Lokführer-Chef Weselsky gelingt nur ein 1:1 gegen die Deutsche Bahn
Weselsky setzt zwar eine Verringerung der Arbeitszeit durch. Doch es liegt in der Macht der Beschäftigten, ob sie weniger oder sogar bis zu 40 Stunden arbeiten.
Claus Weselsky kann abdanken. Mit 65 Jahren ist ihm das Kunststück oder besser gesagt das Machtstück gelungen, der Bahn zumindest grundsätzlich eine deutliche Arbeitszeitverringerung für Lokführer im Schichtdienst abzutrotzen. Der Sachse hat seinen Gewerkschaftsmitgliedern gegenüber rein auf dem Papier Wort gehalten. Dabei ist der volkswirtschaftliche Schaden durch die vielen Arbeitskampf-Tage immens. Was gut für Weselsky ist, ist nicht gut für Deutschland. Der Gewerkschafter konnte seinem Widersacher, Bahn-Personalvorstand Martin Seiler, zeigen, wozu eine geschlossen auftretende und konfliktfähige Spartenorganisation in der Lage ist. Weselsky hat durchgesetzt, dass die Wochenarbeitszeit zunächst von 38 auf 37 Stunden zurückgeht und schließlich sogar auf bis zu 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich abgesenkt werden kann. Ein Tor geht damit auf das Konto des Mannes, der gnadenlos weiter streitet, wenn andere längst einlenken.
Schmerzlicher Gegentreffer für Weselsky
Nach all dem Krawall hat der GDL-Chef indes nur ein Tor zustande gebracht. Denn Seiler ist ein besonders intelligent herausgespielter und für Weselsky schmerzlicher Gegentreffer gelungen. Der Clou an dem Tarifabschluss ist: Es liegt jetzt in der Macht der betroffenen Beschäftigten, ob sie weniger und damit nur bis zu 35 Stunden pro Woche fahren oder sogar bis zu 40 Stunden arbeiten wollen. Die Lokführergewerkschaft konnte damit nur eine 35-Stunden-Woche light durchdrücken. Durch die Hintertür hat die Bahn immerhin die Möglichkeit für eine 40-Stunden-Woche ausgehandelt, was für den Konzern allerdings teuer wird.
Nach dem Kompromiss können sich beide Seiten als Sieger verkaufen. Dabei ist die Seiler-Hintertüre gut für Deutschland: Lokführer sind schließlich in Zeiten des sich immer weiter zuspitzenden Fachkräftemangels schwer zu finden. Wenn möglichst viele 40 statt bisher 38 Stunden arbeiten, weil ihnen das zusätzliche Geld guttut, können Züge immerhin wie geplant losfahren. Ob sie dann pünktlich sind, ist ein anderes leidiges Thema.
Sie haben nicht die Berechtigung zu kommentieren. Bitte beachten Sie, dass Sie als Einzelperson angemeldet sein müssen, um kommentieren zu können. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an moderator@augsburger-allgemeine.de.
Um kommentieren zu können, gehen Sie bitte auf "Mein Konto" und ergänzen Sie in Ihren persönlichen Daten Vor- und Nachname.
Bitte melden Sie sich an, um mit zu diskutieren.
Jeder Tarifabschluß endet mit einem Kompromiß und demzufolge 1:1: Mir sind so auf die Schnelle keine Abschlüsse im Gedächtnis die ein 1:0/0:1 als Ergebnis hatten.
Ich würde das Ergebnis eher als ein 2:1 oder ein 5:3 einstufen - für die GDL. Das Erpressungspotential war gewaltig und deswegen drücken Union und FDP vermutlich bald ein restriktives Streikgesetz durch. Danke Herr Weselsky!
Ansichtssache - vielleicht mit leichten Vorteilen für die GDL, aber voraussichtlich zum Nachteil für die Bahnkunden. Streikrecht? Ja - aber etwas kontrollierter. Ich war zwar nicht betroffen, aber trotzdem kann es nicht sein, daß ein Land, insbesondere die Wirtschaft fast lahmgelegt wird. Kosten: ein Streiktag der GDL wird mit 100 000 000 € angesetzt. Auch diese Kosten wird der letzte in der Kette tragen.
Wolfgang L., es wäre mir neu, dass man mit 4,5% im Bundestag sitzt und mitbestimmt.
Genau, Streik nur noch außerhalb der Arbeitszeit! Und am besten am Wochenende, vielleicht sogar nur noch zwischen 20:00 und 6:00, damit auch die Ladenöffnungszeiten nicht tangiert werden!
