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Kommentar: Für Erfolg müssen die Grünen werden wie der alte Habeck

Kommentar

Für Erfolg müssen die Grünen werden wie der alte Habeck

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    Er muss zu sich selbst zurückfinden: Wirtschaftsminister Robert Habeck kann die Grünen wieder nach oben bringen.
    Er muss zu sich selbst zurückfinden: Wirtschaftsminister Robert Habeck kann die Grünen wieder nach oben bringen. Foto: Soeren Stache, dpa

    Das Volk ist störrisch, aber kein Esel. Das lernen die Grünen gerade schmerzlich. Es entzieht der Partei seine Gunst, wie alle Umfragen zeigen. Nur noch rund 15 Prozent würden bei ihr das Kreuz machen, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre. Das geplante Einbauverbot von Öl- und Gasheizungen bringt selbst Wohlmeinende zum Kopfschütteln und zur Abkehr von der Öko-Partei.

    Denn genau darauf sind die Grünen in den vergangenen Monaten zurückgeschrumpft – zu einer Milieupartei ihrer Stammwählerschaft. Von dem einstigen Anspruch, Volkspartei zu sein, sind sie so weit entfernt wie alte Häuser von der Wärmepumpe. 

    Angriff auf die Brötchentaste

    Die Landtagswahl in Bremen geriet vor wenigen Wochen zur Abrechnung mit der verfehlten Wärmewende, in der politisch links tickenden Stadt waren die Grünen der große Verlierer. Die Wähler rannten ihnen aber nicht nur wegen des Heizungsgesetzes weg, sondern auch wegen eines hochsymbolischen Beschlusses. Die Grünen-Verkehrssenatorin hatte die sogenannte Brötchentaste abgeschafft. Mit dem ulkigen Begriff wird in Bremen das kostenfreie Kurzzeitparken bezeichnet, um schnelle Besorgungen zu erledigen. Sie fiel dem Kampf gegen das Auto zum Opfer, den aber die Mehrheit in Deutschland nicht mitkämpfen will. 

    Die Deutschen schätzen es nicht, wenn die Grünen dem Auto den Kampf ansagen.
    Die Deutschen schätzen es nicht, wenn die Grünen dem Auto den Kampf ansagen. Foto: Claudia Stegmann

    Dabei hätten die Grünen aus Schaden klug werden können. Der Landesverband Berlin hatte erst Anfang des Jahres die bittere Erfahrung gemacht, dass autofeindliche Politik nicht einmal in der Stadt mit dem besten Nahverkehr Deutschlands funktioniert. Die Berliner Brötchentaste war der von den Grünen verhängte Auto-Bann auf der Friedrichstraße. Im Wahlkampf hatte der Fraktionschef außerdem forsch ausgegeben, die Zahl der Parkplätze halbieren zu wollen. Mittlerweile räumen die Grünen ein, dass man mit derartigen Ansagen zur Zwangsbeglückung die Erwartungen der Wähler kilometerweit verfehlte. Oder wie es ein Berliner Grüner treffend ausdrückte: „Außerhalb der grünen Blase versteht niemand unsere Lösungen.“

    Eigentlich hatte sich die Partei geschworen, auf solche Symbolpolitik zu verzichten, die zwar die Kernunterstützer verzückt, aber Sympathisanten und Wechselwähler verschreckt. Vor zehn Jahren erlitten die Grünen mit ihrer Forderung nach einem fleischlosen Tag in den Kantinen der Republik (“Veggie Day“) eine schwere Wahlniederlage. „Nie wieder Verbotspartei“, lautete die Lehre aus dem Fiasko. Doch die "Veggie-Day-Brötchentaste- und Friedrichstraße-Versuchung" steckt tief in der Partei. 

    Habeck und Kretschmann haben es vorgemacht

    Grünen-Anführer Robert Habeck hatte erkannt, dass die Positionen seiner Partei nur mehrheitsfähig werden, wenn auf hochgradig umstrittene Symbole verzichtet und die eigenen Positionen nicht mit der Haltung präsentiert wird „wir wissen schon, wie das gute Leben für dich aussieht“. Schon vor Habeck übte sich Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg erfolgreich in dieser Praxis und konnte deshalb zum Landesvater im Ländle werden. 

    Winfried Kretschmann (Grüne) regiert seit 2011 in Baden-Württemberg und hat sich den Blütenträumen seiner Partei immer versagt.
    Winfried Kretschmann (Grüne) regiert seit 2011 in Baden-Württemberg und hat sich den Blütenträumen seiner Partei immer versagt. Foto: Marijan Murat, dpa

    Beide Politiker können Brücken schlagen in andere politische Lager. Bündnispartei sollen die Grünen sein, nicht Öko-Partei. Anschaulich wird diese Politik am Beispiel des Kohleausstieges. Die verbliebenen Braunkohletagebaue und -kraftwerke sollen früher geschlossen werden, während in den Revieren massiv in erneuerbare Energien investiert wird und mit hoher staatlicher Unterstützung Zukunftsindustrien wie die Produktion von Batteriezellen für E-Autos angesiedelt werden. 

    Bei seinem Heizungsgesetz allerdings vernachlässigte Habeck seinen eigenen Ansatz, denn er hatte das staatliche Unterstützungsprogramm für den Heizungstausch nicht fertig. Schwer unter Druck beklagte er selbstmitleidig die Angriffe der Opposition und der FDP auf sein Projekt. Es ist kein Zufall, dass hinter den Details des Vorhabens sein entlassener Ex-Staatssekretär Patrick Graichen steckte, der kein Brückenbauer war. Für einen Erfolg bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen im Herbst dieses Jahres müssen die Grünen wieder mehr vom alten Habeck und von Kretschmann wagen. 

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