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Foto: Patrick Pleul, dpa
Foto: Patrick Pleul, dpa

Weniger fürs Geld: Die Kaufkraft der Deutschen ist zuletzt immer weiter gesunken.

Inflation
30.10.2021

Preise steigen und steigen - wie lange geht das noch weiter?

Von Stefan Stahl, Michael Stifter

Die Teuerungsrate ist so hoch wie zuletzt vor 28 Jahren. Warum die Europäische Zentralbank nichts dagegen tut und was Wirtschaftsexperten trotzdem hoffen lässt.

Die Preise in Deutschland steigen so stark wie seit 28 Jahren nicht. Vor allem Energie und Lebensmittel werden seit Monaten immer teurer. Die Inflationsrate liegt inzwischen bei 4,5 Prozent. Das weckt Ängste bei vielen Menschen. Zumal aus Sicht von Experten vorerst kein Ende der Entwicklung in Sicht ist. „Ich gehe davon aus, dass sich die Teuerung zum Jahresende bis auf 5,0 Prozent bewegen könnte“, sagt Marcel Fratzscher im Gespräch mit unserer Redaktion. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) betont zugleich, dass viele Ursachen für den Anstieg der Preise vorübergehender Natur seien.

Hohe Teuerung und niedrige Zinsen - eine bittere Kombination

Eine hohe Teuerungsrate bei gleichzeitig extrem niedrigen Zinsen trifft viele Bürgerinnen und Bürger gleich doppelt. Ihre Kaufkraft sinkt, sie müssen mehr für Produkte des täglichen Bedarfs ausgeben – und ihre Ersparnisse werfen kaum Ertrag ab. Gerade hat eine Umfrage der Meinungsforscher von YouGov ergeben, dass die Deutschen Milliarden mehr oder weniger unverzinst auf Girokonten oder Sparbüchern liegen lassen – und teilweise sogar Strafzinsen dafür bezahlen müssen.

Das Vermögen der Sparer schmilzt. Doch an der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank dürfte sich so schnell nichts ändern, obwohl viele Ökonomen den Zeitpunkt dafür gekommen sehen. Notenbankchefin Christine Lagarde sieht hingegen keinen Handlungsbedarf – obwohl sich die EZB eigentlich eine Teuerung von 2,0 Prozent im Euroraum zum Ziel gesetzt hat. Doch die Französin geht davon aus, dass die Situation sich schon bald normalisieren wird, erst recht, sobald die Corona-Pandemie überwunden ist. Auch Fratzscher ist durchaus optimistisch.

DIW-Präsident Marcel Fratzscher: "Sollten nicht in Inflationspanik verfallen"

„Die Chancen stehen gut, dass sich die Inflation in Deutschland wieder auf etwa 2,0 Prozent einpendelt“, sagt der Wissenschaftler, der als Nachfolger von Bundesbankpräsident Jens Weidmann gehandelt wird. „Wir sollten also einen kühlen Kopf bewahren und nicht in Inflationspanik verfallen“, fügt Fratzscher hinzu und gibt zu bedenken, dass die aktuelle Teuerung zumindest teilweise einem Aufholeffekt geschuldet sei.

Im Krisenjahr 2020 hat die Bundesregierung die Mehrwertsteuer vorübergehend gesenkt, um den Konsum anzukurbeln. Manche Produkte wurden damit deutlich billiger. Seit Anfang des Jahres gilt wieder der reguläre Mehrwertsteuersatz und vor allem Strom, Gas, Sprit oder Nahrungsmittel kosten heute wesentlich mehr als vor Beginn der Pandemie.

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Die Energiekosten sind innerhalb eines Jahres um satte 18,6 Prozent gestiegen. Immer mehr Haushalte stoßen deshalb an ihre finanziellen Grenzen. Schuldnerberatungsstellen spüren einen erheblichen Zulauf. Besonders schwierig ist die Situation für Pendlerinnen und Pendler, für Beschäftigte in Kurzarbeit oder Selbstständige, denen infolge der Corona-Krise Einnahmen weggebrochen sind.

„Meine Sorge ist, dass die Preissteigerung Menschen mit einem niedrigen Einkommen besonders hart trifft, weil sie einen höheren Anteil ihres Einkommens für Energie und Nahrungsmittel ausgeben“, sagt Fratzscher.

Welche Rolle spielt der Klimawandel bei den Preisanstiegen

Die Pandemie ist der Hauptauslöser der hohen Inflation, aber auch die steigende Nachfrage infolge der wirtschaftlichen Erholung, vorübergehende Lieferengpässe und rohstoffreiche Länder, die ihre Macht ausspielen, haben ihren Anteil daran. Hinzu kommt der Klimawandel, der sich gleich in zweifacher Hinsicht auswirkt. Naturkatastrophen, Waldbrände und Trockenheit haben etwa den Holzpreis teilweise verdoppelt. Gleichzeitig macht der Kampf gegen den Klimawandel fossile Energieträger teurer, zum Beispiel durch die Einführung der CO2-Abgabe.

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