Ein Streik muss weh tun dürfen - und das haben auch die Gerichte bei der GDL stets bejaht!
Es wurde Privatisierung bestellt und nun wird sie auch gelebt - wenn dass einer FDP und einer Union nicht passt dürfen sie gerne die Privatisierung der Bahn zurückdrehen!
Wenn ein Streik so teuer für die Wirtschaft ist, dann hätten ja die Arbeitgeberverbände auf den Bahnvorstand einwirken können, 35h Woche gibt es ja bei den Metallern schon lange?
Vielleicht hätte sogar die Regierung ein restriktives Anti-Streik Gesetz durchdrücken können: 35 Stunden Woche in allen Betrieben.
Aber der typisch deutsche Michel beschwert sich lieber, wenn ein anderer bessere Arbeitsbedingungen kriegen soll!
Sehr geehrter Herr Wolgang B.
Ich stimme ihnen völlig zu. Ein im Arbeitskampf erzielter Tarifvertrag ist immer ein Kompromiss und damit ein 1:1.
Klar sollten jetzt aber allen sein, mit diesem Tarifvertrag kann Bahnfahren nicht günstiger werden, da die Kostensteigerung nicht durch ein Mehr an Effizienz ausgeglichen werden kann.
Und gleichzeitig hat die GDL den Streik in einer Art und Weise geführt, der nun den Gesetzgeber wachgerüttelt hat. Das Streikrecht, so wie es besteht, ist eine demokratische Errungenschaft. Wesselskys Mini-Gewerkschaft scheint nun die demokratische Institutionen dahin bewegt zu haben, dass das bestehende Recht, die Grünen würden sagen „transformiert“ wird. Eigentlich hätte der DGB die GdL disziplinieren müssen. Und da der nächste Arbeitskampf für Weihnachten 2025 droht, also kurz nach der Bundestagswahl, gibt er der dann aktiven Regierung eine Steilvorlage um sich dem Willen der Bevölker verpflichtet zu zeigen.
Gleichzeitig schaufeln die Lokführer ihr eigenes Grab. Je teurer der Lokführer wird, um so interessanter wird die brutal teure Automatisierung des Zugbetriebes. So kann man technischen Fortschritt auch treiben.
Am Ende bleibt aber auch eine kreative und dem Einzelfall zugewandte Tarifbildung. Jeder kann, von einer Mindestbasis weg für sich selbst definieren, wie viele Stunden er arbeiten will. Wer mehr leistet, hat dann auch mehr Geld.
Bleibt nur zu hoffen, dass SPD und Grüne nicht gleich wieder Superreiche entdecken, denen das Mehr an Lohn weggesteuert wird.
Einverstanden, @Thomas T.. 2 Fragen, vielleicht noch mehr :), Sie deuteten es an, muß sich die Bahn in den nächsten Monaten/Jahren stellen.
1. Wie lege ich die erhöhten Kosten um? Rationalisierung (geht da bei Lokführern noch was), Preise erhöhern (2-schneidiges Schwert) oder nichts tun (unwahrscheinlich, da die Bahn eh schon Verluste schreibt).
2. Worst Case für die Bahn wäre, daß alle Betroffenen die 35 Stunden Woche wählen. Das käme rein rechnerisch ein Stellenabbau von so um die 10%. Wie ist dieses Loch zu stopfen? Antworten gäbe es darauf schon - die Umsetzung würde wohl schwierig werden.
"Eigentlich hätte der DGB die GdL disziplinieren müssen."
Falscher Dachverband, die GDL gehört zum DBB und der hat die Streikkasse gefüllt.
"Das Streikrecht, so wie es besteht, ist eine demokratische Errungenschaft. Wesselskys Mini-Gewerkschaft scheint nun die demokratische Institutionen dahin bewegt zu haben, dass das bestehende Recht, die Grünen würden sagen „transformiert“ wird"
In Deutschland ist das Streikrecht ein grundlegendes Recht, das im Grundgesetz verankert ist. Eine Änderung dieses Rechts würde eine Verfassungsänderung erfordern. Für eine Verfassungsänderung ist in der Regel eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat notwendig. Und ob diese Mehrheit vorhanden ist, wage ich zu bezweifeln.
"Und da der nächste Arbeitskampf für Weihnachten 2025 droht, also kurz nach der Bundestagswahl, gibt er der dann aktiven Regierung eine Steilvorlage um sich dem Willen der Bevölker verpflichtet zu zeigen."
