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Interview: Lidl-Geschäftsführer: "Das Tierwohl-Label sollte verpflichtend sein"

Interview

Lidl-Geschäftsführer: "Das Tierwohl-Label sollte verpflichtend sein"

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    Seit 2001 arbeitet Christof Mross für Lidl. Inzwischen ist er Geschäftsführer Einkauf und damit etwa für das Fleisch, das der Discounter einkauft, zuständig.
    Seit 2001 arbeitet Christof Mross für Lidl. Inzwischen ist er Geschäftsführer Einkauf und damit etwa für das Fleisch, das der Discounter einkauft, zuständig. Foto: Lidl

    Herr Mross, Lidl hatte zwei Mal den Beyond-Meat-Burger im Sortiment. Das Produkt war schnell ausverkauft. War das ein gelungener Marketing-Coup oder ist es so schwer, die Burger in ausreichender Menge zu bekommen?

    Christof Mross: Der Beyond-Meat-Burger war beides Mal in vielen Filialen ausverkauft, da der Hersteller die Fleischalternative nur in beschränkten Mengen liefern konnte. Uns war es nach der ersten erfolgreichen Aktion aber wichtig, die auf dem Markt verfügbare Menge so schnell wie möglich erneut deutschlandweit in unsere Filialen zu bringen, damit Kunden nicht so lange darauf warten müssen. Wir arbeiten bereits an weiteren Aktionen mit Beyond Meat.

    Was macht einen typischen Lidl-Kunden aus?

    Mross: Er sucht ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Ansonsten sind unter unseren Kunden alle Einkommens- und Altersklassen vertreten und eine steigende Anzahl von Menschen, die Wert auf Nachhaltigkeit legen.

    Lidl arbeitet mit nun Bioland zusammen, Sie verkaufen Fairtrade-Produkte, sie treten für eine Tierwohl-Kennzeichnung ein. Warum das alles?

    Mross: Die Nachfrage unserer Kunden verändert sich. Darauf müssen wir reagieren, um langfristig erfolgreich zu bleiben. Das Angebot ist eine logische Reaktion auf die gesellschaftlichen Veränderungen. Und diese Veränderungen sind gut und richtig. Als mittlerweile weltweit operierendes Unternehmen und als einer der größten Händler in Deutschland haben wir eine Verantwortung und der müssen wir gerecht werden. Und deshalb machen wir all diese Dinge. Bei der Haltungskennzeichnung etwa waren wir die ersten, die diese Transparenz geschaffen haben. Das war auch ein Wagnis. Aber wir haben gesagt: Wir können nicht nur reden, wir müssen auch Fakten schaffen.

    Verbraucher sagen ja gerne, sie würden mehr für Fleisch mit Tierwohl-Siegel oder Lebensmittel in Bio-Qualität auszugeben. Sie tun es aber nicht. Merken Sie das auch?

    Mross: Die Beobachtung ist mit Sicherheit nicht falsch, sie trifft aber seltener zu. Denn die Zahl der Menschen, die wirklich bereit sind, an der Kasse mehr zu zahlen, nimmt zu. Bei uns werden zum Beispiel immer mehr Bio-Artikel gekauft. In Deutschland spürt man allerdings noch regionale Unterschiede. Aber es tut sich überall etwas. Wir merken: Bis die gesellschaftliche Veränderung im Laden ankommt, dauert es manchmal etwas.

    Laufen Sie mit der Entscheidung zu mehr Bio- und Tierwohl-Produkten und mit der Werbung dafür nicht Gefahr, es sich mit einer Käufergruppe zu verscherzen, die mit diesen Themen gar nichts anfangen kann?

    Mross: Nein. Wir sagen nicht: Wir listen jetzt das komplette konventionelle Fleisch aus und bieten nur noch Bio-Fleisch an. Das könnten sich manche Menschen nicht leisten. Deswegen bieten wir Bio-Produkte zusätzlich im Sortiment an. Unsere Einstellung ist es, alle Produkte transparent zur Verfügung zu stellen. Dann kann der Kunde eine bewusste Kaufentscheidung treffen. Damit treten wir niemandem auf die Füße und wir richten unsere Nachfrage dann nach den Wünschen unserer Kunden. Wenn irgendwann ein konventionelles Produkt nicht mehr nachgefragt wird, nehmen wir es aus dem Sortiment.

    Sie sagen, die Zahl der Menschen, die mehr bezahlen, nimmt zu. Sind das neue Käufergruppen oder liegt das an einem Bewusstseinswandel der bestehenden Kunden?

    Mross: Sowohl als auch. Wir haben zum einen Kunden, die früher bewusster eingekauft haben, und die jetzt sagen: Oh, bei Lidl kann ich meinen kompletten Einkauf in Bioqualität erledigen. Diese Kunden haben wir gewonnen. Weil auch diesen Leuten eine gute Bio-Qualität zu einem fairen Preis wichtig ist. Und dann haben wir Lidl-Kunden, die sagen: Ich greife neben konventionellen Artikeln auch mal hier und da zum Bio-Produkt. Die Nachfrage explodiert nicht, aber es ist ein stetiger Wandel, den wir beobachten.

