i
Foto: Matthias Balk, dpa (Symbolbild)
Foto: Matthias Balk, dpa (Symbolbild)

Teilweise wird VPN benutzt, um an unabhängige Informationen zu gelangen.

Krieg in der Ukraine
05.03.2022

Warum der Krieg in der Ukraine auch ein Informationskrieg ist

Von Theresa Brandl

Plus In der Ukraine herrscht Krieg. Unabhängige Medien werden von russischer Seite massiv zensiert. Mehrere internationale Sender haben deshalb ihre Berichterstattung eingestellt.

Über eine Woche ist nun vergangen, seitdem das russische Militär in die Ukraine einmarschiert ist. "Es fühlt sich immer noch seltsam an, das auszusprechen. Aber die Ukraine befindet sich im Krieg", sagt Christopher Resch. Er ist Pressereferent bei Reporter ohne Grenzen, einer gemeinnützigen Organisation, die sich weltweit für die Pressefreiheit einsetzt. Jedes Jahr wird dort eine Rangliste der Pressefreiheit veröffentlicht, auf der derzeit 180 Länder danach beurteilt werden, wie frei die Medien dort jeweils berichten können. Russland liegt auf Platz 150.

Weiterlesen mit dem PLUS+ Paket
Zugriff auf alle PLUS+ Inhalte. Jederzeit kündbar.
JETZT AB 0,99 € TESTEN

In Russland steht es schlecht um die Freiheit der Medien

Ein Rang, für den sich derzeit täglich zahlreiche neue Argumente finden. Erst am vergangenen Freitag hat Russlands Präsident Wladimir Putin mehrere Gesetze unterzeichnet, die die freie Meinungsäußerung und damit auch die unabhängige Medienberichterstattung weiter stark beschneiden. Bis zu 15 Jahre Haft drohen für die Verbreitung von angeblichen "Falschinformationen" über die russischen Streitkräfte. Bereits seit vergangener Woche ist es Medien in Russland nicht mehr erlaubt, in der Berichterstattung über den Krieg gegen die Ukraine Begriffe wie "Angriff", "Invasion" und "Kriegserklärung" zu verwenden. Moskau bezeichnet den Krieg als militärische "Spezialoperation".

21 Bilder
Foto: Alexander Zemlianichenko, dpa (Archivbild)
Putins Leben in Bildern: Vom Arbeiterkind zum Staatschef
zurück
Foto: Alexander Zemlianichenko, dpa (Archivbild)

Wladimir Wladimirowitsch Putin kommt am 7. Oktober 1952 als Sohn einer armen Arbeiterfamilie in Leningrad, dem heutigen St. Petersburg, zur Welt.

Foto: Anatoly Maltsev, dpa (Archivbild)

Putin studiert Jura an der Staatlichen Universität von Leningrad. 2000 wird er zum Ehrendoktor der Juristischen Fakultät der Universität St. Petersburg ernannt.

Foto: Dmitry Astakhov, dpa

Von 1975 bis 1990 ist Putin im Dienst des Auslandsressort des KGB in der Sektion Wissenschaft und Technik. In dieser Zeit arbeitet er unter anderem in Dresden.

Foto: Presidential Press Service/Itar-Tass Pool/dpa (Archivbild)

1994 wird Putin erster Stellvertreter des Bürgermeisters von Sankt Petersburg, Anatolij Sobtschak. Auf dem Bild weiht er ein Denkmal des verstorbenen Bürgermeisters ein.

Foto: Itar-Tass-Pool/dpa (Archivbild)

1998 wird Wladimir Putin Chef des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, dem Nachfolger des KGB. Hier begrüßt ihn der damalige russische Präsident Boris Jelzin.

Foto: dpa (Archivbild)

Als Ministerpräsident gibt Putin den Einmarschbefehl für seine Truppen in Tschetschenien im Kampf gegen die Rebellen. 1999 tritt Jelzin zurück, Putin kommt ins höchste Staatsamt.

