"Wie der Islamische Staat": Hat Israels Militär die Hamas unterschätzt?
Die israelische Armee ruft 300.000 Reservisten in die Kasernen. Selbst erfahrene Soldaten sind entsetzt über die Brutalität, mit der die Terroristen vorgegangen sind.
Hat Israel die Hamas unterschätzt? Arye Sharuz Shalicar wägt seine Worte vorsichtig ab. "Wenn Israel etwas unterschätzt hat, dann die Brutalität, mit der die Hamas vorgegangen ist", sagt der Sprecher der israelischen Armee dann. "Wie sie Frauen und Kinder massakriert, wie ihre Killerkommandos mordend und marodierend durch die israelischen Dörfer ziehen, wie sie Frauen vergewaltigen und ganze Familien entführen." Der 46-jährige Shalicar, Sohn persischer Juden, in Berlin aufgewachsen und als junger Mann nach Israel ausgewandert, hat die Bilder der Opfer gesehen und schnell andere Bilder vor Augen: "Das erinnert stark an die Gräueltaten des Islamischen Staates in Syrien und im Irak."
Hamas, Islamischer Dschihad, Hisbollah: Ein Dreieck des Terrors
Tel Aviv, zwei Tage nach dem Angriff der Terroristen. Shalicar sitzt in seinem Büro am Telefon und versucht im Gespräch mit unserer Redaktion das vermeintlich Unerklärliche zu erklären. Wie konnte das hochgerüstete Israel mit seiner modernen Armee und seinen legendären Geheimdiensten so schwer und so unerwartet getroffen werden? "Natürlich war uns bekannt, wem wir gegenüberstehen", sagt er. "Der Hamas, dem Islamischen Dschihad, der Hisbollah." Dieses Dreieck des Terrors dürfe man nicht unterschätzen. "Sein einziges Ziel ist die Vernichtung Israels." Im Moment allerdings ist das Land noch zu sehr damit beschäftigt, die letzten vom Gazastreifen aus eingedrungenen Terroristen zu stellen und die Grenze entlang des Küstenstreifens zu sichern, als dass es jetzt schon intensiv Ursachenforschung betreiben könnte. "Wie es zu diesem Angriff kommen konnte", sagt Shalicar, "muss natürlich untersucht werden. Dafür aber ist jetzt im Moment nicht die Zeit, noch sind wir mitten im Krieg." Er sei sich aber sicher, dass Israel aus den Ereignissen der vergangenen Tage sehr viel lernen werde.
Als ein Schwachpunkt hat sich offenbar der Grenzzaun erwiesen, den die Angreifer an mehr als 20 Stellen einfach mit der Kraft mehrerer Traktoren eingerissen haben. "Ein Grenzzaun ist keine Mauer", warnt Shalicar. "Ein Zaun ist verwundbar. Hätte dort eine Mauer gestanden, wären wir gar nicht erst in diese Situation geraten." Dass an der Grenze zu Gaza keine Mauer steht: dafür macht Israel die internationale Gemeinschaft verantwortlich, vor allem die Länder des Westens, für die eine Mauer etwas Teilendes ist, nichts Sicherndes. Wie einst in Berlin. Oder in Teilen des Westjordanlandes, wo eine ähnliche Mauer steht, für die Israel immer wieder scharf kritisiert wird. Den Preis für das Fehlen einer Mauer an der Grenze zu Gaza, sagt Shalicar zornig, "haben jetzt israelische Frauen und Kinder bezahlt, die bestialisch abgeschlachtet wurden."
Angriff der Hamas: Israelische Armee zieht 300.000 Reservisten ein
Überrumpelt wurden die israelischen Sicherheitskräfte auch an den wenigen Grenzübergängen zwischen Gaza und Israel wie dem in Erez, über den bis zum Samstag jeden Tag palästinensische Arbeiter zum Arbeiten nach Israel gekommen sind. "Diese Grenzübergänge wurden von den Killerkommandos der Hamas regelrecht gestürmt", sagt Shalicar. Sicher ist die Grenze zu Gaza auch drei Tage nach Beginn der Kämpfe noch nicht. Noch immer kommen Terroristen über sie nach Israel. Und die Löcher zu schließen, ahnt er, werde noch seine Zeit dauern. Im Moment hat der Kampf gegen die Angreifer, die sich in Israel noch versteckt oder verschanzt haben, Priorität. Und das offenbar mit Erfolg: Am Dienstag meldete die israelische Armee, sie habe die Kontrolle über die Dörfer und Kibbuzim, die direkt am Gazastreifen liegen, wiedererlangt. Was bleibt, ist das Entsetzen. "Die Ereignisse der vergangenen Tage haben in Israel eine tiefe Wunde gerissen", sagt Arye Sharuz Shalicar. "Diese Bilder bekommen wir nie wieder aus dem Kopf."
