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Kommentar: Der Fluch des billigen Geldes holt Deutschland ein

Kommentar

Der Fluch des billigen Geldes holt Deutschland ein

Michael Pohl
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    Die Zentralbanken haben ihre Nullzins-Politik des Gelddruckens hat nach Corona und Ukrainekrieg umkehren müssen.
    Die Zentralbanken haben ihre Nullzins-Politik des Gelddruckens hat nach Corona und Ukrainekrieg umkehren müssen. Foto: Esma Cakir, dpa

    Der Reiseanbieter FTI, die Warenhauskette Galeria Karstadt, der Versandhändler Weltbild oder die Modefirma Esprit: Sie stehen stellvertretend für viele weniger bekannte Insolvenzen. Fachleute sind besorgt, dass immer mehr große Unternehmen in die Krise geraten und schnelle Rettung wie zuletzt bei Galeria zur Ausnahme wird: Von jenen Firmen, die 2023 zum Insolvenzrichter mussten, konnte nur gut ein Drittel vom Untergang gerettet werden. Früher gelang das bei weit über der Hälfte.

    Viele Probleme treffen Deutschland härter als erwartet

    Die gestiegenen Insolvenzen sind nur ein Beispiel dafür, wie viele Probleme Deutschland härter treffen als erwartet. So schrumpfte die Wirtschaft überraschend auch im vergangenen Vierteljahr. Die Neubauzahlen am Wohnungsmarkt drohen noch stärker einzubrechen, obwohl die Wohnungsnot längst bis in die Mitte der Gesellschaft reicht. Der Staat, der gegensteuern könnte, klagt selbst über knappe Kassen, vor allem auf Städte- und Gemeindeebene. All dies, und viele weitere aktuelle Probleme eint eine gemeinsame Ursache. Und es ist ausnahmsweise nicht allein der Krieg in der Ukraine.

    Nicht nur Wohnbaugesellschaften stellen Projekte zurück. Auch massenhaft Unternehmen von der Industrie bis zum Mittelstand verschieben unterschriftsreif geplante Investitionen, streichen sie zusammen oder geben sie ganz auf. Denn nicht nur die Rahmenbedingungen haben sich verschlechtert, sondern vor allem die Konditionen für Kredite bei den Banken. Plötzlich rechnen sich durchkalkulierte Projekte nicht mehr. Kriselnde Unternehmen können sich Anschlusskredite nicht mehr leisten und geraten in Insolvenzgefahr.

    Andere Volkswirtschaften hängen Deutschland trotz hoher Zinsen ab

    Und genau hier liegt das Grundproblem, das große Teile der Wirtschaft und öffentliche Hand erfasst: Nach Ende der künstlichen Niedrigzinsphase funktioniert das Modell Deutschland nicht mehr richtig. Andere Volkswirtschaften wie die USA erwirtschaften deutlich mehr Wachstum, obwohl auch dort Zentralbanken die Zinsen stark erhöhten. Hüben wie drüben ließen zuvor Kosten für Coronahilfen und steigende Energiepreise die Inflation hochschießen.

    Selbst die einstigen Eurokrisenländer Spanien, Italien und Griechenland hängen, Deutschland beim Wachstum ab: Sie haben die Niedrigzinsphase – unter deutschem Druck – für Reformen und für Investitionen in Infrastruktur und Digitalisierung genutzt.

    Der Wirtschaftsriese Deutschland ist schwächer als wahrgenommen

    Deutschland wird dagegen vom Fluch des billigen Geldes eingeholt: Die Politik hat die Gunst der Jahre in falscher Sicherheit nicht für kräftige Zukunftsinvestitionen genutzt. Stattdessen versuchte sie, viele Probleme mit Geld und Bürokratie zuzuschütten. Jetzt wird es schwer, von dieser Politik loszukommen: Die großzügigen Entscheidungen der Vergangenheit verursachen jedes Jahr erneut hohe Kosten. Schuldenmachen wird bei hohen Zinsen immer teurer.

    Das Ende des billigen Geldes offenbart es wie ein böser Infekt: Der Wirtschaftsriese Deutschland ist schwächer, als ihn die Menschen im In- und Ausland wahrgenommen haben. Ob die Niedrigzinsen zurückkehren, ist fraglich. Zinswenden dauern erfahrungsgemäß sehr lange. Sie bergen schwer kalkulierbare Nebenwirkungen, weshalb die unabhängigen Zentralbanken sehr vorsichtig handeln. Die Politik sollte nicht drauf warten. Denn ohne Reformen und mehr Investitionen in Wachstum, Digitalisierung, Bildung und Innovation kommt Deutschland nicht wieder in Fahrt. Nun gilt es, die vorhandenen Einnahmen zielgerichteter auszugeben.

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    4 Kommentare
    Martin Goller

    Nicht der Fluch des billigen Geldes, sondern der Fluch der 16 Jahre konservativen Regierung. In einer Zeit wo dem deutschen Staat Geld geschenkt wurde (negative Zinsen auf Staatsanleihen) hat man die Infrastruktur verkommen lassen und MUSS jetzt investieren damit der Laden nicht vollends vor die Wand fährt. Und alles nur weil man dem volkswirtschaftlichen Märchen der schwarzen Null hinterherlaufen ist.

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    Franz Wagner

    Nene mit der "schwarzen Null" hat das nichts zu tun, sondern für was man das reichlich vorhandene Geld ausgibt! Da liegt das Problem. Wenn ich den Sozialstaat immer weiter aufblase dass sich nicht arbeiten mehr lohnt wie arbeiten dann ist was grundlegendes faul und gehört korrigiert!

    Martin Goller

    Warum Lügen Sie? Das stimmt nicht was Sie schreiben. Scheinbar hat die soziale Propaganda bei Ihnen verfangen, tut mir Leid für Sie.

    Wolfgang Boeldt

    1. Vielleicht solltem an mal den Begriff "Firma" korrekt verwenden. Darunter versteht man nämlich den Namen eines Unternehmens, nicht das Unternehmen selbst. 2. Die gestiegene Anzahl an Insolvenzen ist m.e. nur z.T. auf äußere Einflüsse zurückzuführen. Größtenteils sind das Managementfehler. Eine Änderung des wirtschaftrlichen Umfeldes kommt nicht von heute auf morgen. 3. Das sog. billige Geld ist kein Fluch. Eher das Gegenteil. Die Investoren, auch der Staat, müssen halt in ihrem Kalkül berücksichtigen, daß das nicht immer so bleibt, sondern daß das Geld auch mal wieder "teurer" wird.

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