Foto: Yuri Kochetkov, dpa (Archivbild)

Putin kandidiert 2000 zum ersten Mal bei der russischen Präsidentschaftswahl...

Foto: dpa (Archivbild)

...und gewinnt. Boris Jelzin gratuliert ihm.

Foto: dpa (Archivbild)

Am 7. Mai 2000 wird Putin vereidigt.

Foto: Dmitry Astakhov, dpa (Archivbild)

Vier Jahre später: Putin wird erneut zum russischen Präsidenten gewählt. Hier kommt er mit seiner Frau Ljudmila zur Stimmabgabe.

Foto: Yuri Kochetkov, dpa (Archivbild)

Entsprechend der Verfassung, welche maximal zwei Amtszeiten als Präsident hintereinander vorsieht, gibt Putin 2008 das Amt an Dmitri Medwedew ab. Putin wird Ministerpräsident.

Foto: Alexander Zemlianichenko, Pool/dpa (Archivbild)

Bei der Dumawahl im Dezember 2011 verliert Putins Partei rund 15 Prozent gegenüber der Wahl 2007. In Folge dessen kommt es zu Demonstrationen in Moskau.

Foto: Ivan Sekretarev, dpa (Archivbild)

Putin hat Tränen in den Augen, nachdem er 2012 in sein Präsidentenamt zurückkehrt. Seine Amtszeit ist von vier auf sechs Jahre erweitert worden.

Foto: Alexei Nikolsky, dpa (Archivbild)

Putin lässt sich 2013 nach drei Jahrzehnten Ehe von seiner Frau Ljudmila scheiden, mit der er zwei Töchter hat.

Foto: Alexey Druginyn/Ria Novosti, dpa (Archivbild)

2014 annektiert Wladimir Putin die ukrainische Krim-Halbinsel. Der Schritt löst die schwerste diplomatische Krise zwischen Russland und dem Westen seit dem Kalten Krieg aus.

Foto: Alexey Druzhinyn/Ria Novosti/Pool, dpa (Archivbild)

2015: Putin unterstützt die Regierung von Machthaber Baschar al-Assad im syrischen Bürgerkrieg militärisch.

Foto: Alexander Zemlianichenko/pool, dpa (Archivbild)

Im Dezember 2017 kündigt Putin an, bei der Präsidentschaftswahl im März 2018 erneut für eine sechsjährige Amtszeit zu kandidieren.

Foto: Alexander Zemlianichenko, dpa (Archivbild)

Bei der Präsidentschaftswahl im März 2018 siegt Putin klar. Im Mai folgte die Vereidigung für seine vierte Amtszeit.

Foto: Sergei Guneyev, dpa/Pool Sputnik Kremlin/AP (Archivbild)

Im Jahr 2019 führte Putin mit dem belarussischen Präsident Aljaksandr Lukaschenko Gespräche über die Vereinigung beider Staaten zu einem Unionsstaat. Bis heute ist das nicht gelungen.

Foto: Alexei Nikolsky, dpa/Pool Sputnik Kremlin/AP (Archivbild)

Mitte März 2020 wurde vom Parlament eine Verfassungsänderung verabschiedet, welche die Zählung der Amtszeiten für Putin wieder auf Null setzt und ihm zudem mehr Rechte verschafft.

Foto: Kay Nietfeld, dpa (Archivbild)

Durch ein im Dezember 2020 von der Staatsduma verabschiedetes Immunitätsgesetz für ehemalige russische Staatschefs erhielt Putin lebenslange Straffreiheit über das Ende seiner Amtszeit hinaus.

