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"Immunschuld" erklärt: Warum sind gerade so viele Menschen krank?

Krankheitswelle

Viele Krankheitsfälle: Ist eine "Immunschuld" die Ursache?

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    Die Pandemie hat unser Immunsystem in der Regel nicht geschwächt. Doch einige Infekte werden jetzt nachgeholt.
    Die Pandemie hat unser Immunsystem in der Regel nicht geschwächt. Doch einige Infekte werden jetzt nachgeholt. Foto: Susann Prautsch, dpa (Archivbild)

    Husten, Niesen, Schnupfen: Über neun Millionen Menschen sind aktuell in Deutschland krank. Das sind überdurchschnittlich viele für diese Jahreszeit. Vor allem Atemwegserkrankungen sind es, die kursieren. Immer wieder ist in diesem Zusammenhang von "Immunschuld", englisch "immunity debt", die Rede. Woher kommt der Begriff, was bedeutet er – und was ist medizinisch an der Theorie der "Immunschuld" dran? 

    In den sozialen Netzwerken liest man das Wort häufig im Zusammenhang mit der aktuellen Krankheitswelle. Viele Menschen behaupten: Diese "Immunschuld" ist die Ursache, warum zurzeit so viele krank sind. Das Argument lautet: Die Coronapandemie und die Schutzmaßnahmen der vergangenen Jahre haben dazu geführt, dass das Immunsystem vieler Menschen geschwächt ist. 

    Das ist die Bedeutung von "Immunschuld"

    Die Maskenpflicht und Abstandsregeln hätten verhindert, dass es die Abwehr von Krankheitserregern trainiert. Deshalb sei das Immunsystem nun anfälliger für Krankheiten. Durch die Lockdowns der vergangenen beiden Jahre sei deshalb ein Rückstau an Infektionen aufgebaut worden. Der würde nun abgearbeitet – und führe zu den vielen Krankheitsfällen. 

    Das Argument ist für viele Menschen greifbar und logisch. Viele Eltern sehen darin eine Erklärung, warum ihr Kind gerade krank ist. Doch auch viele, die die Coronamaßnahmen stark kritisierten, sehen sich darin bestätigt: Die Lockdowns haben dem Immunsystem und damit der Gesundheit mehr geschadet, als dass sie Ansteckungen verhinderten, behaupten sie.

    Corona-Maßnahmen sind nicht schuld an Krankheitswelle

    Wie viel Wahres steckt dahinter? Verschiedene Mediziner und Medizinerinnen können dem Argument der "Immunschuld" nur wenig abgewinnen. Der Immunologe Reinhold Förster erklärte gegenüber BR24, die Aussage, Immunsystem habe unter der Pandemie gelitten, sei falsch. "Ein Leiden wäre ja, wenn es schwach würde und nicht mehr reagieren kann. Das ist nicht der Fall."

    Was laut Förster aber stimme: Während der Pandemie hat das Immunsystem Trainingseinheiten für bestimmte Krankheitserreger verpasst. In Hinblick auf die Maskenpflicht bedeutet das, dass es den Umgang mit Viren, die Atemwegserkrankungen auslösen, nicht trainieren konnte. Die Maskenpflicht habe aber nicht verhindert, dass das Immunsystem das Training mit anderen krank machenden Viren verpasst, zum Beispiel in Lebensmitteln. 

    RS-Virus, Grippe: Ein Infektions-Rückstau existiert nicht

    Auch die Virologin Isabella Eckerle sieht den Mythos "Immunschuld" kritisch. Was Viren wie das RS-Virus oder Influenza angeht, gebe es in der Theorie einen Denkfehler: Viele Kinder erkranken ausgerechnet dieses Jahr am RS-Virus oder Grippe, weil die Viren 2020 und 2021 kaum umhergingen, schrieb sie auf Twitter. Ein Rückstau an Infektionen sei der nicht Grund, betont die Virologin – ein solcher existiere gar nicht: "Es gibt kein 'Infektions-Konto', das man abarbeiten muss, damit man am Ende des Jahres bei null ist." Hinzukomme: Auch in Ländern wie Schweden, in denen es während der Pandemie deutlich weniger Schutzmaßnahmen gab, sind aktuell viele Kinder krank.

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