Für Herzen ist kein Platz im Fluggeschäft

16.08.2018

Vor einem Jahr ging Air Berlin pleite. Die Luft zwischen Billigfliegern und Lufthansa wurde zu dünn. Auch heute zählt für viele Kunden eben nur der Preis.

Es wurde alles gegeben, um die ewig kriselnde Fluggesellschaft Air Berlin zu retten. Nicht nur Scheichs, selbst ein Manager, dessen Vorname quasi Bahnchef ist, musste ran. Aber auch „der Mann fürs Böse“, wie die taz Hartmut Mehdorn mal bösartig genannt hatte, war mit dem Härtefall überfordert. Wenn Bahnchef schon, wie Ex-Kanzler Gerhard Schröder einst gespottet hatte, der „zweitverrückteste Job der Welt“ sei, war es sicherlich eines der aussichtslosesten Kommandos, Air Berlin durch die Turbulenzen der Luftfahrtbranche zu steuern.

Da konnte das Unternehmen mit seinen rot eingepackten Schokoladenherzen und der kumpeligen Currywurst-Mentalität noch so sympathisch wirken, am Ende wurde es eingequetscht zwischen gnadenlosen Billigfliegern wie Ryanair oder Easyjet und der alten, aber mächtigen Großtante Lufthansa, deren Günstig-Tochter Eurowings von der Air-Berlin-Pleite profitiert.

Es war einfach zu wenig Platz vorhanden für eine sich in der Mitte durchschlängelnde Airline mit keinem klaren und vor allem nachhaltigen Konzept. Da half alle Verklärung aus einstigen glorreichen Zeiten als solider Mallorca-Shuttle nichts mehr. Insofern ist die vor einem Jahr erfolgte spektakuläre Air-Berlin-Pleite lehrreich: Eine Firma braucht eine eindeutige Ausrichtung, in einer preisverrückten Branche wie der Luftfahrt ohnehin.

Der Staatskredit für Air Berlin bleibt fraglich

Ryanair-Chef Michael O’Leary hat in seiner partiellen Bösartigkeit einmal gefrotzelt, Deutsche würden für billige Flugtickets „nackt über Scherben kriechen“. Darin steckt ein wahrer Kern: Geiz ist geil und billig macht willig – das gilt gerade im Luftfahrtbereich, beileibe nicht nur in Deutschland. Die Wahrheit ist: Fliegen definiert sich immer mehr über den Preis als über Kriterien wie Komfort. Viele Fluggäste murren zwar, dass sie auf kürzeren Strecken ohne Aufpreis nur noch etwas zu trinken und allenfalls ein labberiges Sandwich bekommen, sie ertragen das aber, weil der Flug günstig ist. Und sie nehmen es selbst auf Strecken von Deutschland nach New York hin, immer enger eingepfercht zu werden. Viele Deutsche sparen gerne am Essen und am Fliegen, auch um sich einen schönen Urlaub und bullige Premium-SUVs leisten zu können.

Was das Fliegen betrifft, wurden sie von Rüpel-Männern wie O’Leary erzogen. Er hat Kosten radikal gesenkt, etwa indem nur ein Flugzeugtyp zum Einsatz kommt, die Maschinen möglichst kurz am Boden bleiben und die Mitarbeiter nicht wie bei der Großtante Lufthansa verwöhnt werden. Das radikale Erfolgsrezept konnte Air Berlin nicht kopieren und zur Kranichlinie 2 reichte es schon gar nicht. Das ist jetzt Eurowings. Da mag es für viele Air-Berlin-Beschäftigte, die zwar einen Job gefunden haben, aber das oft zu schlechteren Konditionen, ein schwacher Trost sein, dass nun Gewerkschafter Ryanair mit Streiks zusetzen. Auch wenn das Pendel der Gerechtigkeit gegen den Billigheimer zurückschwingt, kommt das für Air Berlin zu spät.

Am Ende stellt sich sogar die Frage, ob die damals wahlkämpfende Bundeskanzlerin der todgeweihten Airline wirklich noch einen Staatskredit von 150 Millionen Euro hätte gewähren dürfen. Schließlich steht hier Steuergeld im Feuer und nur 77,3 Millionen Euro sind bisher zurückgeflossen. Es bleibt bis heute fraglich, inwieweit es gerechtfertigt ist, so viel Geld rauszurücken, um Ruhe im Wahlkampf zu haben.

Aber es wären herzlose Bilder um die Welt gegangen, wenn Air-Berlin-Kunden nach der Pleite nicht aus ihrem Urlaub hätten zurückfliegen können. Herzlosigkeit strafen Wähler gerne ab. Ihnen fehlt aber meist ein Herz für übergeordnete ordnungspolitische Überlegungen. Für die Fluglinie mit den Schokoherzen kam ohnehin alles zu spät.

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