Der Wille der Bevölkerung ist gegen eine Anpassung.
Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Instituts Civey hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. 36 Prozent der Befragten sprechen sich demnach für Einschränkungen aus, 54 Prozent sind dagegen, 10 Prozent unentschieden. Erhoben wurden die Daten in diesem Frühjahr - die Streiks etwa bei der Bahn sind also in das Meinungsbild der Befragten eingeflossen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/streik-streikrecht-begrenzung-1.6471793
Sehr geehrter Herr Friedrich E.
Danke für den Hinweis mit dem DBB. „Again what learned!“ -:)
Die Intention ist Ihnen hoffentlich trotzdem klar. Den Streikrecht ist in Deutschland „Richterrecht“. Mit GG Art.9 Abs.3 ist das Recht auf „Arbeitskämpfe“ geschützt. Das ist nicht nur das Streikrecht, sondern umfasst auch die Arbeitgeberseitigen Gegenmaßnahmen. Es braucht also für die Neuordnung des Streikrecht keine Anpassung des GG. Es genügt die Einführung eines den Arbeitskampf ordnenden Gesetzes. Und das kann, ohne das GG zu verletzen, Vieles von dem was die GdL jetzt angewandt hat verbieten.
Genau auf diesem Umstand ist der Gesetzgeber nun mit aller Gewalt aufmerksam gemacht wurden.
Und die Einführung eines solchen Gesetzes richtet sich nicht nach Umfragen. Wenn die GdL die Streiks noch härter ansetzt, keine eine momentane Stimmungslage reichen, so etwas zu platzieren.
Gewerkschaften sind unabhängig. Dachverbänden wie DGB/DBB ... haben keine Weisungsbefungnis gegenüber Einzelgewerkschaften. Daß das GG bei einer Neuordnung des Streikrechts nicht geändert werden muß hat @Thomas T. m.e. korrekt ausgeführt.
"Es braucht also für die Neuordnung des Streikrecht keine Anpassung des GG."
Meiner Meinung nach schon. Streiks sind im Grundgesetz erlaubt. Bislang sind Gewerkschaften nur in wenigen Ausnahmefällen dazu verpflichtet, kleine Notdienste einzuplanen, wie zum Beispiel in Krankenhäusern. Da Streiks nach der Rechtsprechung “verhältnismäßig” sein müssen, müssen Gewerkschaften die Grundrechte Dritter berücksichtigen – sei es das Leben und die Gesundheit von Patienten oder das Eigentum an verderblicher Ware. Wo solche akuten Schutzbedürfnisse fehlen und nur allgemeine Verärgerung über einen Streik im Bahn- oder Flugverkehr besteht, sind die Gewerkschaften bislang nicht verpflichtet, ihren Streik durch laufende Notdienste zu unterbrechen. Wenn der Bundestag heute ein entsprechendes Gesetz wie in der Weimarer Zeit ausarbeiten würde, wäre es interessant zu sehen, ob das Bundesverfassungsgericht darin eine Verletzung von Artikel 9 des Grundgesetzes sehen würde, aus dem sich das Streikrecht ableitet. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der in der Weimarer Zeit ebenso wenig existierte wie das Grundgesetz, spricht von einem Recht auf “effektiven” Streik. Eine Pflicht zur Vorankündigung würde dem entgegenstehen.
Ich denke, dass ein Gesetz, das Streiks behindern soll, genauso scheitern wird wie die Vorratsdatenspeicherung.
Ich frage mich was Herr Stahl lieber hätte? Weitere Streiks bis zum Sankt Nimmerleinstag? Oder die Unterwerfung der Gewerkschaften?
Allen Unkenrufen zum Trotz hat die GDL ein gutes Paket herausgeholt - dem Autor wäre es wohl lieber gewesen ohne Streik kein 1:1 rauszuholen sondern mit 0:1 nach Hause zu gehen und zu feiern dass man 'nur' knapp verloren hat.
Und grundsätzlich auch noch eine tolle Möglichkeit für diejenigen die mehr arbeiten wollen, jetzt mit mehr Lohn! Und die Bahn hat gleichzeitig einen Anreiz neue Mitarbeiter anzustellen.
Eine 35-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich und dazu 420 Euro monatlich mehr, während sich die EVG mit nur 410 Euro zufriedengegeben hat. Glückwunsch an die GDL und Herr Weselsky.