    Können Sie Zahlen nennen für den stetigen Zuwachs?

    Mross: Der Bio-Anteil im Gesamtmarkt liegt bei etwa fünf Prozent. Da sind wir bei Lidl noch nicht. Aber da wollen wir kurzfristig hin.

    Bei der Fairtrade-Banane hatten Sie ebenfalls die Hoffnung, dass der Kunde weniger auf den Preis schaut. Sie wollten nur noch fair gehandelte Bananen anbieten. Diese Strategie ist nicht aufgegangen und Sie mussten zurückrudern. Hat Sie das enttäuscht, dass dieses Experiment nicht funktioniert hat?

    Mross: Wir experimentieren nicht mit unseren Kunden. Wir sind davon überzeugt, dass Fairtrade der richtige Weg ist. Wir haben auch fest daran geglaubt, dass unsere Wettbewerber es genauso sehen und mitmachen. Das war jedoch leider nicht der Fall. Wir haben auch nicht erwartet, dass Kunden an dieser Stelle teilweise so preissensibel sind. Als Wirtschaftsunternehmen müssen wir dann die nächsten Schritte genau abwägen. Wir haben klar kommuniziert, dass wir zu Fairtrade stehen und bieten unseren Kunden ab Sommer deutschlandweit drei Bananen-Varianten an, zwei davon Fairtrade-zertifiziert.

    Könnte so etwas auch bei Bio-Lebensmitteln oder beim Tierwohl-Label passieren?

    Mross: Nein, das ist eine ganz andere Situation. Wir wollten die konventionelle Banane komplett ersetzen. Unsere Strategie ist es ansonsten, dem Kunden die Wahl zu lassen. Es gibt den konventionellen Naturjoghurt und den in Bioland-Qualität. Wir bieten Fleisch in der Haltungsstufe eins „Stallhaltung“, aber auch in der Stufe vier „Premium“ an. (Das Bedeutet das Tierwohl-Label und die Haltungskennzeichnung) Wir hoffen, dass die Anzahl der Kunden, die irgendwann nur noch zum Bio-Produkt greifen, steigt.

    Das Landwirtschaftsministerium in Berlin hat ein staatliches Tierwohl-Label angekündigt. Wie sehen Sie das denn?

    Mross: Grundsätzlich begrüßen wir, dass ein staatliches Tierwohl-Label kommen soll. Aber wir würden uns wünschen, dass es verpflichtend kommt und nicht nur für den Handel, sondern auch für die Gastronomie und die verarbeitende Industrie. Es hätte eine ganz andere Wirkung, wenn sich alle beteiligen würden.

    Wäre es nicht sinnvoll gewesen, die Kriterien der Initiative Tierwohl als Grundlage für ein Gesetz zu nehmen?

    Mross: Das ist nicht so einfach. Die Landwirtschaft muss mitgenommen werden, wir können das Thema nicht auf dem Rücken unserer Bauern austragen. Dafür muss man wissen, wo wir herkommen: In den 60er Jahren war es wichtig, die Fleischversorgung der Republik sicherzustellen. Das hat die Landwirtschaft gemacht. Jetzt hat sich der Bedarf gewandelt. Jetzt müssen wir der Landwirtschaft eine Chance geben, den Wandel mitzugehen.

    Wenn man mit Landwirten über das Thema Tierwohl spricht, dann fühlen die sich oft nicht mitgenommen. Sie sagen dann: Wir würden ja gerne mehr machen, aber der Handel, allen voran die Discounter – also Sie – drücken die Preise. Was entgegnen Sie dieser Argumentation?

    Mross: Wir als Discounter verhandeln die Preise nicht direkt mit den Landwirten, sondern mit einem unserer Lieferanten. Dieser schließt die Verträge mit den Landwirten ab. Das ist der erste Punkt. Der zweite Punkt: Es gibt – um das Beispiel Schweinefleisch zu nennen – eine Quote, an der sich die Abgabepreise orientieren. Außerdem werden die Preise durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Zuletzt war das Angebot an Schweinen geringer und der Preis ist gestiegen. Diesen Mehrbetrag bezahlen wir dann selbstverständlich auch. Aber ja, ich habe Verständnis für die Landwirte. Ein Landwirt ist ein Unternehmer, er muss viele Investitionen tätigen. Dass die manchmal mit der Situation nicht ganz zufrieden sind, ist verständlich.

    Zur Person: Christof Mross ist seit 2001 für Lidl tätig. Er verantwortet als Geschäftsführer den Bereich Einkauf und ist unter anderem für die Warengruppen Fleisch, Wurst und Fisch zuständig. Außerdem kümmert er sich um das Thema Nachhaltigkeit.

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