Scholz-Besuch zeigt die neue Macht der Scheichs
Golf-Staaten wie Saudi-Arabien oder Katar wissen, dass Europa mehr denn je auf ihre Rohstoffe angewiesen ist. Und sie werden das über Jahrzehnte nutzen. Eine Analyse.
Der Besuch von Olaf Scholz auf der Arabischen Halbinsel verdeutlicht eine grundlegende Kräfteverschiebung in der internationalen Politik. Der Kanzler bringt die Zusage mit nach Hause, dass seine Gastgeber noch in diesem Gas und Diesel liefern. Doch die Golf-Staaten, die jahrzehntelang als brave Verbündete des Westens agierten, setzen ihren Öl- und Gasreichtum für eigene Interessen ein – auch wenn das für Amerika und Europa unangenehm sein sollte.
Durch die Folgen des Ukraine-Krieges sind die rohstoffreichen Länder noch mächtiger geworden – und werden es auch bleiben. Europa braucht eine Antwort auf den Aufstieg von Staaten wie Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Katar. Nach dem Zweiten Weltkrieg verankerten die USA und Saudi-Arabien ein Prinzip, das die Beziehungen des Westens zur Golf-Region über Jahrzehnte bestimmte: Amerika garantierte die Sicherheit der Monarchien am Golf – und diese garantierten den Export von Öl. Trotz des Dauerkonfliktes zwischen dem westlichen Partner Israel und den Palästinensern und trotz des Ölpreisschocks von 1973 hielt dieses System bis in die 2000er Jahre hinein.
Der alte Deal mit dem Westen gilt schon lange nicht mehr
Dann kündigten die USA ihre Seite des Deals auf – jedenfalls sahen die Araber das so. Für Amerika, das dank der umstrittenen Fracking-Methode im eigenen Land heute viel weniger Öl aus Nahost braucht als früher, ist die Region nicht mehr so wichtig. Die USA begannen deshalb mit dem Rückzug aus dem Nahen Osten. Präsident Barack Obama verunsicherte die arabischen Herrscher auch, indem er die Aufstände des Arabischen Frühlings lobte, den Giftgaseinsatz der syrischen Regierung gegen die Opposition unbestraft ließ und mit dem Iran, dem Erzfeind Saudi-Arabiens, einen Atomvertrag aushandelte.
Den Arabern gilt der Westen heute als unzuverlässig und besserwisserisch, während China viel Öl kauft, ohne nach den Menschenrechten zu fragen. Die Enttäuschung über die USA, das nahende Ende des Ölzeitalters und der Generationswechsel in den Golf-Staaten – Saudi-Arabien, die VAE und Katar werden heute von Männern regiert, die Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurden – führten zu einer Kursänderung.
Die Golf-Staaten halten die Preise hoch und investieren in die Zukunft
Die Golf-Staaten stecken Milliardensummen in neue Technologien wie die Energiegewinnung aus Wasserstoff und halten gleichzeitig die Ölpreise hoch. Sie kooperieren mit Russland und scheren sich nicht um die Bitte des Westens, mehr Öl auf den Markt zu bringen, um die Preise zu senken. Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman wurde zwar eine Zeit lang vom Westen geschnitten, weil er den Dissidenten Jamal Khashoggi ermorden ließ.
Doch spätestens seit die USA und Europa wegen des Ukraine-Krieges dringend niedrigere Ölpreise brauchen, wird ihm wieder der rote Teppich ausgerollt. Staatsfonds vom Golf kaufen europäische Fußball-Spitzenklubs, finanzieren Formel-Eins-Rennen und organisieren ab November die erste Fußball-Weltmeisterschaft auf arabischem Boden in Katar.
