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Foto: Patrick Pleul, dpa (Symbolbild)
Foto: Patrick Pleul, dpa (Symbolbild)

Besonders hart trifft die Inflation ärmere Haushalte. Sie müssen einen großen Teil ihres Einkommens für lebensnotwendige Güter wie Wohnen oder Lebensmittel aufwenden.

Konjunktur
06.01.2022

Entgegen der Prognosen: Inflation steigt noch einmal an

Von Stefan Stahl

Experten hatten eigentlich damit gerechnet, dass die Teuerung im Dezember etwas zurückgeht. Was nun auf die Europäische Zentralbank zukommt.

Die Teuerung steigt in Deutschland auf immer neue Höhen. So lag die Inflationsrate – gemessen als Veränderung des Verbraucher–Preisindex zum Vorjahresmonat – im Dezember 2021 nach ersten Berechnungen bei satten 5,3 Prozent. Gegenüber November 2021 stiegen die Verbraucherpreise demnach leicht an, hat das Statistische Bundesamt ausgerechnet. Nach den bisher vorliegenden Daten wird die Inflationsrate im Jahresdurchschnitt 2021 wohl bei spürbaren 3,1 Prozent landen, während es im Pandemie-Jahr 2020 nur 0,5 Prozent waren. Die endgültigen Ergebnisse für Dezember und das gesamte Jahr 2021 werden am 19. Januar veröffentlicht.

Die hohen Teuerungsraten seit Juli vergangenen Jahres gehen aus Sicht der Experten des Statistischen Bundesamtes auf eine Reihe von Ursachen zurück, darunter Basiseffekte durch niedrige Preise im Jahr 2020. Hier wirkten sich insbesondere die zeitweise Senkung der Mehrwertsteuersätze und der Preisverfall der Mineralölprodukte erhöhend auf die aktuelle Gesamtteuerung aus. Neben solchen temporären Faktoren aus der Vergangenheit machen sich immer mehr auch durch die Pandemie hervorgerufene wirtschaftliche Effekte wie Lieferengpässe etwa bei Chips für Autos preissteigernd bemerkbar.

Inflation wirkt sich unterschiedlich aus

Doch Inflation ist nicht gleich Inflation. Die Statistiker verweisen darauf, dass es stark vom Ausgabeverhalten eines Haushalts abhänge, wie schmerzhaft er von einem Teuerungsschub wie zuletzt betroffen ist: „Wer zum Beispiel kein Auto hat, wird auch kein Geld für Kraftstoffe und Fahrzeugwartung ausgeben – diese gehören aber zum Warenkorb des Verbraucherpreisindex.“ Daher hat das Statistische Bundesamt auf der Homepage der Einrichtung einen persönlichen Inflationsrechner eingerichtet. Er bietet die Möglichkeit, einzelne Güterbereiche – je nach den individuellen Konsumgewohnheiten – anzupassen und so eine persönliche Teuerungsrate zu ermitteln. Das erfordert Mühe, ist aber aufschlussreich.

Doch wie ist der zuletzt noch einmal deutliche Anstieg der Inflation einzuschätzen? Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer hält fest, dass die Teuerung entgegen den Erwartungen im Dezember nicht leicht gefallen, sondern eben weiter auf 5,3 Prozent zugelegt hat – und das, „obwohl sich Energie im Vergleich zum November verbilligte“. Für den Experten steht fest: „Der Preisdruck ist im Dezember überraschend hoch geblieben. Zwar sollte die Inflationsrate nach der Jahreswende wegen des Wegfalls von Sonderfaktoren sinken. Aber die Inflationsrisiken weisen klar nach oben.“

Experten rechneten mit einer niedrigeren Inflation

Volkswirtinnen und Volkswirte waren im Schnitt davon ausgegangen, dass die Inflationsrate im Dezember nicht weiter zulegt, sondern von 5,2 auf 5,1 Prozent sogar etwas nachgeben könnte. Was dabei interessant ist: Der von Ökonomen als Kerninflationsrate bezeichnete Wert, also die Teuerung ohne Energie- und Nahrungsmittelpreise, ist zuletzt nach Schätzungen der Commerzbank weiter deutlich gestiegen, nämlich von 3,3 Prozent im November auf 3,7 Prozent im Dezember. Das führt Krämer vor allem auf die Materialengpässe, welche die Produzentenpreise zuletzt rasant um 19,2 Prozent in die Höhe trieben, zurück. Und so kommt es, wie es kommen musste: Die Unternehmen geben diese Preis-Explosion an die Verbraucherinnen und Verbraucher weiter. Es besteht also die Gefahr, dass sich die Inflation in Deutschland verfestigt.

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Der Commerzbank-Chefvolkswirt sagte deshalb am Donnerstag gegenüber unserer Redaktion: „Ich bin mehr denn je der Meinung, dass der für dieses Jahr erwartete Rückgang der Inflation nur vorübergehend ist und sie 2023 wieder steigen sollte.“ Daraus leitet Krämer die Forderung ab: „Es wird Zeit, dass die Europäische Zentralbank den Fuß vom Gas nimmt.“ Denn durch die weiterhin hohen Haushaltsdefizite und die Anleihenkäufe der EZB gelange zu viel Geld in Umlauf. So zeichne sich ab, dass auch die Inflationsrate für den Euro-Raum höher als erwartet ausfalle. Krämer: „Die EZB muss dem Beispiel der US-Notenbank folgen und ihre Anleihekäufe rasch komplett einstellen und die Leitzinsen anheben.“ Allerdings rechnet die Commerzbank erst für Mitte 2023 mit einer ersten Zinserhöhung, weil die Europäische Zentralbank auf die Bedürfnisse hoch verschuldeter Mitgliedsländer wie Italien schiele.

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