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Bundestagswahl: Von Debattenkultur kann bei der Bundestagswahl keine Rede mehr sein

Bundestagswahl

Von Debattenkultur kann bei der Bundestagswahl keine Rede mehr sein

Daniel Wirsching
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    Die Moderatoren Maybrit Illner ZDF und Oliver Köhr machten beim TV-Triell keine gute Figur.
    Die Moderatoren Maybrit Illner ZDF und Oliver Köhr machten beim TV-Triell keine gute Figur. Foto: Wolfgang Kumm, dpa (Symbol)

    Manchmal möchte man schreien: Kommt alle mal wieder runter! Seid mal nicht so selbstgerecht! Man glaubt, schreien zu müssen, weil man das Gefühl hat, sonst nicht gehört zu werden – in den öffentlichen Diskussionen dieser Tage, die nicht nur auf Twitter schnell aggressiv geführt werden und für die zu gelten scheint: Auf sie mit Gebrüll!

    Bundestagswahl: Deutschland hat auch außerhalb des Wahlkampfes ein Problem

    Keine zwei Wochen vor der Bundestagswahl ist diese „Debattenkultur“ täglich zu beobachten, in den sogenannten sozialen Medien wie im „echten“ Leben, was sich ja nicht voneinander trennen lässt. Da wird aneinander vorbeigeredet, absichtlich missverstanden, mit Halbwahrheiten hantiert und Meinung gemacht.

    Deutschland hat ein Problem. Und das reicht weit über die Aufgeregtheiten in Wahlkampfzeiten hinaus: Man weiß offensichtlich nicht (mehr), wie man vernünftig miteinander diskutiert. Ausreden lassen, argumentieren, zumindest versuchen, das Anliegen des Gegenübers nachzuvollziehen… Wenn nur noch Meinungen lautstark aufeinanderprallen, führt das letztlich zur Spaltung der Gesellschaft.

    Auch für den Journalismus – vor allem für den politischen – stellt sich das zunehmend als Problem dar. Etwa, wenn versucht wird, ihm Parteinahme zu unterstellen oder wenn er als „Staatsfunk“ und „Lügenpresse“ geschmäht wird. Wenn ihm die Glaubwürdigkeit abgesprochen und Fakten nicht als Fakten akzeptiert werden.

    Zum Problem wird der Journalismus selbst, wenn er sich von seinen Grundprinzipien und seinem Anspruch entfernt, unabhängig und überparteilich zu sein. Den sogenannten klassischen Medien, den Qualitätsmedien, kommt eine enorme Verantwortung und Bedeutung im öffentlichen Diskurs zu, der seit Jahren von Populisten, Pegida und „Querdenkern“ mitgeprägt wird. Doch nach wie vor tun sich Journalistinnen und Journalisten schwer, damit umzugehen. Auch, weil sie sich bisweilen in ihren eigenen Ansprüchen verheddern. Sie müssen mit allen reden, sie hören grundsätzlich die jeweils andere Seite. Aber müssen sie deshalb, nur zum Beispiel, einem Verschwörungserzähler oder einem Faschisten eine Bühne bieten?

    Bundestagswahl: Es braucht distanzierten, kritischen Journalismus

    Problematisch ist es ebenfalls, wenn ein seriöses Medium wie Die Welt zum gedruckten Twitter wird, Empörungsjournalismus betreibt und abstruseste Polemiken veröffentlicht. Und wenn Die Zeit oder der Grenzen zwischen Journalismus und Aktivismus verwischen (im Mindesten aber diesen Eindruck erwecken). Der stern produzierte vor einem Jahr mit Aktivisten von Fridays for Future gemeinsam eine Ausgabe, Die Zeit führte jetzt das Ressort „Green“ ein und begründete das damit, dass „wir“ den Umweltschutz noch nicht verinnerlicht hätten und es „eine neue Erzählung über die sich abzeichnende Wirklichkeit“ brauche.

    Nein, was es braucht – gerade in Wahlkampfzeiten –, ist distanzierter, kritischer Journalismus, der im weitesten Sinne offen bleibt und seinem Publikum Fakten und Einordnung liefert. Der weder so tut, als gäbe es auf die komplexe Wirklichkeit einfache Antworten. Noch sich darin erschöpft, sich selbst zu genügen. Dafür ist das verkorkste „Triell“ der Kanzlerkandidatin und der Kanzlerkandidaten in ARDund ZDF das jüngste Negativbeispiel. Es würde nicht verwundern, hätte es die verbreitete Politik- und Medienverdrossenheit befördert.

    Das Moderationsduo hechelte sich durch die Sendung und verlor sich in Fragen nach Parteitaktik. Statt Themen zu vertiefen und Positionen herauszuarbeiten, statt offensichtliche Unrichtigkeiten richtigzustellen und Sachverhalte einzuordnen, war ihm die „Berliner Filterblase“ genug. Das allerdings ist in so vielerlei Hinsicht nicht genug.

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