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Debatte: Pro und Contra: Jetzt kein Gas mehr aus Russland kaufen?

Debatte

Pro und Contra: Jetzt kein Gas mehr aus Russland kaufen?

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    Sich jetzt von den Energielieferungen aus Russland abzuschneiden, wäre ein schwerer Fehler. Eine tiefe Wirtschaftskrise wäre die Folge.
    Sich jetzt von den Energielieferungen aus Russland abzuschneiden, wäre ein schwerer Fehler. Eine tiefe Wirtschaftskrise wäre die Folge. Foto: Czarek Sokolowski, AP/dpa

    Pro: Ja, denn die bisherigen Reaktionen des Westens reichen nicht aus

    Es gibt Dutzende bestechende ökonomische Argumente, in diesem Jahr noch nicht auf russisches Gas zu verzichten. Lobby-Verbände tragen sie zu Recht vor. Die Wirkung blieb nicht aus: Nicht nur Kanzler Scholz schließt sich der Haltung der Wirtschaft an, geht es ihm doch um den Erhalt von Unternehmen und Arbeitsplätzen. Auch Wirtschaftsminister Habeck hat sich schweren Herzens durchgerungen, die Belange der Wirtschaft über die des politisch Wünschenswerten zu stellen.

    Doch an all den Dutzenden guten Argumenten klebt Blut, nämlich das vieler tapferer Ukrainerinnen und Ukrainer. Und an den Argumenten wird noch mehr Blut kleben, auch das Blut weiterer Kinder. Wenn wir den Diktator Putin, den der russische Ökonom Inosemzew als „Faschisten wie aus dem Lehrbuch“ bezeichnet, stoppen wollen, gelingt das am besten mit der Waffe der Ökonomie. Denn ein direkter militärischer Eingriff des Westens würde einen dritten Weltkrieg heraufbeschwören.

    Um das System Putin womöglich zum Einsturz zu bringen, reichen die bisherigen Finanzsanktionen nicht. Europa und allen voran Deutschland bleibt nichts anderes übrig, als den Erpresser und Trickser Putin da zu treffen, wo er am verwundbarsten ist. Das funktioniert nur, wenn der Westen in einer Allianz der Moral von dem russischen Kriegstreiber geschlossen kein Gas mehr kauft. Damit würde sein Haupterpressungswerkzeug zerstört.

    Das wird Deutschland in eine harte Rezession stürzen. Aber das Land hat in der Corona-Zeit bewiesen, wie widerstandsfähig es ist. Wenn wir das billige russische Gas verschmähen und Firmen leider stillstehen, müssen die schlimmsten Folgen über Kurzarbeit und Milliardenhilfen abgefedert werden. Das wird ein Kraftakt. Wir alle müssen auf vieles verzichten. Am Ende schweißt das moralische Aufbäumen ein Land zusammen. Jeder hat dann seinen Anteil geleistet, um Putins böses Spiel zu beenden.

    Stefan Stahl

    Contra: Nein, denn ein Importstopp würde auch Deutschland schwächen

    Schon als Wirtschaftsminister Robert Habeck die erste Warnstufe Gas ausgerufen hat, zogen die Preise an der Börse direkt an. Gas wurde wie erwartet teurer, Strom folgte postwendend, weil er zum Teil in Gaskraftwerken erzeugt wird. An der Verfügbarkeit des Brennstoffs hatte sich nichts geändert, allein das Warnsignal trieb den Kurs.

    Schon das aktuelle Preisniveau führt dazu, dass Verbraucher ächzen und Unternehmen mit hohem Energieverbrauch die Produktion einstellen. Das Stahlwerk bei Augsburg ist nur ein Beispiel. Wenn Deutschland einen Importstopp für Gas, Öl und Kohle verhängt, um den Kriegsherren Wladimir Putin zu schwächen, schwächt es sich selbst. Und zwar langfristig. Denn in diesem Fall sind selbst die aktuell schon hohen Preise ökonomischer Kindergarten.

    Einen kurzen Vorgeschmack bot der Markt, als Putin den Einmarschbefehl in die Ukraine erteilte. Die Gaspreise verdreifachten sich, Öl wurde deutlich teurer. Während Öl und Kohle recht zügig ersetzt werden können – selbstverständlich zu höheren Preisen – ginge das bei Gas nicht. Über den Frühling und den Sommer könnten die Speicher nicht gefüllt werden, von denen Deutschland im Winter zehrt.

    Dann müsste der Staat Gas rationieren. Die Industrie müsste runterfahren, damit die Menschen zu Hause nicht frieren. Jede zweite Wohnung hierzulande wird mit Gas beheizt. Was vorher nicht der Preisschock erledigt hätte, würde der Staat per Anordnung erledigen müssen. Das Herz der deutschen Wirtschaft hörte auf zu schlagen. Hunderttausende gingen in Kurzarbeit. Dabei ist es die Industrie, in der maßgeblich der Wohlstand erarbeitet wird. Es käme zu einer tiefen Wirtschaftskrise in der giftigen Kombination mit penetranter Inflation. Ob die Industrie danach zu voller Stärke zurückkäme, ist zweifelhaft.

    Zwar gibt es eine Studie von Wirtschaftswissenschaftlern, wonach der Importstopp verkraftbar wäre, doch solch eine negative Kettenreaktion können ökonomische Modelle nicht vorhersagen. Selbst in normalen Zyklen korrigieren die Konjunkturdeuter laufend ihre Vorhersagen. Verwerfungen überfordern ihre Kunst.

    Der Totalverzicht auf Energie aus Russland träfe den Kreml schwer, aber deshalb hörte der Krieg nicht über Nacht auf. Gas könnten die Russen weniger verkaufen, weil die Rohre nach Europa laufen. Die frei werdende Kohle, das überschüssige Öl absorbierten Inder und Chinesen. Der Preis für Deutschland ist zu hoch, weil er den Kriegsverlauf nicht nachhaltig verändern wird.

    Christian Grimm

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