Für Christopher Resch kommt diese Entwicklung nicht überraschend: "Wir konnten in den vergangenen Monaten einen extremen Anstieg der Repressionen in Russland beobachten", sagt er. Er könne deshalb auch nachvollziehen, dass derzeit zahlreiche internationale Medien ihre Berichterstattung aus Russland wegen der massiven Eingriffe beenden. Während zunächst mehrere englischsprachige Sendeanstalten diesen Schritt verkündeten, setzen nun auch die beiden öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland, ARD und ZDF, vorübergehend die Berichterstattung aus Russland aus.

Klage vor dem Internationalen Strafgerichtshof eingereicht

Während Wladimir Putin in seinem eigenen Land von der russischen Medienaufsicht Roskomnadsor unterstützt wird, die sämtliche unabhängige Berichterstattung rigoros blockiert, fällt es in der Ukraine schwerer, die Bevölkerung von verlässlichen Quellen abzukapseln. Deshalb werden dort seit dem 1. März gezielt Sendemasten öffentlicher Medien bombardiert, erzählt Resch: "Bei diesem Angriff ist tatsächlich auch der erste Journalist ums Leben gekommen". Reporter ohne Grenzen hat dagegen nun Klage vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag eingereicht – wegen möglicher Kriegsverbrechen. "Wir sehen das gerechtfertigt", sagt Resch über die Klage.

Um den russischen Eingriffen akut etwas entgegenzusetzen, kümmert sich Reporter ohne Grenzen um die technische Infrastruktur der betroffenen Medien. So gibt es beispielsweise das sogenannte Collateral Freedom Project, sagt Christopher Resch. Die Idee dahinter: Wenn eine Webseite beispielsweise von russischer Seite blockiert wird, können die Inhalte auf einen anderen Server gespiegelt werden. Dieser gehört oft riesigen Internetgiganten wie beispielsweise Amazon. Wenn die Regulierungsbehörde diese gespiegelte Seite dann loswerden will, müsste sie alles blockieren, was auf dem jeweiligen Cloud-Server gespeichert ist. Das würde zu einem enormen Kollateralschaden führen, der Preis wäre also sehr hoch.

Lesen Sie dazu auch

Außerdem spricht Resch davon, dass über VPN-Zugänge oder über den Tor-Browser auf unabhängige Medien zugegriffen werden kann. Durch die beiden Methoden täuscht der Internetbrowser vor, dass sich der Internetnutzer nicht in Russland befindet. Die gesperrten Seiten können also aufgerufen werden. Doch besonders für Medienschaffende löse das nicht wirklich das Problem, sagt Resch: "Wenn der kritische Journalismus kriminalisiert ist, dann hilft das auch nicht viel. Die russischen Behörden können trotzdem etwas von einer Veröffentlichung mitbekommen. Das ist am Ende leider etwas zahnlos."

Journalistin Kutscher: "Wer weiter macht wie bisher, ist in Gefahr."

Auch Tamina Kutscher findet deutliche Worte: "Die Tage der unabhängigen Berichterstattung in Russland sind gezählt." Kutscher ist Chefredakteurin der Internetplattform dekoder.org. Dort werden Beiträge unabhängiger russischer Medien ins Deutsche übertragen und eingeordnet. Sie erzählt davon, dass die Chefredakteurin des Propagandesenders Russia Today, Margarita Simonjan, Medien als Waffen im Informationskrieg bezeichnet habe. Und genau das passiere nun, "jetzt werden Schüsse abgefeuert gegen die, die für die Wahrheit kämpfen", sagt Kutscher.

Kutscher erwartet nun tägliche Verschärftungen der Situation für Journalistinnen und Journalisten: "Wer weiter macht wie bisher, ist in Gefahr." Christoph Retsch meint, man müsse in Russland versuchen, unabhängige Informationen vorbei an der Zensur zu verbreiten: "Zwischen den Zeilen." In der Ukraine hingegen sei zunächst einfach nur wichtig, die Menschen überhaupt mit Informationen zur Lage im Land zu erreichen: "Dort ist der Zugang im Moment lebens-, vielleicht sogar überlebenswichtig."

Facebook Whatsapp Twitter Mail