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Kommentar: CDU-Parteitag: Neuanfang unter erschwerten Bedingungen

Kommentar

CDU-Parteitag: Neuanfang unter erschwerten Bedingungen

Stefan Lange
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    Friedrich Merz hat bei der Neuaufstellung der CDU noch einiges vor sich.
    Friedrich Merz hat bei der Neuaufstellung der CDU noch einiges vor sich. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Opposition muss, das hat der CDU-Bundesparteitag gezeigt, nicht kompletter Mist sein. Die Christdemokraten widerlegten in Hannover mit einem offensichtlichen Gestaltungswillen den alten Satz des SPD-Politikers Franz Müntefering. Zumindest teilweise. Denn Opposition zieht, das zeigte die zweitägige Veranstaltung auch, einen Bedeutungsverlust nach sich. Die übliche Ausstellungsfläche vor dem Plenarsaal wird kleiner, die Konzerne investieren ihre Standgebühren lieber in die Parteitage der Regierungsparteien. Es gibt keine Kanzlerin Angela Merkel mehr, um deren Tisch sich Menschen und Sicherheitsbeamte drängen. Statt eines ebenso riesigen wie teuren Displays steht auf der Bühne im Plenarsaal ein einfaches Gittergerüst. Details sind das, sie zeigen aber: Der Neuanfang, den CDU-Chef Friedrich Merz seiner Partei versprochen hat, findet unter erschwerten Bedingungen statt.

    Die CDU will und muss sich unter Friedrich Merz neu aufstellen

    Die Partei will sich unter Merz nicht nur neu aufstellen, sie ist praktisch dazu verdammt. Der Volkspartei laufen die Mitglieder weg und das war schon so, bevor die Bundestagswahl verloren ging. Knapp 400.000 sind es derzeit noch, damit hat sich die CDU in den letzten 30 Jahren halbiert. Weil viele Mitglieder alt sind, sinkt die Gesamtzahl trotz 13.000 Neueintritten im Jahr weiter. Merz hat deshalb das Ziel ausgerufen, die CDU attraktiver zu machen, „um für Mitglieder einen Mehrwert zu bieten“.

    Auf dem Parteitag in Hannover wurde der Leitantrag „Volkspartei der Zukunft: Die CDU erneuern“ verabschiedet. Digital und schlagkräftig will die Partei sein, „in der Gesellschaft breit verankert, mitgliederorientiert und organisatorisch stark.“ Dem interessierten, potenziellen Nachwuchs konnte indes schon bei der Debatte über die Einführung einer Frauenquote starke Zweifel kommen. Während überwiegend männliche Delegierte durch den Plenarsaal in der Messehalle Nord liefen, standen junge Frauen auf dem Podium und wetterten gegen die Quote. Zum Glück für Merz und die Partei kam sie durch. Die CDU zeigte damit, dass sie zur Bewegung in der Lage ist – um bei der Debatte über die Grundwertecharta neue Zweifel zu streuen.

    Die Grundwertecharta ist ein Schritt hin zum neuen Grundsatzprogramm, das bis zur Europawahl 2024 fertig sein soll. Carsten Linnemann, CDU-Vize sowie Leiter der Programm- und Grundsatzkommission, hatte sich zusammen mit einem erfahrenen Team viele Gedanken gemacht. Er musste dann zusehen, wie die Charta auf dem Parteitag zerredet wurde.

    Bewahrung christlicher Werte und Erneuerung stehen sich bei der CDU im Weg

    Statt über die großen Linien zu diskutieren, verloren sich die Delegierten im Kleinklein. Soll es „Gleichstellung“ heißen, oder doch besser „Gleichberechtigung“? Die Debatte war weit entfernt von der Realität, in der zwar immer mehr junge CDU-Frauen in den Parlamenten vertreten, sie gleichwohl immer noch weit unterrepräsentiert sind. Und sie war meilenweit weg von Grünen oder Linken, die auf ihren Parteitagen über die Einbindung lesbischer oder schwuler Lebensmodelle sprechen. In Hannover wurde dabei erneut deutlich, dass die Bewahrung christlicher Werte, die Fokussierung auf das „C“ im Parteinamen, einer Erneuerung durchaus im Weg stehen kann.

    Ein Weg, der übrigens schon lang ist. Die Union verstehe unter Gleichberechtigung „die Wahlfreiheit zwischen einer Vielfalt von Lebensmöglichkeiten“. Dieser Satz ist 42 Jahre alt, er fiel im Mai 1980 auf dem CDU-Parteitag in Westberlin, auf dem sich die Christdemokraten unter ihrem damaligen Vorsitzenden Helmut Kohl redlich mühten, sich ein frisches Antlitz zu geben. Dass in Hannover erneut über das Thema diskutiert wurde zeigt, dass Merz in den Neuanfang noch viel Arbeit investieren muss.

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