeln wir unserer neben dem Maschinenbau wichtigsten Industrie-Branche das Grab? Auf Dauer wird trotz Jahren voller Verwerfungen das Gegenteil der Fall sein: Fallen Arbeitsplätze weg, kommen an anderer Stelle in der Gesamtwirtschaft neue hinzu, wie Experten des Nürnberger IAB-Institutes glauben. Zunächst warten aber harte Umbruchjahre auf die Autoindustrie. Allein für die Herstellung von Dieselmotoren-Systemen werden zehn Mal so viele Beschäftigte benötigt wie für die Technik eines Elektrofahrzeugs. Diese Rechnung von Bosch-Chef Denner klingt beängstigend, zumal die Zulieferbranche diesellastig ist.

    Doch die Gesamtbeschäftigungsbilanz der Klimawende wird für die heimische Schlüsselindustrie auf Dauer besser ausfallen, schließlich entstehen in dem innovativen Wirtschaftszweig neue Arbeitsplätze. Wenn Autos immer digitaler werden, zunehmend autonom fahren und neue Carsharing-Geschäftsmodelle entstehen, sind dafür reichlich Spezialisten notwendig. So lässt sich ein Teil der herben Stellenverluste wettmachen.

    Die Politik steht vor gewaltigen Aufgaben

    Aufgabe von Unternehmern und Politikern ist es nun, Menschen für die neue Zeit klimaschonender Produkte zu qualifizieren. Wird eine solche massive Bildungsoffensive angestoßen, kann die deutsche Autoindustrie dank eines Innovationsschubs in 20 Jahren in grünerem Gewand ihre heute starke Position behaupten. Dabei sollten die Kritiker der Branche, also auch alle, die am Freitag weltweit für mehr Klimaschutz demonstrieren, bedenken: Bei der Rettung des Planeten spielen die Autohersteller eine wichtige, aber nicht die zentrale Rolle. Schließlich ist nach Berechnungen des Bundesumweltministeriums die Energiewirtschaft für gut ein Drittel der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich. Der Verkehrssektor macht hier etwa 18 Prozent aus und rangiert noch knapp hinter der Industrie. Trotz des stark gestiegenen Anteils regenerativer Energie wird also zu viel Kohle verfeuert. Der Ausstieg müsste schneller als geplant erfolgen. Doch wir erleben eine fatale Fixierung auf die Autoindustrie, wo doch in gleicher Intensität diskutiert werden sollte, wie Deutschland mehr Ökostrom erzeugen kann.

    Kohle liegt jedenfalls wirklich zwischen Ebola und nordkoreanischen Raketen. Aus einer solchen Energiewende 4.0, die natürlich Jobverluste mit sich bringt, kann Deutschland wiederum gestärkt hervorgehen. Allein die noch konsequentere Dämmung von Häusern würde auf Jahrzehnte Arbeitsplätze im Handwerk sichern und die CO2-Bilanz aufpolieren. Die Klimawende nimmt Jobs, führt aber zu einer Win-win-Situation: Der Klimawandel wird aufgehalten, es treten weniger teure Umweltschäden auf und es entstehen neue Stellen. Ökologie kann ökonomische Raketenkraft entwickeln.

    Klimaschutz macht auch Spaß

    Und Klimaschutz macht Spaß: Wer je die Beschleunigungskraft eines E-Autos gespürt hat oder nach einer Hausdämmung Geld spart, ist sicher bestens gelaunt. Ein gutes Gewissen gibt es gratis oben drauf.

    Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden