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Zukunft: Wie das Handwerk digital wird

Zukunft

Wie das Handwerk digital wird

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    Industrie 4.0 ist der Oberbegriff für die Digitalisierung und Vernetzung traditioneller Industrien.
    Industrie 4.0 ist der Oberbegriff für die Digitalisierung und Vernetzung traditioneller Industrien. Foto: Ole Spata, dpa

    In unseren Kirchen gibt es manches wertvolle Kunstwerk. Die geschnitzten Figuren vor Diebstahl zu schützen, gehört zu den Leistungen der Firma Schütz aus Filzingen im Kreis Neu-Ulm. Eine mechanische Sicherung verhindert, dass das Kunstwerk vom Sockel genommen werden kann. Und ein Alarm sollte den Dieb endgültig vertreiben. Geleitet wird der in der dritten Generation geführte Handwerksbetrieb von Dieter Stöhr, 58. Die Firma richtet Alarmanlagen zum Schutz gegen Einbruch und Brände ein, dazu Diebstahlschutz und Videoüberwachungen – und ist tätig in der Gebäudeautomation. Die Söhne Oliver Stöhr, 30, und Mario Stöhr, 28, sind mit eingestiegen. Viele Interessierte haben den Betrieb bereits besucht, um sich über die Chancen der Digitalisierung zu informieren. Die Vorteile kann man am Beispiel von Feuermeldern gut erklären.

    Hat die Firma Schütz Feuermelder in Gebäude eingebaut, übernimmt sie auch die Betreuung der Objekte in der Zukunft. Es geht um tausende einzelne Geräte. Firmen- und Privatgebäude, öffentliche Einrichtungen und über 800 Kirchen hat der Betrieb im Umkreis von 200 Kilometern bereits ausgestattet. Die Digitalisierung hat geholfen, Zeit und Kosten zu sparen.

    Störungen werden auf dem iPad angezeigt

    Im Jahr 2015 ist die Firma mit einem Programm an den Start gegangen, das alle bisher verbauten Geräte digital erfasst. „Die Daten ins System einzupflegen war eine große Arbeit, danach aber haben wir viel Papier entsorgt“, erinnert sich Dieter Stöhr und schmunzelt. Die rund zehn Techniker des 15 Mitarbeiter starken Betriebes bekamen alle ein iPad in die Hand. Dort können sie ablesen, welche Aufträge anstehen. Wo gibt es eine Störung? Wo steht eine Wartung an? Was ist zu prüfen? Gleichzeitig sehen sie am iPad, welche Geräte im betreffenden Gebäude wann verbaut wurden. (Lesen Sie: Auch in der Medizin schreitet die Digitalisierung voran.)

    Der Vorteil: Weil ein Techniker alle Daten auf dem iPad hat, muss er nicht in den Betrieb kommen. „Unsere Techniker fahren von Zuhause aus direkt zum Kunden“, sagt Stöhr. Es sei denn, sie müssten neues Material holen. „Wir haben heute geringere Fahrzeugkosten und geringere Arbeitskosten für die doppelte Dokumentation“, berichtet auch Mario Stöhr. Wenn jeder Techniker durch geringere Fahrzeiten und weniger Dokumentationsaufwand eine Stunde am Tag effektiver arbeitet, seien das bei zehn Technikern zehn Stunden am Tag – oder 50 Stunden in der Woche.

    Im Service-Bereich läuft es nach Angaben der Familie bereits „hundertprozentig“. Als zweiten Schritt würde sie nun gerne die sogenannte Rückerfassung von Neuprojekten vollständig digitalisieren. Wenn zum Beispiel neue Rauchmelder eingebaut werden, bringen die Techniker noch immer ein Blatt zurück, auf dem das Einbaudatum, die Nummer des Geräts und der Name des Monteurs vermerkt ist. Aufwendig müssen die Daten dann per Hand in den Computer übertragen werden.

    "Digitalbonus Bayern" verspricht 50.000 Euro Förderung

    Zwar kommen die Abrechnungsgrundlage, die Rechnung und die Lagerbuchungen dann bereits automatisch aus dem Programm. Aber könnte ein Techniker die Daten nicht gleich ins iPad eingeben, statt sie auf einem Blatt zu dokumentieren? Das ist die Idee. In Echtzeit könnte dann Dieter Stöhr in Filzingen sehen, wie weit die Arbeit auf einer 100 Kilometer entfernten Baustelle gediehen ist. Sofort könnte reagiert werden, wenn zum Beispiel auf der Baustelle das Material zu Ende geht. Dieter Stöhr rechnet mit einer Investition im sechsstelligen Bereich.

    Der Freistaat will Unternehmen bei der Digitalisierung helfen. Bis zu 50.000 Euro Förderung verspricht der „Digitalbonus Bayern“. Doch mit der Auszahlung hat die Familie eigene Erfahrungen gemacht: „Wir haben eine Freigabe, dass wir mit dem Projekt starten können – ob und wann allerdings mit einer Zahlung zu rechnen ist, wissen wir nicht. Diese Freigabe ist keine Zusage der Förderung“, sagt Stöhr. Der Staat scheint manchmal zu langsam zu sein für das Tempo der Digitalisierung. Und noch ein Hindernis ist da: Viele Gebäude liegen an Orten, wo es heute noch keinen Telefonempfang gibt. Die Techniker könnten ihre Daten also ins iPad eingeben, aber nicht sofort senden. Die Firma Schütz ließ deshalb eigens einen „Offline-Modus“ programmieren. Für Dieter Stöhr führt an der Digitalisierung trotzdem kein Weg vorbei: „Das alles ist kein Grund, diesen Schritt nicht zu gehen!“

    Seine Mitarbeiter musste er für die Digitalisierung übrigens nicht eigens motivieren: „Ein Handwerker möchte die Zeit mit seinem Handwerk verbringen, das ihm Spaß macht – und nicht mit langen Anfahrten, Staus oder dem Ausfüllen von doppelter und dreifacher Dokumentation“, sagt er.

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