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Foto: Kay Nietfeld, dpa (Archivbild)
Foto: Kay Nietfeld, dpa (Archivbild)

Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit, hat derzeit mehrere Baustellen gleichzeitig.

Analyse
15.03.2023

Karl Lauterbach und seine vielen Baustellen

Von Bernhard Junginger

Gesundheitsminister Lauterbach verwundert mit Aussagen zu Corona-Impfschäden, seine Klinikreform kommt nicht voran. Und dann sind da brisante Vorwürfe in einer alten Geschichte.

Der Arzt, dem die Deutschen vertrauen – so wurde Karl Lauterbach oft bezeichnet – gerät immer tiefer in eine Vertrauenskrise. Während sein vielleicht wichtigstes Vorhaben, die große Krankenhausreform, zu scheitern droht, werden brisante Schummel-Vorwürfe gegen den Bundesgesundheitsminister laut. Es geht um mögliche Falschangaben bei einer früheren Bewerbung auf eine Professorenstelle. Laut Recherchen der Welt hat Lauterbach 1995 gegenüber der Uni Tübingen etwa behauptet, er sei Leiter einer Krebsstudie, in Wirklichkeit sei er aber nur Assistent bei einem anderen Projekt gewesen. Auch habe Lauterbach behauptet, er könne im Falle seiner Berufung erhebliche Drittmittel mitbringen, die es aber demnach gar nicht gab. 

Lauterbach reagierte zugeknöpft auf diese und einige weitere Anschuldigungen: "Den konkreten Fall kann ich nicht mehr rekonstruieren." Für eine Berufung seien die Qualifikationen entscheidend, nicht die Drittmittel. Seinerzeit hatte der Kölner zwar ein Angebot aus Tübingen erhalten, dann aber eine andere Stelle angetreten. Liegen die Vorgänge auch tief in der Vergangenheit – sollten sie sich bestätigen, könnten sie doch die Glaubwürdigkeit Lauterbachs massiv beschädigen. 

Wie war das noch mit den Impf-Nebenwirkungen?

Gleichzeitig fällt ausgerechnet seine Pandemie-Politik, die die Popularität des kauzigen Mediziners begründete, nun auf ihn zurück. Lauterbach, der eine Pflicht zur Corona-Impfung forderte, die er lange als "nebenwirkungsfrei" darstellte, kündigte überraschend ein Hilfsprogramm der Regierung für Menschen mit Impfschäden an. Kritik kommt etwa von Tino Sorge, dem gesundheitspolitischen Sprecher der Unions-Fraktion. Lauterbach habe "viel zu lange gezögert und die Augen vor der Realität verschlossen“. Sorge weiter: „Mit seiner fatalen Äußerung, die Impfung sei ‚nebenwirkungsfrei‘, hat er die Sorgen und Ängste der Betroffenen kleingeredet." 

Der Medizinprofessor, der in seiner persönlichen Ernährung konsequent auf Salz verzichtet, hat lange mit seinem harten Pandemie-Kurs in der Bevölkerung gepunktet. Doch an der Sinnhaftigkeit mancher Maßnahmen gibt es im Nachhinein immer mehr Zweifel. Gleichzeitig verschwindet die Pandemie zunehmend aus der öffentlichen Debatte. Lauterbach kommt damit sein großes Thema abhanden, die großen Dauerbaustellen des Gesundheitswesens – in dem an allen Ecken Geld und Personal fehlt – rücken in den Blickpunkt.

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Foto: Kay Nietfeld, dpa (Symbolbild)
Foto: Kay Nietfeld, dpa (Symbolbild)

Eine Mitarbeiterin befüllt eine Spritze mit einer Corona-Impfdosis.

Die Klinikreform steht vor gewaltigen Hürden

Mit der geplanten Krankenhausreform, die Lauterbachs Meisterstück werden sollte, hakt es indes gewaltig. Sein Plan sieht vor, dass es künftig drei Typen von Kliniken geben soll. Kleinere Häuser sollen die Notfallversorgung in der Fläche sichern, mittlere Kliniken müssten sich auf bestimmte Operationen spezialisieren. Nur die ganz großen Häuser, etwa Unikliniken, könnten weiterhin die gesamte Bandbreite der Eingriffe anbieten. Das soll Kosten sparen und die Qualität der Versorgung verbessern. Doch aus den Ländern und von den Klinikverbänden kommt massive Kritik, befürchtet wird ein massives Kliniksterben auf dem Land. Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein lassen die Verfassungsmäßigkeit der Reform prüfen.

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Kaum ein Tag vergeht, ohne dass Kritik an Lauterbach laut wird. An diesem Donnerstag soll sein Gesetzesentwurf zur Neuregelung der Unabhängigen Patientenberatung (UPD) im Bundestag verabschiedet werden. Doch nach Meinung des Sozialverbands Deutschland (SoVD) ist der Entwurf unsolidarisch und sorgt für unnötige Abhängigkeiten. Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier sagte unserer Redaktion: „Mit dem Gesetz soll die Position der Kassen gestärkt werden. Dadurch ist das U der UPD gefährdet – die Unabhängigkeit!" Engelmeier weiter: "Denn damit die gesetzliche Krankenversicherung die UPD finanziert, soll sie im Gegenzug erhebliche Mitspracherechte bekommen." Dass die privaten Krankenversicherungen nur freiwillig beitragen sollen, sei "unsolidarisch". Aus Sicht des SoVD sei die Unabhängige Patientenberatung ohnehin eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und müsse aus Steuermitteln bezahlt werden, "nicht aus Beitragsmitteln der gesetzlich Versicherten".

Wirft Olaf Scholz Karl Lauterbach bald raus?

Ob bei der geplanten Cannabis-Legalisierung oder der digitalen Patientenakte, überall hakt es, nichts scheint Lauterbach gerade zu gelingen. Für Bundeskanzler Olaf Scholz werden die Probleme des Gesundheitsministers immer mehr zur Belastung. Nur widerwillig hatte er den als sperrigen Eigenbrötler geltenden Mediziner in sein Kabinett berufen. Schon wird im Umfeld der Bundesregierung spekuliert, Lauterbach könnte bald ersetzt werden – mutmaßlich von einer Frau. Denn nachdem Scholz im Verteidigungsministerium Christine Lambrecht gegen Boris Pistorius tauschte, sind in seinem Kabinett mehr Männer als Frauen. Das will Scholz dem Vernehmen nach bei nächster Gelegenheit ändern. Als Kandidatinnen für eine mögliche Lauterbach-Nachfolge gelten die Rostockerin Antje Draheim oder die Schweinfurterin Sabine Dittmar – beide sind Staatssekretärinnen im Gesundheitsministerium.

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