Wenn es ums Geld geht, vergisst Europa seine Werte
Wenn es ums Geld geht, vergisst Europa seine eigenen Werte. Im Jahr 2002 gingen nur drei Prozent der deutschen Rüstungslieferungen an arabische Länder – bis zum Jahr 2019 hatte sich der Anteil auf 30 Prozent verzehnfacht. Nach dem Khashoggi-Mord stoppte Deutschland den Export eigener Waffen nach Saudi-Arabien; das gilt aber nicht für Gemeinschaftsprojekte mit Verbündeten. Andere EU-Mitglieder wie Frankreich liefern ohnehin weiter Waffen an Riad.
Darauf hoffen, dass die Golf-Araber nach dem Ukraine-Krieg wieder an Bedeutung verlieren, sollten Deutschland und die anderen europäischen Staaten nicht. Die neue Herrscher-Generation am Golf wird die Region auf Jahrzehnte prägen. Je rascher Europa ein Konzept für den Umgang mit der Region entwickelt, desto besser.
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(edit/mod/persönliche Angriffe/NUB 7.3)
Ein guter Bericht. Deutschland ist Bittsteller und das lassen uns die menschenverachtenden Regime in Qatar und Saudi Arabien sehr wohl merken.
Wann kommt es endlich in der feministischen deutschen Außenpolitik an, dass wir Deutschen kaum Freunde in der Welt haben, wenn wir nicht mehr mit dem Scheckbuch wedeln können?
Das fängt schon innerhalb der EU an. Sobald wir finanziell nichts mehr stemmen können und damit an Einfluss verlieren - wir haben nur die Finanzen als Machtinstrument -, werden gerade Länder wie Polen ua., die seit Jahrzehnten einen Groll auf uns schieben auch anders mit uns umgehen. Polen hat sich schon in Position gebracht, wie man es an den Äußerungen der dortigen Regierung aus den letzten Monaten merkt. Dann wird sich auch sonstwo auf der Welt keiner mehr unsere Vorstellunen anhören. Solange Geld fließt, sind andere Regierungen freundlich und hören zu. Sobald das Geld nicht mehr fließt, interessiert sich keiner mehr für unsere Weisheiten und Wünsche. Wir schießen uns aktuell gerade massiv ins Knie, dank der "klugen" EU Politik der vorzeitigen und zu starken Sanktionen, bevor man Alternativen zur Energie gefunden hat. Dadurch ist man jetzt als Bittsteller international unterwegs und blitzt auch häufig ab. Sogar unsere eigenen Verbündeten bekunden keine umfassende Solidarität mit uns im Falle der Energienot.
DEU sollte sich von seiner neuen wertebasierten Aussenpolitik einfach verabschieden. Da DEU auf Energieimporte dringend angewiesen ist und der Großteil der potentiellen Lieferländer nicht die westl Wertemaßstäbe teilt, das gilt für die Länder Arabiens genauso wie für Russland. Im Übrigen halten die Erdgas- und Erdölförderländer im Rahmen der OPEC auch noch in Sachen Förderpolitik und Preisgestaltung zusammen. Mit den RU Sanktionen hat sich die EU selbst ins Knie geschossen. Anderseits kann es DEU "kalt" lassen, was gewisse ehemalige Ostblockländer über DEU denken insb. Polen.
Der Bericht zeichnet klar die Stellung der arab Golfstaaten nach. Mit der Abnahme des Einflusses der USA in der Region, haben die Staaten der Region ein neues Selbstbewusstsein entwickelt und nutzen ihre Machstellung im Energiesektor insb auch unter Berücksichtigung des aktuellen RU_ UA Konfliktes. Auf moralische Vorhaltungen reagieren sie nicht oder abweisend gegenüber westl Staaten. Eine an moralischen westl. Wertemasstäben orientierte Politik ist in der Region zum Scheitern verurteilt. Also muss Kanzler Scholz dort den Spagat zwischen wirtschaftlicher Notwendigkeiten und der politischen Realität in der Region erfolgreich bewerkstelligen. Wer die Mentalität der arab Länder von Marokko bis zum Golf ein bisschen kennt und nicht nur von touristischen Reisen dorthin, weiss dass man dort mit Besserwisserei und Belehrungen nicht weit kommt.