Wie das israelische Militär weiter vorgehen wird, darf er nicht einmal in Umrissen skizzieren. Geheime Kommandosache. Nachdem die Armee mit der größten Mobilisierungsaktion in der Geschichte des Landes 300.000 Reservisten eingezogen hat, häufen sich allerdings die Spekulationen, dass sie möglicherweise eine Bodenoffensive im Gazastreifen plant und ihn nicht nur aus der Luft angreift. "Wenn in Gaza Unschuldige zu Opfern werden", sagt Shalicar dazu nur ganz allgemein, "dann fällt das in die Verantwortung der Hamas." Er wünschte, es würde keine unschuldigen Opfer geben. "Aber die Hamas verschanzt sich bewusst in Krankenhäusern, neben Kindergärten, in Schulen und Moscheen und benutzt Zivilisten so als menschliche Schutzschilde." Die mehr als 100 israelischen Geiseln, die die Terroristen nach Gaza entführt haben, dürften vermutlich unter ähnlichen Umständen gefangen gehalten werden.
Angeordnet hat Israel inzwischen die komplette Abriegelung des Gazastreifens. Verteidigungsminister Joav Galant sagt: "Es wird keinen Strom, keine Lebensmittel und keinen Treibstoff geben." Das alles und noch viel mehr bezog Gaza bisher aus Israel.
Die Diskussion ist geschlossen.
Zur vollständigen Wahrheit gehört m.e. auch: Israel hat auch in den letzten 60 Jahren nicht mit angezogenen Samthandschuhen "gearbeitet" und internationales Recht hat auch nicht immer interessiert.
Was mich so betroffen macht dass man jahrelang zusieht, wie sich vieles in eine Richtung entwickelt die nicht mehr als gut zu heißen war.. auch in Israel.. Wer einem Land unbeschränkte Solidarität ausstellt, das ständig zündelt und dabei weggesehen wird.. da sollte man das Gespräch suchen und aufzeigen wo unsere Grenze der Unterstützung liegt. Ich würde es bei meinen Freunden machen, vor allen wenn auch mein Leben davon betroffen wäre.
Selenskyj zündelt mit schweren Vorwürfen gegen Moskau dass Putin auch in diesem Konflikt mitmischt.. "Wir haben Daten, die klar beweisen, dass Russland daran interessiert ist, im Nahen Osten einen Krieg loszutreten, so dass eine neue Quelle von Schmerz und Leid die Einheit der Welt untergräbt.." und er warnte in seiner Videobotschaft vor der Gefahr eines Weltkriegs.
Die Welt Politik darf nicht mehr zusehen wie Selenskyj und Konsorten irgend etwas in die Welt postet, man muss ihn zurecht weißen. Die Gefahr der Eskalation erhöht sich durch unkontrollierte ausgesprochene Manipulation, Vermutungen jeden Tag mehr.. und da sollten wir Deutsche Deseskalierend einwirken..
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@Wolfgang B.: Und jetzt? Rechtfertigt das, mordend und vergewaltigend durch die Straßen Israels zu ziehen? Kommentare wie der Ihre à la "zum Streiten gehören immer zwei" zeugen gerade in der aktuellen Situation von einer gehörigen Portion Empathielosigkeit.
@Marianne B.
Herr Selenskyj ist nicht für den Nahost-Konflikt verantwortlich. Auch das Russland nicht ganz unglücklich über das geschehe in Israel ist, dürfte auf der Hand liegen. Zudem haben offenbar russische Hacker ziemlich zeitgleich israelische Seiten angegriffen.
Die Eskalationsgefahr dürfte eher darin bestehen, dass der Kreml laufend behauptet, dass die NATO Kriege gegen Russland führe und Russland vernichten will. Und die wiederholenden Botschaften im russischen Staats-TV, dass man die russische Fahne wieder über dem Reichstag hissen muss, dürfte nicht ohne Zustimmung des Kremls nicht möglich sein. Von den ganzen anderen Theorien der Propagandisten ganz zu schwiegen.
Das Existenzrecht Israels steht außer Frage. Der Siedlungsbau und die Justizreform nicht. Diese wurden auch nicht unterstützt und schon gar nicht mit uneingeschränkter Solidarität.
https://www.rnd.de/politik/baerbock-in-israel-siedlungsbau-verstosst-gegen-volkerrecht-12e4df26-4b9f-4992-ae25-541ae53bdd7f.html
https://www.sueddeutsche.de/politik/baerbock-israel-1.5759644
@Michael K.
Herr Wolfgang B. hat durchaus rechts. Israel muss auch die Existenz der Palästinenser und deren Recht auf einen Staat anerkennen. Der Siedlungsbau durch rechtsradikale Kräfte vorangetrieben ist eine Entrechtung der Palästinenser und raubt diesen auch die Lebensgrundlage. Wer laufend Unrecht gegenüber Gruppen begeht, treibt die Gruppen in die Arme von Rattenfängern. Nur ohne den "Feind" würden auch die Scharfmacher auf beiden Seiten ihre Macht verlieren.
Meine Kommentare sind halt realititätsnah und nicht realitätsfern. Empathie hin oder her (was immer Sie auch darunter verstehen) - in diesem Konflikt gibt es das nicht.
@Wolfgang B.
Da kann ich Ihnen durchaus einmal Recht geben. Es gibt einige Schritte Israels, die mehr Öl ins Feuer gegossen haben als notwendig war. Das rechtfertigt nicht die Existenz und das Vorgehen der Hamas, das ist nicht zu tolerieren, aber auch durch Israel herbeigeführte Missstände sind eine Brutstätte für Terrorismus.
Herr Wolfgang B. bewegt sich - das war auch nicht anders zu erwarten - auf seinen eingetretenen Pfaden:
Für ihn sind immer die Angegriffenen Schuld, nie die Angreifer ( sein Postulat, von dem er nur dann, aber dann sehr beflissen abweicht, wenn die "Angreifer" von jenseits des Atlantik kommen).
Wie schon bei der Ukraine weist er die Schuld nun wieder Israel zu:
Er unterschlägt bewußt, daß das erklärte politische Ziel der Hamas, der Hizbollah und des Masterminds Iran die Tilgung des Staates und Volkes Israel ist.
In all den vielen vielen Jahren, in denen Israel großzügiger und gutmütiger mit seinen Feinden kooperierte, hatte sich dieses Vernichtungsziel aber auch nie geändert, wurde auch nicht "aufgehoben".
Schon Tage nach dem Abkommen zwischen Arafat und Begin legten palästinensiche Terroristen in Israel Bomben unter Schulbusse und beschossen das Land mit Raketen.
Das israelische Programm "Land gegen Frieden" (also Rückbau der Siedlungen) brachte auch krinen Erfolg, weil Hamas, Hizbollah und Teheran keinen Frieden wollen!
Wie auch bei der Ukraine:
die Ukrainer wollten in ihrer Mehrheit bis zum russischen Überfall nie in die NATO.
Dennoch wurde die Ukraine mit diesem (in Wahrheit von den Feinden Kiews erfundenen) Vorwurf von den Russen angegriffen.
Israel kann noch so gutmütig und konziliant gegenüber den Palästinensern sein - diese wollen Israel schlicht und einfach vom Erdboden tilgen.
Die sogenannte "Internationale Gemeinschaft" ist im Fall der Mauerverweigerung vorallem Deutschland und Frankreich, Berlin und Paris!
Erneut genau dieselben Akteure, die bereits die Ukraine der Kriegslust der Russen auslieferten durch die beständige Weigerung, das Land in die NATO aufzunehmen.
Nun zeigt sich das tödliche Ergebnis der kindisch- naiven gutmenschelnden Träumerei dieser außenpolitischen Amateure aus Europa erneut auf schreckliche Weise:
in der von eben diesen sicherheitspolitischen Schulbuben von Anfang an verhinderten Schutzmauer für Israel.
Die Europäer und gerade diese beiden Länder sind durch ihre sicherheitpolitische Geisterbahnfahrt - auf die sich die West-Europäer seit dem Ende des Kalten Kriegs begeben haben - mittlerweile eine direkte Gefahr für zahlreiche , von Diktaturen wie Rußland oder dem Iran bedrohte Völker!